Ausstieg aus der Kohle Lützerath ist wie Woodstock oder Waterloo
Lützerath ist ein Symbol - und hat so wenig mit der Rettung der Welt zu tun wie Elon Musk mit der Verteidigung der Meinungsfreiheit, meint Jochen Trum. Die Klimabewegung errichtet hier vielmehr ihren Altar.
Lützerath ist weniger ein Ort, Lützerath ist ein Ereignis. Wie Woodstock. Oder Waterloo. In der Politik von Nordrhein-Westfalen ist es bereits ein geflügeltes Wort und es wird wohl in den Kanon der Landesgeschichte eingehen. Als die letzte, entscheidende Schlacht um die Braunkohle. Lützerath ist ein Symbol, wie es aufgeladener und politischer kaum sein könnte. Und an Ambivalenz kaum zu überbieten.
Die Klimabewegung errichtet hier ihren Altar. Sie verdichtet die Besetzung und den Widerstand zu einer Schicksalsfrage für die Welt. Längst haben sich die objektive Realität des entvölkerten Weilers, der nur noch aus wenigen Schrottimmobilien besteht, und die Sache, um die es den Protestierenden geht, entkoppelt.
Lützerath hat so wenig mit der Rettung der Welt zu tun wie Elon Musk mit der Verteidigung der Meinungsfreiheit. Und das wissen eigentlich auch die meisten, es ist ihnen in ihrer Verärgerung und Verzweiflung über die Politik aber egal. Die Welt als Wille und Vorstellung.
Mit Kohle muss Schluss sein
Wie es dazu kommen konnte, ist eine interessante Geschichte. Klar, irgendwann muss einfach Schluss sein mit dem Verfeuern von Kohle. Egal, wo sie liegt, egal wer sie verbrennt. Und ja, besser heute als morgen. Das gilt eigentlich weltweit, hat aber für die deutschen Aktivisten beim Hambacher Forst vor einigen Jahren bestens funktioniert, auch wenn die Lage dort rechtlich wie politisch eine andere war als jetzt.
Deswegen passt Lützerath auch nicht. Denn der Begriff könnte genauso gut das Symbol für einen großen Erfolg der Klimaschutzbewegung sein. Wer seinen Blick vom Einzelereignis löst und auf die Geschichte der Kohle in Nordrhein-Westfalen blickt, versteht das.
Teure Kraftakte
Kohleförderung, ihre Verstromung und Verkokung für die Stahlhütten, waren lange Staatsräson an Rhein und Ruhr. Kohle und Stahl waren Garanten für den Wiederaufstieg des Landes, industriekulturelles Erbe und Kern der Landesidentität. Deswegen ist es politisch beachtlich, wie mehrere Regierungskoalitionen in Düsseldorf - Rot-Grün, Schwarz-Gelb und nun Schwarz-Grün - Stück für Stück dieses Kapitel in der Landesgeschichte schließen. Unter Beteiligung diverser Bundesregierungen, RWE und der Gewerkschaft.
Das waren teure Kraftakte, ein hartes Ringen und es geschah sicher nicht nur aus eigenem Antrieb, sondern unter dem Eindruck des wachsenden Widerstands und der Erkenntnis, dass die Kohle keine Zukunft haben kann.
Die Grünen verkaufen ihre Erfolge schlecht
Ja, es hätte alles auch noch schneller gehen können. Erst der Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau, dann die Verkleinerung des Braunkohletagebaus, der Ausstieg 2038 und nun das vorgezogene Ende 2030. Nebenbei der Erhalt des Hambacher Forsts und etlicher Dörfer, die eigentlich Garzweiler II weichen sollten.
Die Grünen, ihre Wirtschaftsminister Robert Habeck im Bund und Mona Neubaur in NRW, haben daran einen Anteil. Nur sind sie erstaunlich schlecht darin, ihre Erfolge zu verkaufen. Sie haben es nicht verstanden, Lützerath zu ihrem Ereignis zu machen. Mit dem Ende von Lützerath schließt sich ein wichtiges Kapitel der Industriegeschichte: Millionen Tonnen Kohle bleiben im Boden. Das könnte auch die Botschaft sein.
Aktivismus als Geschäftsmodell
Dass die Grünen damit nicht durchdringen, liegt auch daran, dass sie die schärfsten Kritiker in den eigenen Reihen haben. Einige Grüne, nicht ohne ein gerüttelt Maß an Selbstgerechtigkeit, haben den Aktivismus nachgerade zum Geschäftsmodell erhoben. Moralisch überlegen wähnen sie sich ohnehin.
Doch es gilt das Recht - und dass niemand selbst entscheidet, ob sie oder er auf der richtigen Seite der Geschichte steht. Das 1,5-Grad-Ziel ultimativ mit Lützerath zu verknüpfen, könnte sich zudem als zu kurz gedacht erweisen. Wenn der Ort verschwindet, was plakatiert die Bewegung danach?
Lützerath ist schon jetzt ein Ereignis. Was es nun nicht mehr braucht, sind Märtyrer.