Straftat Vergewaltigung Warum werden so wenige Täter verurteilt?
Mehrere Tausend Frauen werden pro Jahr in Deutschland vergewaltigt - die Täter jedoch selten verurteilt. Laut report München gibt es dabei große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern.
Der Schock ist oft groß für die Frauen: Verfahren eingestellt oder Freispruch für den Täter. Dabei haben sie den Mut gefunden und ihren Vergewaltiger angezeigt. Jedoch muss der in Deutschland oft keine große Sorge haben, für seine Tat rechtskräftig verurteilt zu werden.
Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat in seiner neuen Publikation Daten und Erhebungen der Jahre 2014 bis 2016 ausgewertet. "Von Hundert Frauen, die vergewaltigt werden, erlebt nur etwa eine einzige eine Verurteilung", hat er herausgefunden. "Das liegt daran, dass 85 Prozent der Frauen keine Anzeige machen, und dann gibt es folglich auch keine Verurteilungen. Und von den 15 Prozent die übrig bleiben, werden letztendlich nur 7,5 Prozent der Täter verurteilt. Das ist indiskutabel."
Der Kriminologe Pfeiffer hält die Verurteilungsquote bei Vergewaltigung für indiskutabel.
Aussage gegen Aussage
Ähnliches hat Sophia* erlebt - eigentlich eine lebenslustige, junge Frau, 19 Jahre alt. Vor zwei Jahren, erzählt sie, kam es zu einem verhängnisvollen Ereignis, das bis heute ihr Leben prägt. "Ich wurde von einem 23-Jährigen vergewaltigt. Ich dachte, er sei mein Freund und wolle mir nichts Böses. Auf einmal kippte an dem Abend die Stimmung, sie wurde immer aggressiver. Schließlich hat er mich vergewaltigt."
Erst nach mehreren Wochen stellt Sophia eine Anzeige. Das Verfahren wird schließlich eingestellt - Aussage gegen Aussage. "Mir wurde damals nicht abgeraten, eine Anzeige zu stellen, ich wurde nur schon darauf hingewiesen, dass es nach einer Anzeige auch anders ausgehen kann, als dass ich mir das vorstelle: dass der Täter eben nicht ins Gefängnis kommt."
Für Sophia ist es bis heute schwierig, dass ihr nicht alle glauben. Dass Frauen bewusst lügen oder die Unwahrheit sagen, komme immer wieder als Argument bei dem Thema, so Kriminologe Pfeiffer: "Nach unserem Kenntnisstand sagt die große Mehrheit der Frauen, rund 80 Prozent, die Wahrheit und denen müssen wir gerecht werden."
Große Unterschiede zwischen den Bundesländern
Und auch der Wohnort spielt eine Rolle, ob der Täter letztendlich verurteilt wird. Laut Berechnungen von Pfeiffer schneiden die Bundesländer Berlin, Bremen und auch Niedersachsen schlecht ab. Über die Ursachen will Pfeiffer bisher nur Vermutungen anstellen: "Für mich gibt es mehrere denkbare Ursachen, angefangen von der unterschiedlichen Ausstattung der Polizei, der Arbeitsbelastung in Polizei und Justiz bis hin zur Ermittlungsarbeit selbst: Hier müssten zum Beispiel alle Vernehmungen auf Video aufgezeichnet werden."
Die Wichtigkeit der Dokumentation bestätigt auch Sabine Böhm von der Frauenberatung Nürnberg. Sie sieht noch ein weiteres Problem: "Was wir uns sehr, sehr wünschen würden, dass Menschen im Justizapparat - Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen, Staatsanwälte - sich fortbilden würden zu dem Thema, was passiert, wenn man einen derartigen Übergriff erleidet." Hier gebe es ganz viele Wissenslücken, sagt Böhm. "Und dann wird es oft nicht richtig interpretiert, wenn Frauen sagen, daran kann ich mich nicht mehr richtig erinnern."
Wie reagiert die Politik?
Das ARD-Politmagazin report München hat alle 16 Landesjustizministerien zur Problematik angefragt. Eine zu große Arbeitsbelastung sehen die meisten Länder nicht, prinzipiell wird immer wieder betont, wie ernst das Thema genommen werde. Aus dem Bundesjustizministerium heißt es dazu, "die Berechnung einer "Verurteilungsquote" durch einen Vergleich der vorhandenen Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und der Strafverfolgungsstatistik ist nicht möglich."
Kriminologe Pfeiffer sieht das anders und möchte nun zum Thema weiter forschen. Für das Land Niedersachsen befragt er im kommenden Jahr 2500 Frauen, die eine Vergewaltigung erlebt haben, nach deren Erfahrungen - damit in Zukunft mehr Täter einer Vergewaltigung letztendlich auch verurteilt werden.
*Name von der Redaktion geändert