Treffen mit "Reichsbürgern" "Querdenker" im "Königreich"
Die "Querdenker"-Bewegung betont, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen - obwohl ihr Verhalten immer wieder Zweifel daran nährt. Ein Vorfall am Wochenende lässt diese weiter wachsen.
Er ist einer der exponiertesten und gleichzeitig bizarrsten Vertreter der an schillernden Figuren nicht gerade armen "Reichsbürger"-Szene: Peter Fitzek alias "seine königliche Hoheit Peter I.", selbsternanntes Staatsoberhaupt des "Königreichs Deutschland". Der ehemalige Koch wurde bereits mehrfach zu Haftstrafen verurteilt, blieb dabei aber lange auf freiem Fuß, weil er gegen die Urteile juristisch vorging.
Unglaubwürdige Abgrenzung
Am vergangenen Wochenende organisierte Fitzek im thüringischen Saalfeld eine Veranstaltung für Gegner der Corona-Maßnahmen. Unter den Teilnehmern: führende Protagonisten der "Querdenken"-Bewegung, so auch der Kopf von "Querdenken 711", Michael Ballweg. Dies ist bemerkenswert, da sich Ballweg offiziell von der "Reichsbürgern" distanziert, wenn auch nicht unbedingt glaubhaft. So hat nach "Tagesspiegel" -Recherchen der Pressesprecher von "Querdenken 711", Stephan Bergmann, mehrfach deren Thesen geteilt.
Ballweg weicht den Fragen nach der aktuellen Position seines Pressesprechers zu der verfassungsfeindlichen Bewegung immer wieder aus. Man müsse ihn selbst fragen, verlangt er. Doch die Aussagen des Sprechers erscheinen deutlich: Im August bekannten sich Bergmann und Ex-Fußballspieler Thomas Berthold in einem Video zu zwei Kernthesen der "Reichsbürger": Deutschland habe keinen Friedensvertrag und sei kein souveräner Staat. Auch Ballweg selbst stellte inzwischen auf der Bühne einer "Querdenken"-Demonstration die Frage nach einem Friedensvertrag für Deutschland.
"Querdenker" erhalten Audienz im "Königreich"
So ist es erscheint es nicht mehr ganz verwunderlich, dass Ballweg und andere "Querdenken"-Protagonisten offenbar der Einladung Fitzeks in ein Lokal folgten, das laut einem Schild nur von "Staatsangehörigen und Zugehörigen des Königreichs Deutschland" betreten werden darf. Die konspirative Veranstaltung flog nur deshalb auf, weil es nach einer Anzeige wegen Verstöße gegen die Corona-Verordnung zu einer Polizeirazzia kam.
Offene Bekenntnisse zum Dialog mit "Reichsbürgern"
Zwar distanzierten sich einige "Querdenker"-Gruppen von dem Treffen, allerdings bekam Ballweg von anderen Protagonisten aus der Corona-Szene Unterstützung. So erklärte der HNO-Arzt Bodo Schiffmann in einem Video, er könne "nichts besonders Schlimmes darin sehen", wenn sich Ballweg "mit 'Reichsbürgern' trifft und mit denen spricht".
Der "Querdenken"-Rechtsanwalt Ralf Ludwig äußerte sich ähnlich: "Wir reden mit allen und öffnen einen Debattenraum und wir sind Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit - dafür stehen wir." Das schließt jedoch offenbar nicht aus, sich mit Fitzek zu treffen, der die Demokratie als "wider der Natur, also unnatürlich" bezeichnete.
Noch weniger will sich der Arzt Rolf Kron abgrenzen, der bei mehreren "Querdenker"-Veranstaltungen als Redner aufgetreten war: Ihm sei "völlig schnuppe", ob jemand Frauen oder Männer verprügele, gewalttätig sei, sie sich kinderpornografisches Material anschauen oder "Hitlerkreuze" an die Wände male, so lange man gemeinsam für eine Sache stehe, erklärte er auf einer "Querdenker"-Bühne in Kempten.
Dem Anspruch, man rede mit jedem, wird die "Querdenker"-Bewegung dann letztlich doch nicht gerecht: Mehrere Anfragen von tagesschau.de und anderen Medien zu dem Treffen in Saalfeld blieben unbeantwortet
Ergänzung vom 19. November: Nach Veröffentlichung des Beitrags erklärte "Querdenken 711" gegenüber tagesschau.de, dass die Auswahl für das Treffen durch die Initiative selbst erfolgt sei. Aufgrund der aktuellen Einschränkungen durch die Corona-Verordnung sei es schwierig gewesen, einen Ort zu finden, an dem ein Arbeitstreffen mit mehr als 50 Personen in einem sehr großen privaten Raum möglich ist. Daher habe man die Einladung des Restaurantbesitzers angenommen.
Bei dem Arbeitstreffen sei auch Peter Fitzek anwesend gewesen, der "aus unserer Sicht fälschlicherweise der Reichsbürgerszene zugerechnet wird". Fitzek sei "jemand, der auf dem Boden des Grundgesetzes nach Gesetzeslücken sucht, die eine weitgehende Autonomie von staatlichen Strukturen - wie z. B. Finanz- und Gesundheitssystem - ermöglicht". Die Anfrage von tagesschau.de, warum das Treffen an einem Ort, der nach eigener Auskunft nur für "Staatsangehörigen und Zugehörigen des Königreichs Deutschland" zugänglich ist, stattfand, wurde nicht beantwortet, ebenso wenig die Frage, warum dieser offenbar mehrere Stunden bei dem Treffen sprechen durfte.