Kritik von Umweltverbänden "Mehrwegpflicht ist Rohrkrepierer"
Seit rund 100 Tagen müssen Gastronomie-Betriebe Mehrwegverpackungen anbieten, wenn sie Essen für unterwegs verkaufen. Umweltverbände begrüßen das neue Gesetz, sehen aber noch viele Probleme. Von T. Diekmann und M. Rottach.
Seit rund 100 Tagen müssen Gastronomie-Betriebe Mehrwegverpackungen anbieten, wenn sie Essen für unterwegs verkaufen. Umweltverbände begrüßen das neue Gesetz, sehen aber noch viele Probleme.
In der Metzgerei von Marlen Hess in Leonberg nahe Stuttgart steht heute Currywurst auf dem Mittagsmenü. Täglich gehen bei ihr 140 Mittagessen über die Ladentheke, vieles davon zum Mitnehmen nach Hause. Als Alternative zur Einwegverpackung bietet die Metzgerin schon seit Sommer 2021 auch Mehrwegverpackungen der Firma Recup & Rebowl an. Wurst und Soße geht auf die eine Seite der dunkelgrünen Mehrwegschüssel, Pommes auf die andere. Am Ende kommt noch der transparente Deckel drauf.
Die Umstellung habe sich gelohnt, sagt sie - trotz anfänglicher Skepsis ihrer Kunden: "75 bis 80 Prozent der Kunden, die hier reinkommen, kommen mit ihrem Rebowl. Und das wird auch immer mehr."
Zunächst seien es die jüngeren Kunden gewesen, die auf Mehrweg umgestiegen sind. Inzwischen greifen Hess zufolge auch Ältere. "Ich find's toll", sagt ein Kunde mit roter Jacke, der auf seine Bestellung wartet. "Ich komme fast jeden Tag hierher, und jeden Tag so eine Plastikschüssel in den Müll schmeißen ist auch blöd."
Weniger Müll als Ziel
Nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) landen jährlich 5,8 Milliarden Einwegbecher und 6,4 Milliarden Einweg-Essensboxen im Müll. Eine Mehrwegpflicht könne den Verbrauch von Einwegplastik reduzieren, Ressourcen und das Klima schonen.
Davon ist Viola Wohlgemuth von Greenpeace überzeugt. Die Mehrwegpflicht sei grundsätzlich eine gute Gesetzesgrundlage: "Wir wollen, dass Mehrweg das neue Normal wird. Wo wir hinkommen müssen, ist, dass wir für alle Behälter für Lebensmittel ein einheitliches Rückgabesystem haben." Wer in Hamburg in die Bahn steige und eine Mehrweg-Box dabeihabe, müsse diese auch in München wieder abgeben können, so die Expertin für Kreislaufwirtschaft.
"Behörden vor Ort müssen aktiv werden"
Noch scheint es aber bei der Umsetzung der Mehrwegpflicht große Probleme zu geben. "Die Hälfte aller Läden ignorieren die Mehrweg-Angebotspflicht schlicht", sagt Wohlgemuth und beruft sich dabei auf eigene Erhebungen von Greenpeace. Das Problem sei die fehlende Strafverfolgung. "Die Behörden vor Ort müssen aktiv werden und die Mehrweg-Pflicht kontrollieren. Das passiert aber bislang zu selten. Diese Pflicht ist ein Rohrkrepierer, wenn sie nicht strafrechtlich verfolgt wird", so Wohlgemuth.
Die Deutsche Umwelthilfe hat nun gegen erste Unternehmen Klage eingereicht. "Es ist erschreckend, dass millionenschwere Unternehmen mit Klagen dazu gezwungen werden müssen, sich an geltendes Recht zu halten", sagt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Deshalb müssten Bundesländer ihren Vollzugsaufgaben nachkommen. Es gehe darum, dass Verstöße sanktioniert würden und dafür gesorgt werde, "dass die Mehrwegangebotspflicht ernst genommen wird", so Metz.
Pfandsysteme profitieren
Von der Gesetzesänderung profitieren Anbieter von Pfandsystemen, wie Vytal, reCIRCLE oder Recup & Rebowl. "Das neue Gesetz hat bei uns zu einer deutlich größeren Nachfrage geführt", sagt Recup-Sprecherin Simona Dunsche auf Nachfrage von tagesschau.de. "Seit dem 1.Januar 2023 haben sich über 5000 weitere Ausgabestellen an unser System angeschlossen, darunter große Ketten wie Burger King."
Deutschlandweit sei man mit inzwischen 21.000 Partnern Marktführer. "Wir können das Abfallaufkommen durch die Nutzung von Mehrwegsystemen deutlich reduzieren. Zwar sind Mehrwegprodukte in der Herstellung zunächst ressourcenintensiver, allerdings können unsere Mehrwegbecher bis zu 1000 Mal und die Schale bis zu 500 Mal wiederverwendet werden", so Dunsche.
Ganz ohne Einweg geht es nicht
Während Pfandsystem-Anbieter wie Recup und Umweltorganisationen ein Ende für alle Einwegverpackungen fordern, ist Metzgerin Hess in Leonberg froh, auch weiterhin Styropor- und Aluminium-Boxen anbieten zu können.
Auch wenn das Angebot von Mehrweg Pflicht ist - Einweg bleibt weiter erlaubt. "Viele Handwerker, die auf dem Bau nichts mit dem Mehrweggeschirr anfangen können, nehmen weiter Einweg", sagt Hess.