Russisches Netzwerk Das Vermögen von Putins Vertrauten
Was besitzt eigentlich Wladimir Putin? Eine öffentlich nicht einsehbare E-Mail-Domain wirft Fragen auf, weil sie Jachten, Paläste, Hotels, Jets und Bankkonten vieler seiner Vertrauten verbindet.
Als der russische Staatschef kurz nach der Invasion der Ukraine persönlich mit Sanktionen belegt wurde, hielt man das zunächst für einen eher symbolischen Akt - denn auf dem Papier besitzt Wladimir Putin gar kein nennenswertes Vermögen. Dennoch gibt es einen luxuriösen Palast am Schwarzen Meer, der ihm in den Medien zugerechnet wird, und kurz vor Kriegsausbruch fuhr auch eine Jacht, die ihm angeblich gehören soll, schnell von Europa nach Russland zurück.
Ehemalige Putin-Vertraute, die zu Whistleblowern wurden, hatten in der Vergangenheit das System Putin so beschrieben: Enge Freunde und Vertraute des russischen Staatschefs, häufig Oligarchen aus seinem engeren Kreis, halten Paläste, Jachten oder anderes Vermögen, und er könne darauf jederzeit zugreifen. Anzeichen für solch ein mögliches System konnte man auch in den Panama-Papers finden. Nach den Berichten um den Palast am Schwarzen Meer im Süden Russlands erklärte denn auch Putins enger Freund Arkady Rotenberg sehr schnell öffentlich, dass der Palast ihm und nicht dem russischen Präsidenten gehören würde.
Mehr als 80 Firmen
Eine Recherche, die das Journalistennetzwerk Organized Crime and Corruption Reporting Project, kurz OCCRP, und das Online-Medium Meduza mit zahlreichen Medienpartnern, darunter NDR und WDR, geteilt hat, offenbart nun, dass viele verschiedene Vermögenswerte, die Putin in den Medien immer wieder zugerechnet wurden, interessanterweise über eine gemeinsame Infrastruktur verwaltet werden: Sie alle nutzen offenbar dieselbe Domain namens "LLCInvest.ru". Geleakte E-Mail-Daten zeigen, dass diese Internet-Domain und die dazugehörigen E-Mail-Adressen für die Verwaltung vieler Firmen verwendet werden, die Vermögen beinhalten, das Putins Vertrauten gehört: mit dabei auch der Luxus-Palast am Schwarzen Meer. Mehr als 4,5 Milliarden US-Dollar scheinen in diesem LLC-Invest-System zu schlummern, das aus mehr als 80 Firmen besteht.
Das OCCRP fand innerhalb der LLC-Invest-Infrastruktur neben dem Palast noch eine Villa nördlich von Sankt Petersburg, Putins Heimat, die im Volksmund auch "Putins Dacha" genannt wird, weil er auch sie immer wieder nutzen soll. Des Weiteren fand sich ein Ferienhaus nahe der finnischen Grenze, ein Wintersport-Resort, in dem Putins Tochter heiratete, eine Jacht und sogar eine Fluggesellschaft mit mehreren Falcon-Maschinen.
All diese Firmen werden offenbar entweder von LLC-Invest-E-Mail-Adressen aus verwaltet oder nutzen selbst die LLC-Invest-Domain. Auch Geld fanden die Reporter: Mehrere Non-Profit-Organisationen in Russland, die ansonsten wenig nach außen hin auftreten, benutzten ebenfalls die LLC-Invest-Struktur und hatten überraschend gut gefüllte Bankkonten. Eine, die übersetzt "Entwicklung von Agrarinitiativen" heißt, und unter anderem von Gennady Timchenko, einem Oligarchen und Putin-Freund gegründet wurde, hielt Konten mit umgerechnet Hunderten Millionen Dollar. Gennady Timchenko wollte sich nicht dazu äußern.
"Ich unterschreibe nur Papier"
"Dieses LLC Invest sieht aus wie eine Kooperative oder wie ein Zusammenschluss, in dem die Mitglieder Vermögenswerte teilen und tauschen können", sagte ein Korruptionsexperte aus Russland, der anonym bleiben möchte. Nicht nur die Domain und die E-Mail-Adressen haben die LLC-Invest-Firmen gemeinsam: Sie teilen sich manchmal auch Geschäftsführer und Postadressen. Die Reporter des OCCRP riefen auch einige der Geschäftsführer von LLC-Invest-Firmen an - niemand wollte mit dem Vermögen von Putin in Verbindung gebracht werden. "Ich unterschreibe nur Papier", sagte einer. "Wissen Sie, dass manchmal sogar wohnungslose Menschen als Geschäftsführer von Firmen eingetragen werden? Ich bin nicht obdachlos, aber so wie sie unterschreibe ich nur Papiere und kümmere mich nicht um die Details." Tatsächlich hatte es früher Fälle gegeben, in denen bei der Verschleierung von russischem Vermögen und Geldwäsche die Pässe und Unterschriften von Obdachlosen aufgetaucht waren.
Ein weiterer Hinweis, dass viele dieser Vermögenswerte dem russischen Staatschef selbst zumindest dienen könnten, ist die Bank Rossiya - ihre Angestellten fungieren oft als Geschäftsführer für LLC-Invest-Firmen, und auch die Domain und die E-Mail-Adressen werden von einer Firma bereitgestellt, die der Bank Rossiya gehört. Sie wird in den Medien auch "Putins Bank" genannt, weil sie seinen engsten Vertrauten gehört, darunter Yury Kovalchuk. Ein ehemaliger Experte der amerikanischen Sanktionsbehörde OFAC, der anonym bleiben wollte, sagte zu den Enthüllungen rund um LLC Invest, dass das Konstrukt sehr verdächtig aussehe. "Es ist schwer, für all das eine harmlose Erklärung zu finden", sagt er. Mit Blick auf die sanktionierten Oligarchen, die Verbindung zu LLC Invest haben, sowie die Bank Rossya, sehe er auch die Gefahr von Sanktionsumgehungen.
Denn: Mittlerweile sind auch alle engen Vertrauten aus Putins innerstem Kreis, seine Familienmitglieder, sogar eine angebliche Geliebte des Präsidenten sanktioniert worden - auch von der Europäischen Union. Viele dieser Namen finden sich auch im LLC-Invest-Netzwerk. "Wir haben ein dramatisch großes und komplexes Sanktionsregime bezogen auf russische Unternehmen, Personen und sogar den Staatschef persönlich - so etwas haben wir in diesem Umfang noch mit keinem anderen Land gesehen", sagt Viktor Winkler, Rechtsanwalt und Sanktionsexperte.
Will heißen: Wer gegen die Sanktionen verstößt, also sanktionierten Personen etwa Gelder oder Dienstleistungen zur Verfügung stellt, kann nach EU-Recht eine Straftat begehen. "Dabei spielt es keine Rolle, in wie viele Hüllen von Briefkastenfirmen ein Vermögenswert eingepackt wird, oder wie viele Strohleute auf dem Papier stehen. Wenn die Person, der ein Vermögenswert am Ende gehört - etwa Jachten oder Villen -, sanktioniert ist, muss das durchgesetzt werden", so Winkler.
An dem vom OCCRP geleiteten Projekt sind unter anderem auch NDR und WDR beteiligt.
Putin: Keine Verbindung zu Vermögenswerten
In Deutschland soll jetzt das zweite Sanktionsdurchsetzungsgesetz auf den Weg gebracht werden. "Jetzt werden zum ersten Mal solche Vermögenswerte unklarer Herkunft adressiert, etwa Flugzeuge, Häuser oder Jachten", so Konrad Duffy von der Bürgerbewegung Finanzwende. Die deutsche Wirtschaft tue sich im Moment diesbezüglich noch schwer: "Zwar sind auch die Oligarchen aus Putins engstem Umfeld sanktioniert, allerdings haben wir in den vergangenen Jahren gesehen, wie leicht sich Scheinstrukturen aufbauen lassen, und wie über Strohleute Eigentum von Vermögen verschleiert wird. Das macht aktuell die Durchsetzung von Sanktionen so schwer", so Duffy.
Einer ist sich jedenfalls ganz sicher, dass er mit der ganzen Sache nichts zu tun hat: Wladimir Putin ließ über seinen Sprecher mitteilen, keiner der aufgezählten Vermögenswerte, die zur LLC-Invest-Domain gehören, hätte irgendeine Verbindung zu ihm.