Angeblich rassistisch und klischeehaft "Winnetou"-Bücher vom Markt genommen
Wegen "verharmlosender Klischees" hat der Ravensburger Verlag den Verkauf mehrerer Kinderbücher zu dem Film "Der junge Winnetou" gestoppt. Die Entscheidung löste Unverständnis aus, fand aber auch Zustimmung.
Der Ravensburger Verlag hat die Auslieferung einer Winnetou-Kinderbuchreihe gestoppt. Das Unternehmen begründete die Entscheidung mit "den vielen negativen Rückmeldungen" zu dem Buch "Der junge Häuptling Winnetou". Es enthalte "verharmlosende Klischees" über die Behandlung der indigenen Bevölkerung.
Rassistische Stereotype?
Die Veröffentlichung des Kinderbuches zu dem gleichnamigen Kinofilm hatte im Internet erhebliche Kritik ausgelöst. Das Feedback habe gezeigt, dass "wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben", erklärte der Verlag bereits vor einigen Tagen auf Instagram. "Das war nie unsere Absicht", erklärte Ravensburger weiter und entschuldigte sich "ausdrücklich".
Bei den gestoppten Artikeln handelt es sich den Angaben zufolge um Lizenztitel - ein Kinderbuch ab acht Jahren, ein Erstleserbuch, ein Puzzle sowie ein Stickerbuch. Ein Kritikpunkt bezog sich den Berichten zufolge darauf, dass in dem Buch rassistische Stereotype wiedergegeben würden.
Nur eine fiktive Geschichte?
Allerdings äußerten andere Unverständnis über die Entscheidung. So hält der Karl-May-Experte Andreas Brenne das Winnetou-Buch für unbedenklich: "Ich halte es für nicht richtig, ein solches Buch nur aufgrund eines Shitstorms aus dem Verkehr zu ziehen", sagte der Kunstpädagogikprofessor der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Schon in einer Vorbemerkung werde klargestellt, dass das Buch als fiktive Geschichte und nicht als sachgerechte Darstellung des Lebens indigener Völker zu verstehen sei. Brenne warnte davor, den Vorwurf der falschen kulturellen Aneignung unreflektiert zu generalisieren. "Schon das Verkleiden als Indianer gilt dann als rassistischer Akt", erklärte Brenne, der in der Karl-May-Gesellschaft an Programmfragen mitarbeitet.
Kritik von Prominenten
"Wenn wir jedes Mal, wenn sich jemand durch Rastalocken oder harmlose Kinderbuchgeschichten kulturell überfordert fühlt, Rücksicht nehmen, kommen wir irgendwann nicht mehr aus dem Rücksichtnehmen heraus", sagte Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki der "Bild"-Zeitung.
Schauspielerin Uschi Glas, die 1966 in "Winnetou und das Halbblut Apanatschi" eine Hauptrolle spielte, sagte mit Blick auf die Diskussionen der "Bild"-Zeitung: "In den Filmen und den Romanen gibt es Gute und Böse. Sie haben weiße oder rote Haut. Es bildet das echte Leben ab. Man soll doch aufhören, hier auf Biegen und Brechen einen Anlass zu finden, über etwas zu schimpfen."
"Romantisierendes Bild mit vielen Klischees"
Der Ravensburger Verlag erklärte, man sei bei den kritisierten Büchern "zu der Überzeugung gelangt, dass angesichts der geschichtlichen Wirklichkeit, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, hier ein romantisierendes Bild mit vielen Klischees gezeichnet wird". Auch wenn es sich um einen klassischen Erzählstoff handle, der viele Menschen begeistert habe, sei der Stoff "weit entfernt von dem, wie es der indigenen Bevölkerung tatsächlich erging", so ein Vertreter der Ravensburger AG. "Vor diesem Hintergrund wollen wir als Verlag keine verharmlosenden Klischees wiederholen und verbreiten, auch wenn wir den Grundgedanken der Freundschaft - wie bei Winnetou vorhanden - hoch schätzen."
Verfilmung als "besonders wertvoll" ausgezeichnet
Die Kritik hatte sich zunächst vor allem an der Winnetou-Neuverfilmung entbrannt, weil der Film rassistische Vorurteile bediene und eine kolonialistische Erzählweise nutze. Zuvor hatte auch die von den Bundesländern getragene Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW), die Filme auf ihre Qualität hin begutachtet, eine gespaltene Meinung zu dem Film "Der junge Häuptling Winnetou" veröffentlicht. Einige Jurymitglieder halten es demnach heute für nicht mehr zulässig, einen Film "im Geist der mythisch aufgeladenen und sehr klischeehaft darstellenden Karl-May-'Folklore' zu realisieren".
Bei einer großen Mehrheit der Jury fand der Film den Angaben der FBW zufolge aber Zustimmung. Sie verwiesen darauf, dass Karl May seine Erzählungen aus seiner Fantasie geschrieben habe, auch die Verfilmungen in den 1960er-Jahren seien Märchen, welche die Welt der indigenen Völker "im absolut klischeehaften Bild darstellten". Dies in einen Kinderfilm von heute märchenhaft einzubringen, sei durchaus legitim, befanden die Jury-Mitglieder. Der Film erhielt letztlich das Prädikat "besonders wertvoll".