Ukrainischer Botschafter "Scholz muss Sanktionen zur Chefsache erklären"
Der ukrainische Botschafter Melnyk hat sich entsetzt über die Gräueltaten in Butscha gezeigt. Er wisse nicht, welche rote Linie es noch geben müsse, damit Berlin handele, sagte er im Bericht aus Berlin.
Die mutmaßlich von russischen Soldaten verübten Kriegsverbrechen in der ukrainischen Kleinstadt Butscha bei Kiew haben weltweit Entsetzen ausgelöst. Auch der ukrainische Botschafter Andrej Melnyk zeigte sich im Bericht aus Berlin erschüttert. "Ich glaube, Bilder sagen mehr als jedes Fake-Dementi aus Moskau. Eine derartige Brutalität haben wir bei den Stalin-Säuberungen im Zweiten Weltkrieg gesehen, und die aktuellen Bilder sind vielleicht noch schlimmer, denn das geschieht heute, es geschieht vor unseren Augen."
Melnyk kritisierte erneut das Verhalten der Bundesregierung, der er bereits in der Vergangenheit vorgeworfen hat, zu wenig für die Ukraine zu unternehmen: "Frauen wurden vergewaltigt und dann auch verscharrt, Zivilisten auf der Straße auf dem Fahrrad ermordet", führte der ukrainische Botschafter aus. "Ich weiß nicht, welche rote Linie es noch geben müsste, damit man hier in Berlin handelt."
"Schlimmste Sanktionen für Putin"
Von Bundeskanzler Olaf Scholz verlangte Melnyk, dass dieser "endlich die Führungsrolle übernehmen" und "schärfere Sanktionen zur Chefsache erklären" müsse. "Er sollte innerhalb der EU durchboxen, dass die schlimmsten Sanktionen für Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf den Weg gebracht werden."
Dazu zählt für Melnyk auch ein Stopp von Gaslieferungen aus Russland: "Diesen Schritt hätte man schon vor vielen Wochen unternehmen müssen." Spätestens am Montag sei es an der Zeit, diese schärfste Waffe zu benutzen. "Und da bin ich gespannt", so Melnyk. "Deutschland hat vieles blockiert in Brüssel. Ich hoffe, dass zumindest an diesem Montag die Ampel-Regierung eine führende Rolle dabei spielen wird, die Skeptiker innerhalb der EU zu überzeugen, diesen richtigen Schritt zu machen."
Kritik an Steinmeiers Russland-Verbindungen
Melnyk kritisierte erneut die engen Verbindungen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Russland in der Vergangenheit und stellte die angebliche Zeitenwende in Frage: "Ich glaube, wenn diese außenpolitische Katastrophe der Bundesregierung nicht aufgearbeitet wird - und das brauchen nicht wir, das braucht die deutsche Öffentlichkeit in erster Linie -, dann läuft man Gefahr, dass sich etwas Ähnliches wiederholt und dass man sich wieder in eine Abhängigkeit begibt."
Dass Steinmeier den Krieg scharf verurteilt hat, sind für Melnyk erst einmal nur "leere Worthülsen": "Es kommt darauf an, dass Taten folgen", sagte er. Melnyk hatte zuvor dem Bundespräsidenten eine höchst bedenkliche politische Nähe zu Russland attestiert. "Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht. Auch der Angriffskrieg spielt da keine große Rolle", sagte Melnyk dem "Tagesspiegel".
Für die kommende Woche ist der ukrainische Botschafter zu einem Termin bei Steinmeier im Schloss Bellevue geladen. Melnyk erklärte, dass er "natürlich kommen werde, um Gespräche zu führen".
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