Neuer "Lucky-Luke"-Band Mit dem Cowboy gegen Rassismus
"Black lives matter" im neuen "Lucky Luke"? Zum ersten Mal in seiner 74-jährigen Geschichte tritt im aktuellen Band eine schwarze Hauptfigur auf. Was sagt das über den Umgang mit Rassismus und Stereotypen in Comics aus?
Bass Reeves war der erste schwarze Marshall westlich des Mississippi. Es hat ihn tatsächlich gegeben. Selbst von Sklaven abstammend, soll er in seiner Laufbahn mehrere Tausend Gangster verhaftet haben. Im neuen "Lucky Luke"-Band kommt ihm eine tragende Rolle zu. Autor Jul meint: "Zu seiner Zeit war er wirklich ein Mythos, eine Legende des Wilden Westens. Weil die amerikanische Geschichtsschreibung alle Schwarzen - alle, die nicht zur Hollywoodlegende passten - ausradiert hat, ist er aber nach und nach in Vergessenheit geraten." Jetzt also reitet er an der Seite des Cowboys, der schneller schießt als sein Schatten, ins Bewusstsein der politisch korrekten Leserschaft.
Nachdem Lucky Luke zuletzt nach Paris fahren durfte, schickt ihn das Autorenpaar Achdé/Jul erneut auf die Reise - dieses Mal nach Louisiana. Er erbt dort eine Baumwollplantage, will den schwarzen Arbeitern die Anlage übereignen und macht dabei unliebsame Bekanntschaft mit dem rassistischen Ku-Klux-Klan. Am Ende gerät er selbst in die Klemme, bekommt unerwartet Unterstützung von seinen ewigen Widersachern, den Daltons, und hat schließlich Bass Reeves an seiner Seite.
Wie stellt man Sklaverei im Comic dar?
"Wir haben uns gefragt: Welches Thema wurde in Lucky Luke noch nie behandelt, welches Thema, welche Gegend?", meint Jul. "Es gibt eine Menge 'Lucky Luke'-Bänder, in denen unser Cowboy eine andere Gruppe der amerikanischen Gesellschaft kennenlernt: die Italiener, Iren, Chinesen." Aber in den achtzig Bänden fehlten die Juden und Schwarzen, so der Autor. "Dass dieses Album gerade jetzt erscheint, ist Zufall, kommt vielleicht aber einfach daher, dass Comicautoren und -zeichner aus der Aktualität schöpfen, sie schöpfen aus allem, was sie umringt."
Mit dem Judentum haben sich die beiden Macher bereits in dem Band "Das gelobte Land" beschäftigt. Jetzt geht es um die Geschichte der Sklaven in den Südstaaten, die natürlich voller Grausamkeiten ist. Deshalb war es für die Macher nicht einfach, den gewohnten Witz, der ein "Lucky Luke"-Album auszeichnet, beizubehalten. Zudem war die Gefahr groß, bei den Figuren-Zeichnungen in Stereotype zu verfallen. Ähnlich wie dies immer noch im "Asterix" der Fall ist, wo der schwarze Pirat im Ausguck mit dicken, roten Lippen dargestellt wird, oder auch in früheren "Lucky Luke"-Bändern selbst.
Zeichner Achdé wollte das unbedingt vermeiden:
Dann habe ich sehr darauf geachtet, nicht die gleichen Fehler zu machen, wie sie früher gemacht wurden und die Ausdruck einer bestimmten Zeit waren. Morris (der erste "Lucky Luke"-Zeichner) wurde dafür kritisiert - allerdings sehr viel später - dass die Schwarzen im Band 'Am Mississippi' dicke, rote Lippen haben, und so weiter. Das wollte ich nicht. Ich wollte zeigen, dass es eine Bevölkerungsgruppe wie jede andere ist, nur eben mit anderer Hautfarbe.
Neues Bewusstsein für Rassismus im Comic
In der Tat hat sich das Bewusstsein der Zeichner heute gewandelt. Überzeichnungen, wie sie im Comic - genauso wie in der Karikatur - üblich sind, werden mehrfach überdacht und bewusster eingesetzt. Comicfachmann Volker Hamann meint: "Stereotype im Comic haben in den vergangenen Jahren glücklicherweise nachgelassen und betreffen heutzutage vor allem Comic-Klassiker, die jenseits ihrer Problemzonen zum Großteil immer noch zeitlos und lesbar sind - wenn die Leser die historisch relevanten Gegebenheiten und Fakten richtig einordnen können."
Zumindest in Comic-Kreisen wird mittlerweile in regelmäßigem Rhythmus diskutiert, ob bestimmte Zeichner mit der Darstellung ihrer Figuren rassistische Motive verfolgten oder nicht. Das bekannteste Beispiel dürfte die Diskussion um "Tim und Struppi"-Zeichner Hergé sein, dessen Comic "Tim im Kongo" aus den Jahren 1930/31 immer wieder für Debatten sorgt. Rassismus im Comic wird zudem aus wissenschaftlicher Sicht untersucht. Und die Auseinandersetzung damit schlägt sich im Verhalten der Comic-Künstler heutzutage nieder.
Lucky Luke trifft Oprah und Barack
Der Umgang mit Rassismus im Comic hat sich über die Jahrzehnte natürlich auch verändert, meint Fachmann Hamann: "Stereotype, egal ob rassistisch motiviert oder nicht, sind immer auch dankbare Auslöser von Humor (gewesen), der im Laufe der Jahre zum Glück auch differenzierter wurde. Und da haben Rassismus und Verunglimpfungen eben nichts zu suchen."
Der aktuelle "Lucky Luke" wäre kein richtiger "Lucky Luke", wenn im Album nicht auch Anspielungen auf die heutige Zeit zu finden wären. So haben Achdé und Jul zwei schwarze Kinder mit den Namen Oprah und Barack versehen. Die eine will Journalistin werden, der andere Präsident der Vereinigten Staaten. Weil beide auch in die Schule gehen dürfen, könnte aus ihrer blühenden Fantasie tatsächlich auch etwas werden.
Und während der Lonesome Cowboy am Ende des Comics wie gewohnt in den Sonnenuntergang reitet, hat sein Kompagnon Bass Reeves frei nach Martin Luther King einen Traum: "Dass die Schwarzen eines Tages ebenso behandelt werden, wie alle Amerikaner. Dass sie endlich 'freier als ihre Schatten' leben."