Brexit-Sackgasse Beziehungstechnisch alles möglich
Die EU und Irland bleiben kompromisslos, dabei gäbe es Wege aus dem Brexit-Dilemma: Man könnte dennoch beste Freunde bleiben und in bestimmten Bereichen autonom agieren.
Das ist nicht ungeschickt: Premierministerin Theresa May und ihre Tories greifen die EU an ihrem schwächsten Brexitpunkt an: der unbefristeten Garantie, dass auch nach einem Brexit die Grenze zwischen der EU und Nordirland offen und kontrollfrei bleibt.
Aber ganz gleich wie das zukünftige Verhältnis der Briten zur EU aussieht, die EU gibt sich an diesem friedensrelevanten Punkt absolut kompromisslos. Und weist empört das Ansinnen der Unterhausmehrheit und der britischen Premierministerin zurück, ausgerechnet dieses Kernstück des vorliegenden Austrittsvertrages neu zu verhandeln. Ein Kernelement, das schließlich von Mays Unterhändlern ausgehandelt und unterschrieben wurde.
Befristete Garantie für grenzfreies Nordirland
Doch nicht nur Polens Außenminister Jacek Czaputowicz ist der Meinung, dass die EU mit einer zum Beispiel auf fünf Jahre befristeten Garantie für ein grenzfreies Irland durchaus leben könne. Weil es in diesem Zeitraum ohne weiteres möglich sei, mit dem Vereinigten Königreich ein Abkommen zu Papier zu bringen. Auch die Vertreter anderer einflussreicher EU-Staaten wären überaus glücklich, wenn sich Irlands Premier einen Ruck gäbe. Und sich mit einer befristeten Garantie für ein grenzfreies Nordirland zufrieden gäbe. Im Vertrauen darauf, dass Brüssel und London irgendwie ein Handelsabkommen ersinnen, das ohne Zölle und Zollkontrollen auskommt.
Nicht Irland soll schuld sein
Doch Irlands Premier Leo Varadkar riskiert eher eine harte EU-Außengrenze zu Nordirland ab dem 30 März, als sich auf fünf Jahre garantierte Grenzenlosigkeit einzulassen. Nicht Irland soll schuld sein an möglichen neuen Grenzhäuschen und Schlagbäumen, sondern das Vereinigte Königreich.
Diese kalkulierte Kompromisslosigkeit der irischen Diplomaten bringt EU-Diplomaten in Brüssel zur Verzweiflung. Sie fürchten zurecht, dass die EU im kommenden Europawahlkampf von den EU-Feinden als arroganter und kompromissunfähiger Koloss karikiert wird.
Verlockende Partnerschaftsverträge
Dem könnte das Juncker-Team zuvorkommen. Indem es nämlich den Abgeordneten im Unterhaus klarmacht, dass beides möglich ist. Nämlich vom EU-Binnenmarkt zu profitieren und trotzdem eigene britische Handelsverträge mit Nicht-EU-Staaten abzuschließen. Die Schweiz tut das zum Beispiel mit China, obwohl sie Zugang zum EU-Binnenmarkt hat. Der EU-Partner Norwegen schließt ebenfalls eigene Handelsverträge mit sogenannten Drittstaaten ab. Und der EU-Zollunionspartner Türkei auch.
Es gibt also verlockende Partnerschaftsverträge nach einer Scheidung von der EU, die automatisch ein grenzfreies Irland garantieren. Und die es erlauben, einerseits beste Freunde zu bleiben und andererseits in bestimmten Bereichen autonom zu agieren.
Vielleicht können EU-Handelsexperten den Briten noch einmal per Powerpoint-Demonstration oder Trickfilm demonstrieren, dass beziehungstechnisch fast nichts unmöglich ist. Und alles besser ist als ein harter Chaos-Brexit.
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