Neues Gesetz in Schweden Nur Ja heißt Ja beim Sex
Nur Ja heißt Ja: In Schweden ist ein umstrittenes Sex-Gesetz in Kraft getreten. Ohne erkennbare Zustimmung des Partners ist der Akt demnach eine Vergewaltigung. Doch was gilt als Zeichen der Zustimmung?
In Schweden gilt seit heute das umstrittene neue Gesetz zu Sex und Vergewaltigung. Es stuft Geschlechtsverkehr ohne ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten als Vergewaltigung ein. Noch immer wird allerdings diskutiert, wie die neue Regelung vor Gericht gewertet werden kann - und was als verbale oder nonverbale Zustimmung gilt.
Bei Vergewaltigungsprozessen müssen die schwedischen Richter nun prüfen, ob bei dem Geschlechtsverkehr die Beteiligten ihr Einverständnis durch Worte, Gesten oder auf andere Weise zum Ausdruck gebracht haben. Reichen schon Küsse aus als Zeichen der Zustimmung? Um ganz sicher zu sein, erklären manche, müsse man eigentlich einen Vertrag unterschreiben. Die Anwältin Baharak Vaziri veröffentlichte gar die App "Libra", mit der man sich vom Partner mittels digitaler Unterschrift am Mobiltelefon die Zustimmung zum Geschlechtsverkehr einholen kann.
In Schweden, das für seine Gleichberechtigung bekannt ist, hatte die #MeToo-Kampagne gegen sexuelle Belästigung besonders hohe Wellen geschlagen.
Passivität gilt nicht mehr als Zustimmung
Richterin Anna Hannell, die an der Ausarbeitung des neuen Gesetzes beteiligt war, erläuterte hingegen, es bestehe "absolut keine Erfordernis, formell 'ja' zu sagen, einen Knopf in einer App zu drücken oder irgendetwas anderes dieser Art". "Sich einfach körperlich zu beteiligen, ist ein Zeichen der Zustimmung", sagte Hannell der Nachrichtenagentur TT. Kritiker machen geltend, dass Richter auf Grundlage des neuen Gesetzes willkürliche Entscheidungen treffen würden.
Das Gesetz war im Mai infolge der #MeToo-Debatte mit Unterstützung der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Grünen verabschiedet worden. "Sex muss freiwillig sein", erklärte Regierungschef Stefan Löfven. Im Unterschied zur bisherigen Gesetzgebung wird jetzt jede sexuelle Handlung strafbar, die nicht im gegenseitigen Einverständnis geschieht - unabhängig davon, ob das Opfer seinen Widerstand durch Worte oder Handlungen zum Ausdruck gebracht hat oder nicht. Passivität soll nicht länger als stilles Einverständnis interpretiert werden können.
Ziel: Mehr Vergewaltiger zu verurteilen
Der schwedische Justizminister Morgan Johansson rechnet damit, dass durch das neue Gesetz mehr Vergewaltiger verurteilt werden. "Es wird sicher einige Jahre dauern, bis sich die Praxis durchgesetzt hat. Aber ich verspreche: Danach wird niemand zurück zur alten Gesetzgebung wollen. Wenn dieser Schritt getan ist, ist er getan", sagte Johansson.
Vergewaltigung wird in Schweden mit bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft, bei minderjährigen Opfern sind bis zu zehn Jahre Haft für den Täter möglich. Vergangenes Jahr wurden in dem für seine Gleichberechtigung bekannten skandinavischen Land nach offiziellen Angaben mehr als 7000 Vergewaltigungsfälle gemeldet - zehn Prozent mehr als 2016.
Andere Gesetzeslage in Deutschland
Mit der Neuregelung handelten sich die Skandinavier international allerdings auch Spott ein. Eine Zustimmung zum Geschlechtsverkehr mache die Stimmung im Schlafzimmer zunichte, so die Kritik. Viele befürchten, dass die Gefahr, zu Unrecht einer Vergewaltigung beschuldigt zu werden, mit dem neuen Gesetz steigt.
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprach sich zugleich aber fast jeder zweite Befragte dafür aus, ein ähnliches Gesetz auch in Deutschland einzuführen. Hierzulande wurde das Sexualstrafrecht 2016 reformiert. Seitdem heißt der Grundsatz "Nein heißt Nein".