Pläne für dauerhaftes Bleiberecht Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik?
Bundesinnenministerin Faeser will ein dauerhaftes Bleiberecht für abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber schaffen. Bringt das "Chancen-Aufenthaltsrecht" einen echten Paradigmenwechsel?
Längst ist Hassan Akkouch ein äußerst gefragter Schauspieler. Bekannt etwa aus der Kultserie "4 Blocks". Kaum vorstellbar, dass er 27 Jahre lang dafür kämpfen musste, einen deutschen Pass zu bekommen. 1990 war seine Familie aus dem Libanon nach Berlin gekommen, sie waren Bürgerkriegsflüchtlinge. Hassan war damals zwei Jahre alt. Dass die Familie in der neuen Heimat nur "geduldet" war, brachte viele Nachteile mit sich. So drohte ständig die Gefahr, abgeschoben zu werden.
In den 1990er-Jahren waren die Einschränkungen für Geduldete noch deutlich größer als heute. "Meine Eltern durften lange nicht arbeiten. Sie konnten früher kein Konto eröffnen oder Handyverträge abschließen. Es ging sogar so weit, dass meine Mutter nur Coupons bekommen hat, um einkaufen zu gehen", erzählt Akkouch.
Akkouchs Familie kam in den 1990er-Jahren nach Deutschland.
"Aufenthaltserlaubnis auf Probe"
Zwar hat sich die Situation für Geduldete inzwischen verbessert. Einige tragen die Erfahrungen aus den 90er-Jahren aber noch mit sich. Und auch heute müssen viele in ständiger Angst vor Abschiebung leben.
Nach Angaben der Bundesregierung hatten Ende 2021 mehr als 100.000 Menschen in Deutschland seit mindestens fünf Jahren eine Duldung. Genau diesen Menschen will die Bundesregierung nun eine neue Perspektive bieten. Wer bis zum 1. Januar 2022 mindestens fünf Jahre in Deutschland gelebt hat, soll eine Art "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" bekommen.
Um diese Bewährungsprobe zu bestehen, müssen die Bewerber verschiedene Kriterien erfüllen: Sprachkenntnisse vorweisen, Lebensunterhalt verdienen, Identität klären. Wer diese Bewährungsprobe besteht, soll eine Bleiberecht bekommen. Andernfalls droht der Rückfall in den Duldungsstatus.
"Die Maßnahmen, die die Regierung plant, sind sinnvoll und können wirklich etwas Ordnung und Klarheit schaffen", sagt Integrationsexperte Ahmad Mansour. Für ihn ist entscheidend, dass es keine aufwändigen, bürokratischen Prüfverfahren gibt, sondern klare Regeln. Entscheidend für das Bleiberecht müsse sein, ob sich jemand integriert habe, das Grundgesetz achte und nicht straffällig geworden sei.
Viele Fragen sind noch offen. Auch für Hassan Akkouch. Wie soll der Staat künftig mit jungen Menschen umgehen, die fast ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht haben? Sollen auch sie sich ein Jahr lang bewähren müssen? Und was, wenn sie gerade während der Probezeit ihren Job verlieren?
Integrationsexperte Mansour hält die Pläne für sinnvoll.
Noch vieles unklar
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat ein ganzes Paket mit Vorschlägen zur Migrationspolitik vorgelegt, innerhalb der Ampel-Koalition abgestimmt und anschließend an Bundesländer und Verbände geschickt, um deren Meinung einzuholen. Es soll noch vor der Sommerpause ins Parlament eingebracht werden.
Vor allem eine Idee aus diesem Migrationspaket dürfte noch zu Diskussionen mit den Grünen führen: Faeser will die Hürden absenken, um Straftäter abzuschieben. Konkret soll die Abschiebehaft für Straftäter auf sechs Monate ausgedehnt werden können. Bislang ist sie in der Regel auf drei Monate begrenzt.
Zwar ist auch Ahmad Mansour der Ansicht, dass vor allem Schwerstkriminelle abgeschoben werden müssen. Er hat aber Zweifel, ob die geplante Regelung am Ende in Gesetzesform gegossen wird. Rahmenbedingungen für schnellere Abschiebungen gebe es schon lange, so Mansour. "Es hat immer an der Praxis gelegen, dass es nicht gut funktionierte." Auf der einen Seite gelinge es Ausreisepflichtigen, eine Abschiebung zu umgehen. Auf der anderen Seite komme es zu sehr umstrittenen Abschiebungen von gut Integrierten.
Viel hängt an der Umsetzung
So war es auch bei Hassan Akkouch. Als Jugendlicher wurden er und seine Familie in den Libanon abgeschoben. Die Erfahrungen von damals hat er noch heute vor Augen: mit Maschinengewehren bewaffnete Sicherheitskräfte, die seine Familie zum Flugzeug brachten. "Wir mussten ganz hinten sitzen, alle haben uns angeschaut." Im Libanon hatte die Familie keine eigene Wohnung, keine Perspektive.
Für die Bundesregierung sind die geplanten Regelungen Teil eines "Paradigmenwechsels" in der Migrationspolitik. Am Ende, sagen Akkouch und Mansour, wird vieles davon abhängen, wie die geplanten Neuregelungen in der Realität umgesetzt werden.