Verfassungsgericht zu EU-Coronafonds Alle sind Gewinner
Es ist ein Urteil, mit dem alle Seiten zufrieden sein können. Deutschland darf sich am EU-Fonds beteiligen, aber nur unter Bedingungen. Intern gab es im Bundesverfassungsgericht größere Differenzen.
Eigentlich können sich über dieses Urteil alle freuen und als Gewinner fühlen. Zum einen die Kläger rund um den Euro-Skeptiker und AfD-Mitgründer Bernd Lucke. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil strenge Vorgaben gemacht, unter welchen Voraussetzungen sich Deutschland am Corona-Wiederaufbaufonds beteiligen darf: Die EU darf sich nur in absoluten Ausnahmefällen verschulden. Nur bei europaweiten Krisen darf die Kommission in Brüssel Kredite in Milliardenhöhe aufnehmen und dies muss zeitlich begrenzt sein. Die Verschuldung darf nicht ausufern. Außerdem müssen die Milliarden zweckgebunden dazu verwendet werden, die Folgen einer Krise abzufedern. Das kann sich aus Klägersicht durchaus sehen lassen.
Aber auch die Bundesregierung und der Bundestag dürfen sich freuen. Deutschland darf sich weiterhin am Hilfsprogramm beteiligen, das ist aus Berliner Sicht das Entscheidende. Es wird weiterhin möglich sein, dass sich die europäischen Staaten bei schlimmen Krisen wie der Corona-Pandemie gegenseitig unterstützen. Das ist wichtig und gut, es stärkt das solidarische Miteinander, das innerhalb der EU oft zu kurz kommt. Nebenbei sei bemerkt, dass die EU bestimmte Länder, die sich nicht an die europäischen Spielregeln halten und völlig unsolidarisch auftreten, von solchen Finanzhilfen ausnehmen kann. In Polen hat die Regierungspartei PiS den Rechtsstaat geschliffen und die Justiz auf Linie gebracht, deshalb wurden die Hilfsgelder für Polen eingefroren. Richtig so.
Gericht intern uneinig
Wer sich das Urteil durchliest, der spürt, dass es beim Bundesverfassungsgericht hinter den Kulissen ganz schön zur Sache gegangen sein muss. Verfassungsrichter Peter Müller, ehemaliger CDU-Ministerpräsident im Saarland, hat das Urteil nicht mitgetragen und seine Kolleginnen und Kollegen ungewöhnlich scharf angegriffen. Er befürchtet, dass das Urteil die Büchse der Pandora öffnet: hin zu einer völlig neuen Finanzarchitektur in Europa.
Müller meint, dass die Entscheidung der EU beim Schuldenmachen keine Grenzen setzt. Dass die Befürchtung einer neuen Finanzarchitektur - man könnte auch von einer Schuldenunion sprechen - nicht ganz unberechtigt ist, hat im vergangenen Jahr der heutige Bundeskanzler und frühere Bundesfinanzminister Olaf Scholz demonstriert. In einer Bundestagsrede bezeichnete er den Fonds als "überfälligen Schritt in Richtung Fiskalunion". Er sprach also nicht von einer einzelnen Krisenmaßnahme, die nur in Ausnahmefällen in Betracht käme. Scholz ergänzte damals: Der Fonds sei in Wahrheit gar kein Wiederaufbauprogramm. Vielmehr gehe es um die Erneuerung Europas.
Während der Verhandlung haben Vertreter der Bundesregierung das dann ganz anders dargestellt. Das ist ärgerlich, weil solch ein widersprüchliches Verhalten zu Politikverdrossenheit bei vielen Bürgerinnen und Bürgern führt.
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