Ein Briefkasten mit der Aufschrift "Ozean Baustoffe GmbH & Co. KG"
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Investitionen in Deutschland Geschäftsmann aus Afghanistan unter Korruptionsverdacht

Stand: 12.06.2024 18:20 Uhr

In Deutschland investiert er in Immobilien, von den USA wurde er sanktioniert - der afghanische Ex-Politiker und Geschäftsmann Rahmani. Er soll von massiver Korruption in seinem Heimatland profitiert haben, wie SWR-Recherchen zeigen.

Von Tina Fuchs und Abdul Qalam Haqiqat, SWR

Aus der Luft sehen sie aus wie drei Riesensterne - die Gebäude der deutschen IBM-Zentrale in Ehningen bei Böblingen, viel Glas und Stahl, Platz für 2.000 Menschen. Seit April stehen die Gebäude leer. Die Beschäftigten des IT-Konzerns mussten ihre Büros räumen. "Wir haben die angemieteten Gebäude in Ehningen verlassen und unsere IBM-Mitarbeitenden am IBM-Standort in Böblingen untergebracht", schreibt IBM.

Kein Wort darüber, dass das US-amerikanische Finanzministerium im Dezember den Vermieter der IBM-Immobilie mit Sanktionen belegt hat: Ajmal Rahmani, ehemaliger Abgeordneter und Geschäftsmann aus Afghanistan. Der Vorwurf gegen seinen Vater und ihn: Transnationale Korruption. Die Sanktionen können sich auch auf Unternehmen auswirken, die mit "den Rahmanis" oder ihren Firmen Geschäfte machen - offenbar hat IBM vorsichtshalber seine Deutschlandzentrale geräumt, die es von dem afghanischen Investor gemietet hatte.

Eine Art Einkaufsliste

Nach SWR-Recherchen hat Ajmal Rahmani, Anfang 40, die ehemalige IBM-Immobilie für 50 Millionen Euro offenbar ohne Bankkredit gekauft. Abgewickelt wurde der Verkauf 2021 über ein Notariat in München und die Stadtsparkasse dort. Das gigantische IBM-Areal ist nur ein Posten auf einer internen Liste mit dem Titel "Startinvestments", die dem SWR vorliegt. Es scheint sich um eine Art "Einkaufsliste" zu handeln.

Neben dem IBM-Gebäudekomplex sind dort 27 weitere Immobilien in Europa und Dubai genannt. Der Kaufpreis insgesamt übersteigt 350 Millionen Euro. Sieben der Immobilienkäufe sollen der Liste zufolge über die Stadtsparkasse München abgewickelt worden sein, allein diese haben demnach einen Wert von über 205 Millionen Euro. Die Objekte befinden sich in München, Frankfurt am Main, Herrenberg und Ehningen.

"Aus Eigenkapital finanziert"

Als Käufer auf der Liste stehen die Ozean Horizon Projektentwicklungs GmbH & Co. KG, Ozean Immobilien Projektentwicklung GmbH & Co. KG, RG Real Estate Development GmbH & Co. KG, Pyramaxia Real Estate Development GmbH & Co KG, RG Real Estate GmbH & Co. KG und die RG Immoprojekt & Co. KG. Es sind Firmen, die sich auch auf der Sanktionsliste der US-Regierung finden und die sie Ajmal Rahmani zuschreibt.

Insgesamt sind 23 deutsche, acht zypriotische Firmen, sechs in Dubai, zwei in Afghanistan, zwei in Österreich, eine in den Niederlanden und eine in Bulgarien von den US-Sanktionen betroffen.

Was Ajmal Rahmani mit dem IBM-Gelände vorhatte, beschrieb er im SWR-Interview 2023 so: "Dieses Projekt ist fantastisch." Es bringe Menschen und Firmen zusammen. Das sei die Zukunft: der Tech-Campus von IBM - "und wir bauen die Stadt mit Wohn- und Geschäftsgebäuden dazu".  

Der Pressesprecher von Rahmanis Ozean Group, Klaus Fockenberg, ergänzte: "Die Ozean Group ist wirtschaftlich gesehen sehr stark aufgestellt. Das heißt, wir werden im Zweifel immer ohne Banken auskommen, das wird praktisch wie aus Eigenkapital finanziert und von daher machen wir uns gar keine Sorgen."

Deutschland als Geldwäsche-Paradies

Rahmani scheint die Sparkasse nicht zur Finanzierung, sondern zur Abwicklung seiner Millionen-Käufe gebraucht zu haben. Banken sind verpflichtet, Geldwäscheverdachtsfälle der Financial Intelligence Unit in Köln zu melden. Nach geltender Rechtslage, so der Sprecher des Netzwerks Steuergerechtigkeit Christoph Trautvetter, darf sie das Geschäft aber trotzdem machen. Mit der Verdachtsmeldung und hat sie ihre Pflicht erfüllt. Deutschland gelte international als Geldwäsche-Paradies, sagt der Anti-Geldwäsche-Experte.

Die Stadtsparkasse München verweist auf das Bankgeheimnis und schreibt auf Anfrage: "Jeder Kunde und jede Kundin vertraut zu Recht darauf, dass seine bzw. ihre Daten vertraulich behandelt werden. Die Einhaltung von Vorschriften des Geldwäschegesetzes wie auch entstehende Meldepflichten werden von Wirtschaftsprüfern wie auch Vertreten der Bankenaufsicht regelmäßig geprüft."

Als die USA im Dezember 2023 die Sanktionen gegen den ehemaligen afghanischen Politiker und Geschäftsmann Rahmani und seinen Vater verhängten, erklärte US-Unterstaatssekretär Brian E. Nelson, damit würden jene "zur Rechenschaft gezogen, die ihre privilegierten Positionen zum persönlichen Vorteil nutzen." Die Rahmanis bestreiten vehement alle Vorwürfe und teilen mit, dass das von ihnen verwaltetete Vermögen rechtskonform erworben worden sei und nicht aus dubiosen Quellen stamme.

Karrieren im Windschatten der NATO?

Ajmal Rahmani war durch Beschaffungsverträge im Rahmen der internationalen Militärintervention in Afghanistan zum Multimillionär geworden. 2014 sei Ajmal Rahmani einer der reichsten Oligarchen in Afghanistan gewesen, schreibt der Afghanistan-Experte Timor Sharan in seinem Buch "Inside Afghanistan". Quasi als Monopolist habe er die NATO über viele seiner dubiosen und undurchsichtigen Unternehmen mit Treibstoff versorgt.

Sharan, Direktor des Thinktanks "Afghanistan Policy Lab" der Princeton University, beschreibt in dem Buch den Aufstieg der Rahmanis in die Politik. Ajmal Rahmani habe sich zunächst als Übersetzer für das US-Militär am Lufthafenstützpunkt Bagram im Norden Afghanistans verdingt und sei dann zum "Contractor" aufgestiegen. Der so erworbene Reichtum habe den Rahmanis den Weg in das Unterhaus des afghanischen Parlaments geebnet. Als Gegenleistung für Stimmen gab es Geschenke und Geld.

Laut US-Finanzministerium zahlte Ajmal Rahmani für seine Wahl ins afghanische Parlament 1,6 Millionen Dollar. Ein Sitz im afghanischen Parlament habe es Geschäftsleuten ermöglicht, ihr Netzwerk auszubauen, ihre gesellschaftliche Position zu stärken und Zugang zu Ausschreibungen zu bekommen, schreibt Afganistan-Experte Sharan.

"Goldene Pässe"

Das US-Finanzministerium wirft den Rahmanis vor, Treibstoffpreise künstlich hochgetrieben, Konkurrenten ausgeschaltet, Liefermengen nicht erfüllt und Steuern möglicherweise in Millionenhöhe hinterzogen zu haben. 2019 beispielsweise habe ein Unternehmen Rahmanis 2.500 Tonnen Flugbenzin steuerfrei importiert, obwohl der Liefervertrag da schon gekündigt war.  

Mit der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 verließ Rahmani Afghanistan in einem gecharterten Flugzeug, kurz bevor zahlreiche verzweifelte Afghanen den Flughafen von Kabul stürmten. Bereits im Jahr zuvor waren Vater und Sohn Rahmani international in die Schlagzeilen geraten: durch die Cyprus Papers. Sie enthüllten, dass die Rahmanis in Zypern sogenannte "Goldene Pässe" erworben hatten. Damit waren sie EU-Bürger. Ajmal Rahmani begann seine Immobilienkäufe, beispielsweise in Ehningen.

Bundeskriminalamt ermittelt

Ajmal Rahmani bestreitet die Korruptionsvorwürfe des US-Finanzministeriums gegen seinen Vater und ihn nicht nur vehement. Er ist auch mit Anwälten dagegen vorgegangen. Ein Sprecher von Rahmanis Ozean Group sieht bereits einen ersten Erfolg: Den Antrag des Finanzministeriums auf Abweisung der Rahmani-Klage habe das Gericht abgelehnt. Dem Eilantrag der Rahmanis gegen die Einsetzung der Sanktionen folgte das Gericht jedoch nicht. Das Verfahren vor dem US-Bezirksgericht in Washington soll im Laufe des Juni Klarheit bringen.

In Deutschland hat das Bundeskriminalamt Ermittlungen in Zusammenhang mit den Geschäften Rahmanis aufgenommen. Wie es mit der leerstehenden IBM-Immobilie in Ehningen weiter geht, ist derzeit unklar. Ein Sprecher der Ozean Group versichert aber, das Unternehmen sei entschlossen, das Projekt bis zu seiner Fertigstellung zu begleiten.

Nach SWR-Recherchen soll Ajmal Rahmani als "Contractor" in Afghanistan nicht nur für die US-Armee, sondern auch für die Bundeswehr im Rahmen des ISAF-Mandats in Masar-e Sharif tätig gewesen sein. Die Bundeswehr kann dies auf Anfrage weder bestätigen noch verneinen.

Ergänzung vom 12. Juni 2024: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat am 11. Juni mitgeteilt, sie habe die Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Es hätten sich "keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für eine inkriminierte Herkunft der von Unternehmen mit Sitz im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Stuttgart in Deutschland investierten Gelder ergeben". Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt,
dass an den Ermittlungen das Bundeskriminalamt beteiligt gewesen sei. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Aktuell Baden-Württemberg am 14. Dezember 2023 um 19:30 Uhr.