Angehörige von ukrainischen Kriegsgefangenen protestieren in Kiew. (Foto vom 18.10.2023)
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Krieg gegen die Ukraine ++ Tausende Ukrainer in Kriegsgefangenschaft ++

Stand: 17.11.2023 23:06 Uhr

Nach ukrainischen Angaben sind mehr als 4.300 Ukrainer in russischer Kriegsgefangenschaft. Die EU bereitet im Rahmen weiterer Sanktionen einen Boykott für Diamanten aus Russland vor. Die Entwicklungen vom Freitag zum Nachlesen.

17.11.2023 • 23:06 Uhr

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Rolle der Türkei bei der Aushandlung des Getreide-Deals zwischen Russland und der Ukraine gelobt. Die Türkei habe eine "konstruktive und wichtige Rolle gespielt" in der Frage, wie ukrainisches Getreide trotz der anhaltenden Kämpfe exportiert werden könne, sagte Scholz bei einer Pressekonferenz mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan. Es sei bitter, dass Moskau dieses Abkommen nicht fortführen wolle.

Nach Erdogans Darstellung will Russland aber wieder große Mengen an Getreide nach Afrika schicken. Die Türkei sei bereit, bei einem Getreidekorridor im Schwarzen Meer zu helfen.

Die ukrainische Rüstungsindustrie erreicht nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj inmitten des Verteidigungskriegs gegen Russland auch erhöhte Produktionsziele. Dies habe er aus einem Bericht des Ministeriums für strategische Industrien erfahren, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. "Und das ist wichtig", betonte er. Bei Beratungen mit seinem Verteidigungsminister Rustem Umjerow sei auch über die Umsetzung des ukrainischen Raketenbauprogramms gesprochen worden. Aktuell setzt die Ukraine überwiegend Raketen ein, die von US-amerikanischen oder europäischen Partnern geliefert werden.

Im Dezember sei dazu eine Konferenz mit Vertretern der ukrainischen und der US-amerikanischen Industrie, der Regierungen und mit anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geplant. Die Konferenz solle an ein früheres Forum der Verteidigungsindustrie anknüpfen. Die Ukraine ist seit Kriegsbeginn um einen Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie bemüht, um von der Abhängigkeit von Waffen- und Munitionslieferungen aus dem Ausland loszukommen.

Die Entscheidung der Europäischen Union zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine ist einem hochrangigen EU-Vertreter zufolge offen. Es gebe zudem noch keine Einigkeit über eine weitere Hilfszahlung von 50 Milliarden Euro an die Regierung in Kiew, sagte eine mit den Vorbereitungen des EU-Gipfels Mitte Dezember vertraute Person. Die jüngsten Diskussionen über eine weitere Unterstützung "so lange wie nötig" sei ein "Realitäts-Check", hieß es. Die Staatsführer realisierten, dass es ziemlich teuer werde.

Zugleich stellte der EU-Vertreter den raschen Beginn von Beitrittsverhandlungen in Zweifel und bezog sich dabei unter anderem auf die Ablehnung Ungarns. Einige EU-Spitzenpolitiker hätten vorgeschlagen, das Thema für März 2024 wieder auf die Tagesordnung zu stellen. Bis dahin hat die EU-Kommission einen Bericht dazu angekündigt, ob die Ukraine die Beitrittsbedingungen erfüllt.

Nach den überraschenden Vorstößen ukrainischer Truppen über den Dnipro bei Cherson im Süden der Ukraine dauern die schweren Kämpfe in der Region an. Wie der ukrainische Generalstab mitteilte, sei die Aufgabe der über den Fluss übergesetzten Truppen, "Ablenkungsmanöver, Überfälle und Aufklärungsaktionen durchzuführen". Unter anderem sollten Nachschubwege der russischen Militärs sowie Artilleriestellungen ausgekundschaftet werden. Eine der Hauptaufgaben sei jedoch, die russischen Truppen so weit wie möglich vom Dnipro-Ufer zurückzudrängen, um die ständigen russischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung über den Fluss hinweg zu unterbinden. "Je weiter die russische Artillerie von Cherson entfernt ist, umso besser", schrieb der ukrainische Generalstab in seiner Mitteilung auf Telegram.

Zuvor schon hatte die ukrainische Marineinfanterie berichtet, einige Brückenköpfe auf dem bisher von Russen kontrollierten linken Ufer des Dnipro errichtet zu haben. Russische Militärbeobachter berichten seit Wochen über ukrainische Vorstöße am Unterlauf des Dnipro.

Mehr als 3.500 ukrainische Soldaten sind nach Angaben der Regierung in Kiew weiter in russischer Kriegsgefangenschaft. Insgesamt sei die Gefangenschaft von mehr als 4.300 Ukrainern in Russland bestätigt, teilte das Ministerium für Reintegration mit. Davon seien über 760 Zivilisten. Die Angehörigen erhalten demnach finanzielle Unterstützung vom ukrainischen Staat.

Anfang November war bekannt geworden, dass Kiew im Westteil des Landes ein zweites Gefängnis für russische Kriegsgefangene vorbereitet. Schätzungen zufolge bieten beide Einrichtungen gemeinsam Platz für etwa 900 Gefangene. Russischen Angaben nach befinden sich über 500 russische Soldaten in ukrainischer Kriegsgefangenschaft.

Dem ukrainischen Menschenrechtsbeauftragten Dmytro Lubinez zufolge seien seither knapp 2.600 Kriegsgefangene und Zivilisten von Moskau an Kiew übergeben worden. Im Gegenzug kehrte eine unbekannte Zahl an Kriegsgefangenen nach Russland zurück.

Die EU-Kommission schlägt in einem neuen Sanktionspaket gegen Russland ein Boykott von Diamanten und Juwelen vor. Der Schritt soll im Januar 2024 in Kraft treten, heißt es der Nachrichtenagentur Reuters zufolge im entsprechenden Entwurf. Von den Sanktionen betroffen sein sollen auch Diamanten aus Russland, die in Drittstaaten wie Indien bearbeitet werden. In diesen Fällen soll es aber eine Übergangsphase von März bis September geben. Über die Vorlage haben die Botschafter der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union heute beraten. Die Sanktionen sollen Russlands Finanzierung des Angriffskriegs gegen die Ukraine erschweren.

Russland hat nach eigenen Angaben die ersten seiner versprochenen kostenlosen Getreidelieferungen nach Afrika verschifft. "Die ersten beiden Schiffe haben bereits russische Häfen in Richtung Somalia und Burkina Faso verlassen", erklärte der russische Landwirtschaftsminister Dmitri Patruschew. "Wir gehen davon aus, dass sie Ende November bis Anfang Dezember eintreffen werden." Staatliche Nachrichtenagenturen berichteten, Patruschew habe die Lademenge mit je 25.000 Tonnen pro Frachter angegeben. Bis Ende des Jahres würden weitere Schiffe mit Ziel Mali, Simbabwe, Zentralafrikanische Republik und Eritrea auslaufen, erklärte Patruschew weiter.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im Juli zugesagt, 200.000 Tonnen kostenloses Getreide in sechs afrikanische Länder zu schicken. Kurz zuvor hatte Moskau ein von den Vereinten Nationen vermitteltes Getreideabkommen aufgekündigt, das ukrainische Agrarexporte über das Schwarze Meer ermöglichte. Russland und die Ukraine gehören zu den weltweit größten Produzenten und Exporteuren von landwirtschaftlichen Waren. Russlands Offensive in der Ukraine hatte Befürchtungen eines weltweiten Lebensmittelmangels sowie steigender Preise besonders auf Getreide hervorgerufen.

Bislang haben nach ukrainischen Angaben 151 Frachter den im August eingerichteten temporären Korridor im Schwarzen Meer genutzt. Dabei seien 4,4 Millionen Tonnen Fracht verschifft worden, darunter 3,2 Millionen Tonnen Getreide, sagt Vize-Infrastrukturminister Jurij Waskow der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine zufolge. Derzeit würden 30 Schiffe in ukrainischen Häfen beladen. 22 von ihnen nähmen insgesamt 700.000 Tonnen Getreide auf, die anderen acht würden mit 500.000 Tonnen an anderen Gütern beladen.

Die Ukraine hat nach dem Ausstieg Russlands aus dem von den UN und der Türkei vermittelten Getreideabkommen einen sogenannten humanitären Korridor im Schwarzen Meer eingerichtet. Über ihn konnten die seit Kriegsbeginn im Februar 2022 festsitzenden Frachtschiffe ukrainische Häfen verlassen. Zudem fahren darüber Frachter ukrainische Häfen an, um Ladung aufzunehmen.

Die Situation von Roma-Kindern in der Ukraine hat sich nach Darstellung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) deutlich verschlechtert. "Roma waren schon vor dem Krieg die ärmste Bevölkerungsgruppe mit niedrigen Bildungschancen. Durch den russischen Angriff und die Flucht aus den Heimatregionen hat sich ihre Situation verschärft", sagte die Osteuropa-Expertin der GfbV, Sarah Reinke.

Knapp die Hälfte der ukrainischen Roma habe aufgrund des Krieges die Heimat verlassen. Ihre Zahl vor dem Krieg wird auf 200.000 bis 400.000 geschätzt. Die Menschenrechtsorganisation beruft sich auf eine aktuelle Untersuchung der ukrainischen Jugendorganisation ARCA (Youth Organisation for the Advocacy of Roma Culture). Demnach verstärkt der Krieg den Kreislauf von Armut und schlechten Bildungs-, Berufs- und Einkommenschancen.

Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben das von Russland besetzte Ostufer des Flusses Dnipro nahe der südukrainischen Stadt Cherson angegriffen. Die Verteidigungskräfte hätten dort "eine Reihe erfolgreicher Einsätze" ausgeführt, erklärte die Marineinfanterie auf der Plattform Facebook. Dabei sei es den ukrainischen Kräften gelungen, "auf mehreren Brückenköpfen Fuß zu fassen". Der Dnipro stellt seit einem Jahr die Frontlinie zwischen den ukrainischen und russischen Streitkräften im Süden der Ukraine dar. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Karte Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Die ukrainische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben russische Drohnenangriffe über den Regionen Mykolajiw und Odessa im Süden des Landes abgewehrt. Auch bei Schytomyr im Zentrum und in der Region Chmelnyzkji im Westen der Ukraine seien Drohnen abgefangen worden, teilte die Luftwaffe mit. Die russischen Streitkräfte hätten zudem nahe der Front in der Region Donezk im Osten mehrere C-300-Raketen abgefeuert.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Mehr als 2.400 ukrainische Kinder im Alter von sechs bis 17 Jahren sind seit Beginn des Kriegs in der Ukraine nach Belarus gebracht worden. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Humanitarian Research Lab an der Yale School of Public Health, das vom US-Außenministerium finanziert wird. Laut dem veröffentlichten Untersuchungsbericht wurden Kinder aus mindestens 17 Städten in den ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja nach Belarus gebracht. "Russlands systematische Bemühungen, ukrainische Kinder zu identifizieren, einzusammeln, zu transportieren und umzuerziehen, wurden von Belarus unterstützt", heißt es in dem Bericht.

Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamistischen Hamas vor mehr als einem Monat hat die Ukraine nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj deutlich weniger Granaten bekommen. "Unsere Lieferungen sind stark zurückgegangen", sagte er vor Journalisten. Vor allem verwies er auf Granaten vom Kaliber 155, die von der ukrainischen Armee bei ihren Kämpfen gegen die russischen Aggressoren im Süden und Osten des Landes viel eingesetzt werden.  

"Im Nahen Osten, was denken Sie, was zuerst gekauft wurde? Kaliber 155", sagte Selenskyj vor einer kleinen  Gruppe von Medien, darunter die Nachrichtenagentur AFP. "Unsere Versorgung ist zurückgegangen." Zugleich warnte der Staatschef, dass Russland derzeit die Zahl seiner Raketen erhöhe, um im Winter erneut wichtige Infrastruktur in der Ukraine anzugreifen.

Laut Ukraines Präsident Selenskyj hat Russland den westlichen Teil des Schwarzen Meeres weitgehend räumen müssen. Der Nawalny-Mitstreiter Milow ist in Abwesenheit zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Die Entwicklungen vom Donnerstag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. November 2023 um 06:20 Uhr.