Hilfen für die Ukraine Keine Almosen, sondern Selbstschutz
Die G7 und die EU bringen einen "Marshallplan" für den Wiederaufbau der Ukraine auf den Weg. Die Milliardenhilfen sind keine Almosen, sondern europäischer Selbstschutz. Einen Haken hat der Plan aber.
Es ist ein Satz, den sich deutsche Politiker gern mit Filzstift auf ihre Bürotafeln schreiben können: "Die Ukraine ist die physische Sicherheit Europas." Mit diesen Worten hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch einmal auf den Punkt gebracht, wie verwoben das Schicksal seines Landes mit dem der anderen europäischen Staaten ist. Und wie überlebensnotwendig es auch für die Deutschen ist, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt.
Insofern: Wer der Ukraine beim Wiederaufbau hilft, hilft auch sich selbst. Der gemeinsame Versuch von Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist also kein Almosen, sondern europäischer Selbstschutz.
Der Zerstörungswut Konstruktives entgegensetzen
Das schon mal vorbeugend an die Adresse all jener, die schon lange behaupten, dieser Krieg gehe die Menschen hierzulande nichts an - und die bald nach der Devise "Deutschland zuerst" versucht sein könnten, Milliardenhilfen als rausgeschmissenes Geld zu bezeichnen: Was Russlands Präsident Wladimir Putin am allermeisten fürchtet, sind funktionierende Demokratien in seiner Nachbarschaft. Gelänge ihm die Zerstörung der Ukraine, käme er mit seinen brutalen Verbrechen durch, wird er sich ermutigt fühlen und damit für uns zu einer noch größeren Gefahr als ohnehin schon.
Der Versuch, die finanziellen Ukraine-Hilfen zu bündeln, ist also grundsätzlich richtig. Dies mit einer Art "internationalem Doppel-Wumms", als gemeinsame Anstrengung von EU und G7 zu tun, ebenfalls. Geschenkt, dass der Bundeskanzler den hier nicht wirklich passgenauen "Marshallplan"-Begriff verwendet: Der Ansatz ist richtig, der Putin'schen Zerstörungswut etwas Konstruktives entgegenzusetzen. Dem geschundenen Land mit Sofort- ebenso wie mit Langfristhilfen unter die Arme zu greifen.
Scholz sollte sich selbst beim Wort nehmen
Einen Haken allerdings hat der Wiederaufbau-Plan: Der brutale russische Krieg ist in vollem Gang und ein Ende auch nicht in Sicht. Mit Drohnen- und Raketen-Angriffen auf zivile Ziele wie die Energieversorgung versucht Russland, doch noch zu erreichen, was ihm auf dem Schlachtfeld bislang misslungen ist: Den ukrainischen Nachbarn von der Landkarte zu tilgen.
Daher muss, allen Zukunftsplänen zum Trotz, der Fokus zuallererst darauf liegen, die gegenwärtige Zerstörung zu stoppen - und diesen Krieg schnellstmöglich zu beenden. Beides geht nur mit noch schnelleren und noch mutigeren Waffenlieferungen. Mit dem - offenbar äußerst wirkungsvollen - Raketenabwehrsystem IRIS-T ist es nicht getan. Putin wird erst verhandeln, wenn er militärisch keine Aussicht auf Erfolg mehr sieht.
"Der beste Wiederaufbau ist der, der nicht stattfinden muss", hat der Bundeskanzler in diesen Tagen gesagt. Soll heißen: Die beste Vorsorge ist, die Zerstörung zu verhindern. Scholz sollte sich selbst beim Wort nehmen. Und dem finanziellen "Marshallplan" auch eine Art "Masterplan" in Sachen Waffenlieferungen an die Seite stellen.
Das Zweifach-Signal, das Deutschland, die EU und die G7 nun auszusenden suchen, lautet in Richtung Kiew: "Wir lassen Euch nicht im Stich." Und in Richtung Moskau: "Was Russland zerstört, bauen wir wieder auf."
Wenn das aber für Europa nicht zur Sisyphos-Arbeit werden soll, dann muss es die Ukraine schnellstmöglich in die Lage versetzen, diesen Krieg zu gewinnen. Beides - Wiederaufbau und Waffenlieferungen - sind im deutschen Interesse. Gemäß dem Selenskyj-Satz: "Die Ukraine ist die physische Sicherheit Europas."