Illegale Schiffsverschrottung Führt die letzte Reise der "Discovery" vor Gericht?
Erstmals hat die Hamburger Staatsanwaltschaft drei Beschuldigte für die illegale Verschrottung eines Schiffes in Indien angeklagt - und betritt damit ein schwieriges Feld. Weitere Anklagen könnten folgen.
Die letzte Reise der "CS Discovery" begann im Süden Italiens. Am 15. Dezember 2016 legte das Containerschiff im Seehafen von Gioa Tauro in Kalabrien ab, das Ziel: Indien. Über den türkischen Hafen Mersin und den Suezkanal ging es nach Alang im Bundesstaat Gujarat, wo es schließlich Anfang Januar 2017 ankerte.
Einen Hafen allerdings hat Alang nicht - nur einen Strand mit mehr als Hundert Werftplätzen, auf denen Schiffe zerlegt werden, nicht selten unter fragwürdigen Arbeits- und Umweltbedingungen. Auf einer dieser Werften wurde die "CS Discovery" im Frühjahr 2017 auseinandergenommen - wie auch auf Satellitenaufnahmen aus dieser Zeit zu sehen ist.
Komplexe Ermittlungen
Dass ein Fall wie dieser nun vor ein Hamburger Gericht kommen könnte, liegt daran, dass Staatsanwälte in der Hansestadt seit Jahren schon gegen zahlreiche Beteiligte ermitteln. Es geht um Verstöße gegen das sogenannte Abfallverbringungsgesetz, das besagt: Abfälle müssen umweltgerecht in geeigneten Einrichtungen entsorgt werden, und wer das nicht tut macht sich strafbar.
Alte Schiffe, die verschrottet werden sollen, sind dem Gesetz nach auch nicht mehr als Müll - und noch dazu ziemlich umweltschädlicher. Die "CS Discovery" soll zum Zeitpunkt des Verkaufs laut Staatsanwaltschaft Hamburg rund 14.000 Tonnen gefährlicher Abfälle enthalten haben, darunter fast 500 kg Bleiakkumulatoren, 970 Tonnen Mineralölabfälle und 13.000 Tonnen Abfälle aus Metallen und Metalllegierungen.
Bewusst das Gesetz umgangen?
Ein Schrottschiff wie die 2001 auf einer Werft im polnischen Stettin gebaute "CS Discovery" hätte umweltgerecht zerlegt werden müssen. Legal aber hätte man das nur auf bestimmten Werften in der EU oder in der Türkei machen können.
Doch die Beschuldigten sollen sich laut Staatsanwaltschaft für einen anderen Weg entschieden haben. Zwei von ihnen wird vorgeworfen, das Schiff an einen sogenannten "Cash Buyer" veräußert zu haben, ein Unternehmen in diesem Fall mit Sitz in Hongkong, das als Mittler zwischen dem Schiffsbesitzer und der Abwrackwerft in Indien fungierte.
Ihnen soll bewusst gewesen sein, dass die "CS Discovery" "letztendlich in Indien unter Bedingungen abgewrackt werden sollte, die nicht den üblichen Umweltstandards entsprachen", so die Hamburger Staatsanwaltschaft in einer Pressemitteilung.
Umweltgerechte Entsorgung ist teuer
Der dritte Beschuldigte soll den Verkauf des Containerschiffes organisiert und dafür gesorgt haben, dass es nach Indien kommt. Er habe auch den Kapitän der "CS Discovery" angewiesen, das Schiff in Alang auf den Strand zu fahren, damit es dort zerlegt werden kann.
Der Preis, den die Hamburger Reederei erzielt habe, nennt die Staatsanwaltschaft auch: 4,7 Millionen US-Dollar. Wäre das Schiff ordnungsgemäß verschrottet worden, dann hätten die Besitzer deutlich weniger Geld dafür bekommen. Denn umweltgerechtes Recycling kostet Geld, das vom erzielten Kaufpreis abgezogen wird.
Komplexe Zuständigkeiten
Dass die Staatsanwaltschaft Hamburg ausgerechnet diesen Fall nun zur Anklage gebracht hat, ist dennoch erstaunlich. Denn es ist einer, der nach Einschätzung von Experten juristisch durchaus schwierig ist. Ihre letzte Reise hatte die "Discovery" ja von einem Hafen im Süden Italiens aus angetreten.
Trotzdem werden die Beschuldigten nun nicht dort, sondern in Deutschland angeklagt - vor allem, weil es sich um ein deutsches Unternehmen handelt und die Beschuldigten in Hamburg sitzen. Die Hamburger Staatsanwaltschaft betritt damit juristisch nun Neuland.
Die Frage ist jetzt, ob das Gericht die Anklage zulässt. Eine Sprecherin der betroffenen Hamburger Reederei Peter Döhle jedenfalls sagte dem ARD-Studio Neu-Delhi, man wolle sich nicht zu dem Fall äußern.
"Die Entscheidung, die CS Discovery zerlegen zu lassen, wurde in einem Büro in Hamburg getroffen", so Ingvild Jenssen von der NGO Shipbreaking Platform, die sich seit Jahren schon gegen diese Art der Entsorgung alter Schiffe einsetzt. "Deshalb freuen wir uns, dass die Staatsanwaltschaft diese illegalen Exporte nach Indien zur Anklage bringt." Es gebe allerdings noch mehr zu tun, so Jenssen.
Erster Fall in Hamburg
Der Fall "Discovery" ist der erste, der nun in Hamburg zur Anklage kommt. In Schleswig-Holstein ist die Anklage in einem ähnlichen Fall schon vor anderthalb Jahren zugelassen worden. Seither warten die Beteiligten auf die Festsetzung des ersten Gerichtstermins. Wie viele weitere ähnliche Ermittlungsverfahren mit Anklagen enden werden, ist noch ungewiss.
Klar jedenfalls ist: In den Jahren 2016 und 2017 haben viele deutsche Reeder ihre Schrottkähne nach Südasien bringen lassen. Nach NDR-Recherchen endeten fast 150 Schiffe auf Stränden in Indien, Pakistan und Bangladesch. Viele gelangten dorthin auf Umwegen und damit womöglich legal. Aber manche von ihnen dürften deutschen Staatsanwaltschaften noch Arbeit machen - auch wenn sie längst in ihre Einzelteile zerlegt wurden.