Macron-Rede zu EU-Reformen Jetzt aber mal los, Madame!
Die Rede von Frankreichs Präsident Macron zeigt, wie man Aufbruchstimmung für Europa erzeugt. Deutsche Politiker sollten seinem Beispiel folgen, statt verstaubte Sonntagsreden zu halten.
Das war mal eine europapolitische Rede, wie ich sie mir von führenden deutschen Politikern auch mal wünschen würde - klar in der Sprache, klar in der Botschaft, optimistisch, ohne die Augen vor den Schwierigkeiten zu verschließen - echt mal was anderes als der staubige Sonntagsreden-Ton, den deutsche Redner oft anschlagen, wenn sie über Europa sprechen.
Selbstverständlich muss man Frankreichs Präsident Emmanuel Macrons EU-Reformprogramm nicht eins zu eins umsetzen, über viele Punkte kann man geteilter Meinung sein: Völlig unberechtigt ist die Sorge vor zu viel finanziellen Verpflichtungen nicht, die zum Beispiel in der Unions-Bundestagsfraktion ziemlich verbreitet ist.
Wie bestellt und nicht abgeholt
Aber dass Deutschland den französischen Präsidenten seit einem guten Jahr herrumstehen lässt wie bestellt und nicht abgeholt, dafür gibt es zwar Gründe: langwierige Regierungsbildung und so weiter. Aber peinlich ist es trotzdem.
Die Europäische Union hat Reformbedarf, sie ist an vielen Stellen, bei vielen Themen nicht zukunftsfest - mit dieser Analyse liegt Macron richtig. Geschickt hat er den Auftritt im Bundestag am Volkstrauertag genutzt, um für seine Ideen zu werben. Erst ein bisschen historische Einbettung - deutsch-französische Erbfeindschaft, deutsch-französische Aussöhnung, europäische Einigung - dann der Blick in die Zukunft: Deutschland und Frankreich müssen ein neues Kapitel aufschlagen, um Europa voranzubringen.
Deutschland muss abliefern
Gemessen am Anlass war das eine bemerkenswert tagespolitische Rede, mit einer klaren Adressatin, die ebenfalls im Plenarsaal saß: "Jetzt aber mal los, Madame!", hat Macron Angela Merkel zugerufen - nicht wörtlich, aber sehr deutlich zu hören.
Die scheint sich drauf einzulassen: Wir müssen jetzt liefern, sagt sie, und will gemeinsam mit Macron zügig Reformvorschläge vorlegen, deutsch-französische Reformvorschläge. Ob die Kanzlerin am Ende ihrer Amtszeit noch die Kraft aufbringt, wirklich was durchzusetzen, ist zurzeit noch offen. Ein schönes Vermächtnis für Merkel wäre es jedenfalls.