Kommentar zum Sixpack Späte Einsicht: Der Stabilitätspakt bekommt Zähne
Härtere Strafen, größere Abschreckungswirkung - mit dem so genannten Sixpack, einem Paket aus sechs Gesetzen, wird der Stabilitätspakt gestählt. Aber vielleicht kommen die neuen Instrumente im Kampf für einen stabilen Euro zu spät.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die EU hat zumindest ein Stück weit einen fatalen Fehler korrigiert: Den naiven Glauben daran, dass eine Währungsunion ohne Druck und Daumenschrauben funktionieren kann. Dass alle Mitgliedsstaaten schon irgendwie ihre Finanzen in Ordnung halten. Man ist vor über zehn Jahren eine Schicksalsgemeinschaft eingegangen, ohne auch eine Verantwortungsgemeinschaft zu schaffen. Das hat Ländern wie Griechenland erlaubt, das gemeinsame Schicksal aufs Spiel zu setzen.
Mit der jetzigen Reform ist mancherlei gewonnen. Die angedrohten Geldstrafen werden erhöht und damit auch die Abschreckungswirkung. Wichtiger ist, dass Sanktionen schon zu einem früheren Zeitpunkt möglich werden, nicht erst dann, wenn der Schaden eigentlich schon nicht mehr reparabel ist. Wichtig und richtig ist, dass die einseitige Fixierung auf das jährliche Defizit beendet wird. Ins Visier gerät jetzt auch die eigentlich viel gefährlichere Gesamtverschuldung. Nun können Länder per Strafandrohung dazu gebracht werden, den Schuldenberg nach und nach abzutragen.
Wirtschaftspolitik unter Brüsseler Kontrolle
Und mehr noch: Die ganze Wirtschaftspolitik wird der Brüsseler Kontrolle unterworfen. Länder, die Fehlentwicklungen zulassen, zum Beispiel im Bankensektor, die auf eine Immobilienblase zusteuern, die ganz generell vor notwendigen Reformen zurückschrecken - auch solche Länder müssen künftig mit einem Strafverfahren rechnen.
Schon vorher hatte der Stabilitätspakt durchaus Pfeile im Köcher. Aber sie wurden trotz der vielen Sündenfälle nie abgeschossen. Weil die Regierungen, die sich nicht so gern von Brüssel hereinreden lassen wollten, mit Leichtigkeit eine Blockade im Strafverfahren organisieren konnten. Nun liegt die Hürde höher, allerdings längst nicht ganz oben. Ob damit der politische Kuhhandel tatsächlich verhindert wird, kann nur die Zukunft zeigen.
Späte Einsicht
Über ein Jahr hat es gedauert, bis die Reform endlich beschlussreif war. Das zeigt, welche enormen Widerstände zu überwinden waren. Ohne die existenzbedrohende Krise wären die Regierungen nie bereit gewesen, so viel europäische Kontrolle zuzulassen. Aber das ändert nichts daran, dass die Einsicht spät, vielleicht zu spät kommt. Man verfügt jetzt zwar über wirksamere Instrumente, um künftige Krisen zu verhindern. Aber man hat das Kind ja schon in den Brunnen fallen lassen. Um den Euro ans rettende Ufer zurückzuholen, bedarf es noch ganz anderer Schritte hin zu mehr Integration.
Das sieht wohl jeder so. Aber das war es dann auch schon mit der Einigkeit. Den europäischen Steuerleuten fehlt der Plan, fehlt die Vision, und ihnen fehlt der Mut zu Entscheidungen, die der eigenen Bevölkerung schwer zu verkaufen sind.