Israels Angriffe im Libanon Frieden gibt es nicht, wenn man um sich schlägt
Israel provoziert mit der neuen Angriffswelle im Libanon gezielt eine Eskalation. Eine Waffenruhe im Gazastreifen werde damit unmöglich - so wie es die Regierung Netanyahus anscheinend will.
Wer mit Blick auf die Lage im Nahen Osten gedacht haben sollte, dass es schlimmer nicht mehr werden kann, dem sei heute gesagt: Doch, das geht.
Gerade steuert die Region direkt auf die nächste, heftigere Eskalation zu. Und das Furchtbare ist, dass die Akteure, die dafür verantwortlich sind - und damit für Tod und Leid von Hunderttausenden Menschen - nicht etwa Getriebene sind, die, ohne es recht zu wollen, in die nächste Katastrophe hineinstolpern. Im Gegenteil: Das alles, was sich jetzt abzeichnet, ist gewollt - daran kann es keinen Zweifel mehr geben.
Vorab die Klarstellung: Ja, Israel ist angegriffen worden und wird weiter angegriffen. Aus dem Gazastreifen und in diesen Tagen besonders heftig auch von der Hisbollah aus dem Libanon. Allein heute waren es mehr als 150 Raketen. Israels Regierung, und vor allem Zehntausende Menschen, die auf israelischer Seite in Sicherheit gebracht wurden, wollen, dass diese Angriffe aufhören. Und das mit gutem Recht.
Provokante Angriffe
Aber es ist ein großer Unterschied ob man mit Umsicht und verantwortungsvoll eine sehr konkrete Bedrohung ausschaltet. Oder ob man neue Angriffe, eine weitere Eskalation provoziert. Israel hat das getan: Zum Beispiel durch die gezielte Tötung von Ismail Hanija, dem Chef der Hamas, mitten in Irans Hauptstadt Teheran. Zwar hat Israel sich nicht dazu bekannt - aber es gibt keinen Zweifel, dass sie auf das Konto des jüdischen Staates geht.
Mit Hanija hatte es zuvor indirekte Verhandlungen über eine Waffenruhe und eine Freilassung von Geiseln gegeben. Man kann nur schließen: Beides ist von der Regierung Netanyahu nicht gewollt.
Was ist das strategische Ziel?
Und nun diese Woche die Explosion Tausender Kommunikationsgeräte im Libanon, die mutmaßlich der Mossad, Israels Auslandsgeheimdienst, von langer Hand vorbereitet hat. Getötet und verletzt wurden nicht nur Hisbollah-Leute, sondern auch Kinder und Zivilisten. Besonders perfide war eine Explosion während einer Beerdigung. Gibt es eine größere Provokation? Oder anders gefragt: Was soll das strategische Ziel eines solchen Angriffs sein?
Denkbar ist eigentlich nur, dass Israel die Hisbollah in einen großen Krieg ziehen will. Erst heute wurden wieder heftige Angriffe geflogen, auch in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Schon wird in Jerusalem und Tel Aviv davon gesprochen, dass man die Hisbollah nun besiegen müsse. Dass das gelingt, ist allerdings noch unwahrscheinlicher als ein Sieg über die Hamas in Gaza.
Chancen zur Deeskalation
Dabei hätte es immer wieder die Möglichkeit gegeben, richtig abzubiegen, zu deeskalieren. Hassan Nasrallah, der Chef der Hisbollah hat immer wieder, auch gestern erst, davon gesprochen, dass die Angriffe im Norden Israels aufhören, wenn die Waffen in Gaza schweigen. Darauf haben auch die USA und andere Staaten gesetzt, die sich für eine Waffenruhe in Gaza stark machen.
Israels Rhetorik ist, dass man von Feinden umzingelt sei. Das stimmt nur zum Teil: Organisationen wie die Hisbollah, die Hamas und das Regime in Teheran leben zwar von Fantasien der Vernichtung des jüdischen Staates. Mit anderen Staaten in der Region aber hat Israel Verträge und Kooperationen. Doch Israels Stellung in der Region wird durch seine Art der Kriegsführung nicht besser - das gilt auch für die Sicherheit des Landes. Frieden gibt es nicht, wenn man um sich schlägt.
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