Urteil des Bundesverfassungsgerichts "Eigentlich eine Selbstverständlichkeit"
Asylbewerberheime sind keine freundschaftlichen Wohngemeinschaften, sagt das Bundesverfassungsgericht. Ein Urteil im Sinne der finanziell Schwächsten, das für unseren Rechtsstaat das Mindeste sein sollte.
Wer schon mal eine Sammelunterkunft für Asylbewerber besichtigt hat, weiß, dass es dort schnell aussehen kann wie in einer heruntergekommenen Jugendherberge: Wenn viele Menschen auf engem Raum leben, ist es schwer, einen guten Hygienestandard zu wahren. Zumal, wenn nicht so sehr viel Geld in die Ausstattung des Heims gesteckt wird.
Kein Wunder, dass viele Menschen da nicht zusammen kochen oder einkaufen. Man ist sich fremd, spricht ganz verschiedene Sprachen, hat unterschiedliche Gewohnheiten, vor allem Essgewohnheiten. Immer wieder fürchten sich auch allein reisende Frauen in den Heimen vor den unbekannten Mitbewohnern. Es ist daher eigentlich eine klare Sache, dass der Gesetzgeber nicht einfach unterstellen darf, hier würde gemeinschaftlich gewirtschaftet. Alle Hilfsorganisationen haben im Verfahren darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber hier zu Unrecht kürzt.
Das Bundesverfassungsgericht hat also nur etwas korrigiert, was in einem demokratischen Rechtsstaat selbstverständlich sein müsste: Dass eine existentielle Grundversorgung nicht mit fragwürdigen Unterstellungen gekürzt werden darf. Und doch ist es mutig, was das Gericht hier tut. Es steht einer Gruppe von Menschen bei, die ansonsten vom Gros der Gesellschaft skeptisch betrachtet werden.
"Hartnäckige Vorurteile"
Hartnäckig hält sich das Bild, dass es hier um nichtsnutzige junge Männer geht, die herumlungern und nur deshalb hierher kommen, um Staatsknete abzugreifen. Dass auch Familien mit Kindern kommen, dass immer wieder Menschen anlanden, die Traumatisches erlebt haben, dass für Asylbewerber teilweise ein Arbeitsverbot besteht - all das wird schnell vergessen.
Das Bundesverfassungsgericht hat nach wie vor in der Gesellschaft einen guten Ruf. Eben weil es sich auch mal auf die Seite der Schwachen stellt und von uns verlangt, dass wir uns immer wieder aufraffen, ein wirklicher Rechtsstaat zu sein. Die Verehrung des obersten deutschen Gerichts rührt bei vielen daher, dass es Vertrauen bildet: Ja, da gibt es eine Instanz, die einhakt, die sich nicht beirren lässt, die für Fairness sorgt.
"40 Euro machen viel aus"
40 Euro mehr oder weniger pro Monat - das mag manchen wie Peanuts erscheinen. Aber es geht um Menschen, die typischerweise sonst nicht viel haben. Die das Überleben gerade so hinbekommen. Alle, die selbst mal versucht haben, von 400 Euro im Monat zu leben, werden das bestätigen können: Zehn Prozent weniger, also 40 Euro, machen in der Situation viel aus.
Die Kommunen stöhnen, dass wieder viele Menschen aus dem Ausland zu uns kommen. Durch den Ukrainekrieg sind es noch mehr geworden. Ja, ganz klar: Das ist mühsam, alle unterzubringen und zu versorgen. Trotzdem ist kleinkariertes Herunterrechnen unserer nicht würdig. Wenn das Bundesverfassungsgericht da korrigierend eingreift, bin ich ausgesprochen dankbar.
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