Zugefrorener Baikalsee

Wetterthema Leben am Kältepol

Stand: 13.12.2024 09:03 Uhr

Im Nordosten Sibiriens sind Temperaturen unter minus 50 Grad Celsius im Winter nicht ungewöhnlich.

Von Tim Staeger, ARD-Wetterkompetenzzentrum

Hierzulande wünschen sich viele, zumindest über Weihnachten, Frost mit Schnee. Temperaturen um oder knapp unter dem Gefrierpunkt empfänden die Einwohner von Oimjakon am sibirischen Kältepol aktuell wohl als unangenehm warm. Dort werden in den nächsten Tagen Temperaturen unter minus 40 Grad Celsius erwartet, was dort für die Jahreszeit ganz normal ist. Der offizielle Kälte-Rekord aus dem Jahr 1933 beträgt dort minus 68 Grad.

Über dem riesigen eurasischen Kontinent, fern mildernder Ozeane, kann in den langen Polarnächten die Temperatur extrem tief absinken. Der Erdboden kann die Wärme nur schlecht speichern und aufgrund der schieren Größe des Kontinents bildet sich in der riesigen Kaltluftmasse ein thermisches Hochdruckgebiet, das Sibirische Kältehoch. In dieser Region wurde am 31. Dezember 1968 mit 1083,8 Hektopascal auch der bisher höchste Luftdruck weltweit gemessen. Dieses sehr langlebige Druckgebilde verhindert großräumig die Zufuhr milderer Luftmassen und die Abstrahlung vom Erdboden in die oft sternklare Polarnacht über viele Wochen hinweg lässt die Temperatur dort auf Rekordniveau absinken.

Typisch für dieses extrem kontinentale Klima sind auch zwar sehr kurz Sommer, in denen es jedoch auch mal richtig heiß werden kann. Einer sibirischen Redensart nach „... ist im Juni noch kein Sommer, im Juli ist er aber schon wieder vorbei“. So beträgt die höchste je gemessene Temperatur in Oimjakon, plus 35 Grad. Der inoffizielle Kälterekord aus dem Jahr 1916 beträgt dagegen minus 81,2 Grad. Kälter wird es nur noch in der Antarktis, und so wurde mit minus 89,2 Grad Celsius die weltweit tiefste Temperatur 1983 an der russischen Forschungsstation Wostok auf dem Ostantarktischen Plateau gemessen.

Monattlmitteltemperatur in Frankfurt am Main und in Oimjakon

Nur geringfügig milder als in Oimjakon ist es im 650 km nordwestlich gelegenen Werchojansk, mit 1300 Einwohnern einer der kleinsten Städte Russlands. Dort wird die Milch nicht in Flaschen, sondern am Stück verkauft. Kältefrei bekommen die Schüler erst ab minus 50 Grad (in der Nacht auf Freitag wurden dort übrigens „nur“ minus 49 Grad registriert) und die Motoren müssen rund um die Uhr laufen, da sie sonst nicht mehr anspringen würden. Bleibt der Wagen dennoch einmal stehen, wird unter dem Motorblock ein Feuerchen entzündet. Dass dabei so mancher Wagen in die Luft fliegt, gehört zum sibirischen Risiko.

Zudem stellt der Wechsel von kalt zu warm eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. So wird beim Betreten eines geheizten Hauses kein heißes Getränk gereicht, denn dadurch könnten die unterkühlten Lungenbläschen Verbrennungen erleiden. Stattdessen gibt es hauchdünne Scheiben gefrorenen Fleisches und natürlich eisgekühlten Wodka aus dem Schneehaufen vor der Tür.