Börsendebüt für die Agricultural Bank of China Skeptische Anleger beim weltgrößten Börsengang
Die vergangenen fünf Jahre haben die Bankenwelt kräftig verändert: Dominierten bis vor kurzem noch westliche Großbanken, so haben heute chinesische Staatsbanken kräftig aufgeholt. Die letzte der großen Vier der Volksrepublik geht heute in Schanghai an die Börse, morgen folgt Hongkong - es könnte der größte Börsengang aller Zeiten werden. Doch die Anleger sind skeptisch.
Von Astrid Freyeisen, ARD-Hörfunkstudio Schanghai
Die Agricultural Bank of China soll der teuerste Börsengang aller Zeiten werden. Doch die Begeisterung hält sich in Grenzen. Zu Handelsbeginn legte die Aktie gerade mal um 2,2 Prozent zu. Was die Kleinanleger in einer Schanghaier Börsenstube nicht überrascht, wie einer von ihnen erklärt: "Ich werde nicht in die Agricultural Bank investieren. Ich hatte mal Aktien der China Construction Bank und der Bank of China, da habe ich viel Geld verloren. Die Profite der Agricultural-Bank-Aktie sind zu gering. Ich investiere lieber in Hochtechnologie-Aktien.
Unsere Wirtschaft steht zwar gut da, aber die Aktienkurse sind seit einem Dreivierteljahr nicht gestiegen. Doch eines Tages wird sich die Situation verbessern. Ich habe Vertrauen."
Von Mao 1951 gegründet
Vertrauen in die wirtschaftliche Kraft der Volksrepublik hat auch Horst Löchel, Finanzexperte an der China Europe Business School in Shanghai. Er sieht den Börsengang der Agricultural Bank of China als Teil der Regierungsstrategie: Peking pumpt Milliarden in ländliche Regionen – wo die meisten der 24.000 Filialen der Bank sitzen, das dichteste Netz in China, sagt Löchel: "Sie wird die Bauern-Bank genannt. Sie ist interessanterweise von Mao Tse-tung 1951 gegründet worden, hat also eine gewisse Geschichte. Man muss sehen, dass zwei Drittel der Bevölkerung auf dem Land leben und dass es da noch ziemlich viel Armut gibt. Ein Grund für die Armut der Bauern ist, dass es keine richtige Finanzierung gibt. Man kann kein richtiges Geschäft anfangen, weil kein Geld da ist. Da meine ich, dass die Agricultural Bank of China gut in dieses Bild passt."
Mehr Kunden als die USA Einwohner
Die Agricultural Bank of China hat 320 Millionen Kunden - mehr als die USA Einwohner haben. Auf dem Land sieht Löchel keinen so harten Konkurrenzkampf der staatlichen Großbanken wie in den Metropolen. Außerdem hat die Agricultural im ersten Halbjahr ihren Profit um 40 Prozent auf umgerechnet 5,3 Milliarden Euro erhöht.
Aber erreicht die Agricultural Bank dank Mehrzuteilungsoption, dem sogenannten Green Shoe, tatsächlich den angepeilten weltweiten Rekord beim Börsengang in Höhe von von 22,2 Milliarden US-Dollar? Für Schanghai rechnen Analysten mit einem Kursanstieg von höchstens fünf, beim Börsengang in Hongkong am Freitag von höchstens drei Prozent. Nicht gerade viel im Vergleich zu vor der Finanzkrise, als die anderen chinesischen Bankenriesen erstmals gehandelt wurden.
"Ich glaube nicht, dass es hier um Prestige geht"
Wieviel Geld der Börsengang bringt, sei keine Sache des Regierungsprestiges, sagt Wang Jianmao, Volkswirt der China Europe Business School in Schanghai: "Ich glaube nicht, dass es hier um Prestige geht - im Gegenteil: Die chinesische Regierung könnte durch diesen Börsengang eine schwere Bürde abstreifen. Die staatlichen Großbanken waren alle hoch verschuldet, am schlimmsten die Agricultural Bank. Ich hoffe, ihr Börsengang ist erfolgreich. Denn wenn sie wieder faule Kredite anhäuft, müssten die chinesischen Steuerzahler dafür einstehen."
Zwischen Rückständigkeit und positiven Zeichen
Ende 2009 hatte die Agricultural Bank noch immer faule Kredite in Höhe von über 30 Milliarden Euro in ihren Büchern stehen. Davon hat der Staat sie mittlerweile befreit. Analysten halten die Bank dennoch für rückständig: Im Management, speziell im Risikomanagement, aber auch in der technischen Ausstattung. Trotzdem sieht Finanzexperte Löchel positive Zeichen: "Es ist so, dass eine große ausländische Bank, die sehr erfahren ist, nämlich die Standard Charter Bank, einer der Großinvestoren ist. Und die ist in diesen aufstrebenden Volkswirtschaften sehr stark. Ich glaube, dass die dieses Know-How nehmen und aufpassen, dass es nicht wieder so wird wie es vorher war mit den faulen Krediten."
Die Aktienmehrheit bleibt auch nach dem Börsengang ganz klar in staatlicher Hand – wie bei allen börsennotierten Banken der Volksrepublik.