Nach Niederlande-Wahl Ein bitterböses Erwachen in Brüssel
Der Wahlsieg des Rechtspopulisten Wilders in den Niederlanden sorgt in der EU für ein bitterböses Erwachen. Brüssel muss dringend Reformen voranbringen - und sich auf Anti-Europäer am Verhandlungstisch vorbereiten.
Ist Europas rechter Albtraum schon wahr geworden? Zumindest war es ein bitterböses Erwachen: Ein Viertel der niederländischen Wählerinnen und Wähler hat für Ganz-Rechts-Außen gestimmt.
Es sei ein Weckruf, ein Warnschuss - so heißt es heute aus dem Kreis der Europapolitiker. Und dann beginnt er schon, der parteipolitisch geprägte Kampf um die Deutungshoheit: Ist es das letzte Zeichen, dass die Migrationspolitik national wie auf EU-Ebene einen noch viel schärferen Kurs braucht? Oder gerade nicht, weil davon ohnehin nur die rechten Originale profitieren? Die Argumente sind bekannt. Und greifen jetzt auch zu kurz.
Brüssel muss sich grundsätzliche Fragen stellen
Klar, die EU braucht eine konsequentere Migrationspolitik. Es heißt also Daumen drücken, dass es ein neuer europäischer Pakt für Asyl und Migration nach jahrelangen Beratungen noch in dieser Legislaturperiode über die Ziellinie schafft. Dafür braucht es ein letztes Stück Einigkeit und Solidarität unter den 27 Mitgliedsstaaten. Klammer auf: Da liegt es eher nicht an der Zentrale in Brüssel.
Sehr wohl liegt es aber an Brüssel und Straßburg, sich grundsätzlichere Fragen zu stellen: Sind wir demokratisch genug? Warum lassen wir die Wünsche der Europäerinnen und Europäer, geäußert auf Konferenzen zur Zukunft Europas, in Jugendorganisationen und anderswo, stets in die Schubladen wandern? Treffen wir weiterhin Personalentscheidungen vorbei an Wählervoten - siehe Spitzenkandidaten-Prinzip? All das.
Denn das Ergebnis in Den Haag nährt auch eine dunkle Vorahnung davon, was nach den Europawahlen Anfang Juni los sein könnte. Die europaweiten Umfragen - etwa rund 20 Prozent für die AfD in Deutschland - geben die Prognose her: Rechtspopulistische, tendenziell euroskeptische Parteien könnten im Europaparlament die Überhand gewinnen.
Wilders hat einen Hass auf alles Europäische
Und dann - quasi gegenüber am EU-Ratstisch - der Nexit-Fanatiker Geert Wilders? Klar, so viel ist heute sehr wichtig zu betonen: Die Regierungsbildung in Den Haag könnte schwierig und langwierig werden. Noch ist ein Geert Wilders im Kreis der 27 EU-Staats- und Regierungschefs keine Realität, aber leider doch weit mehr als ein schlechter Traum: Denn rhetorisch geschliffen, ein "Wolf im Schafspelz", wie ihn seine politischen Konkurrenten wohl recht treffend beschreiben, verbindet er seinen Islam-Hass mit einem Hass auf alles Europäische und forderte vehement ein Referendum über den Austritt seines Landes aus der EU. Dafür jedoch, so sagen es aktuelle Umfragen, haben die Niederländer derzeit eher wenig übrig.
Umso wichtiger daher, dass sich die EU als Ganzes fit macht: Reformen, transparentere Entscheidungen, mehr Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeitsprinzip. Das hieße zumindest: fit, resilienter und besser vorbereitet auf Anti-Europäer in Reichweite der Machthebel Europas.