Mord an V-Mann Tod in "Golden Beach"
Ein V-Mann der Frankfurter Polizei wurde in Spanien ermordet. Recherchen von WDR und NDR zeigen, dass der Informant offenbar selbst sehr aktiv im deutschen Drogengeschäft war. Politiker aus Hessen fordern nun Aufklärung.
Es wirkt, als sei aus Fiktion blutige Realität geworden. Die Parallelen sind jedenfalls frappierend. In der Netflix-Serie "Skylines" aus dem Jahr 2019 geht es um das Rap-Musikgeschäft in Frankfurt und um Drogenhandel. Eine Frankfurter Kriminalpolizistin wirbt darin einen jungen Mann vom Balkan als Informanten an. Sie schickt ihn los, um eine Bande von Rauschgiftdealern zu infiltrieren. Am Ende wird der Spitzel enttarnt, die Kriminellen fesseln ihn an einen Stuhl, foltern ihn und töten ihn schließlich.
Auf ähnlich grausame Weise endete auch das Leben eines echten Spitzels der Frankfurter Polizei - das von Aleksandar K., einem 33-jährigen Serben aus Offenbach. Er wurde Ende Juni 2022 in der Ferienanlage "Golden Beach" im südspanischen Marbella ermordet aufgefunden - gefesselt an einen Stuhl, mit Plastikfolie um den Hals und Kopf gewickelt, getötet mit zwei Schüssen in den Hinterkopf.
Es soll Hinweise geben, dass er vor seinem Tod als Informant der deutschen Polizei enttarnt worden sein könnte. Die Ermittler vermuten, dass K. gefoltert wurde. Seine mutmaßlichen Mörder, die aus Deutschland stammen sollen, sind auf der Flucht. Die Staatsanwaltschaft Hanau ermittelt in dem Fall wegen Mordes.
V-Mann als großer Player im Drogengeschäft
Wie WDR und NDR recherchiert hatten, war Aleksandar K. als V-Mann für die Kriminalpolizei Frankfurt am Main tätig und wurde auf mehrere Gruppen angesetzt, die mit Drogen gehandelt haben sollen. Neue Recherchen zeigen nun, dass der Polizei-Spitzel selbst im großem Stil Transporte von Cannabis und Kokain aus Spanien und den Niederlanden nach Deutschland organisiert haben soll.
Unter anderem in Gießen lief dazu schon 2020 ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gegen den Serben, das inzwischen aufgrund seines Todes eingestellt wurde.
Außerdem soll K. gemeinsam mit dem mittlerweile verurteilten Rechtsanwalt Benjamin D. Drogentransporte aus Spanien nach Deutschland koordiniert haben. Hierzu soll der Polizeiinformant ein Frankfurter Speditionsunternehmen geführt haben.
Der Anwalt und der V-Mann sollen dabei arbeitsteilig vorgegangen sein. Benjamin D. soll für die "Kundenakquise" verantwortlich gewesen sein, der Informant für die Logistik. Kommuniziert haben die Männer den Ermittlungen zufolge mit verschlüsselten Handys der Marke SkyECC.
Ähnliche Geschäftsbeziehungen soll der Spitzel zu einer Gruppe mutmaßlicher Drogendealer gehabt haben, die sich seit vergangenem Dienstag in Gießen vor Gericht verantworten müssen. Mit diesen Personen soll der Informant im Jahr 2021 ebenfalls Transporte koordiniert und mit großen Mengen Drogen gehandelt haben.
V-Mann-Führer verweigert die Aussage
Als Zeuge in diesem Verfahren wird auch der für Aleksandar K. zuständige V-Mann-Führer der Frankfurter Polizei geführt. Nach Informationen von WDR und NDR soll der Beamte allerdings bislang von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben, um nicht Gefahr zu laufen, sich selbst zu belasten. Auch umfangreiche elektronische Kommunikation zwischen ihm und dem V-Mann soll gelöscht worden sein. Dazu wollte sich weder die Staatsanwaltschaft noch die Frankfurter Polizei äußern.
Nach Recherchen von WDR und NDR soll es aufgrund des tödlichen V-Mann-Einsatzes bereits vor einiger Zeit erste personelle Konsequenzen innerhalb der Frankfurter Polizei gegeben haben. Die zuständige Dienststelle für die Führung von menschlichen Quellen soll personell de-facto aufgelöst worden sein. Den Beamten soll die Ausübung des Dienstes untersagt worden sein. Auf Nachfrage wollte sich das Polizeipräsidium dazu nicht äußern.
Politiker fordern Aufklärung
Der Einsatz des Polizeispitzels beschäftigt nun auch die hessische Opposition. Mehrere Innenpolitiker fordern von der Landesregierung Aufklärung über die Tätigkeit des V-Mannes und über mögliche Verfehlungen der Frankfurter Polizei bei der Führung des Informanten.
"Der geschilderte Sachverhalt ist der Fraktion der Freien Demokraten im hessischen Landtag bisher nicht bekannt gewesen", bestätigte der FDP-Innenpolitiker Jörg-Uwe Hahn auf Nachfrage. "Im Innenausschuss wurde darüber nicht berichtet. Wir erwarten, dass Innenminister Peter Beuth über den geschilderten Mordfall im Innenausschuss umfassend berichtet und über die Umstände aufklärt."
"Das V-Leute-System gehört abgeschafft. Das V-Leute-System ist nicht nur eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch für die angeworbenen V-Leute selbst, wie dieser Fall erneut dramatisch verdeutlicht", meint der innenpolitische Sprecher der hessischen Linken, Torsten Felstehausen. Es sei skandalös, dass die Frankfurter Kriminalpolizei "scheinbar nicht für die Sicherheit eines Menschen garantieren kann, der für diese Behörde Informationen beschafft und deshalb grausam gefoltert und ermordet wird".
"Der Sachverhalt wirft eine Reihe von Fragen auf", sagt Heike Hofmann, innenpolitische Sprecherin der hessischen SPD. "Trifft es tatsächlich zu, dass der V-Mann auf Grund seiner Enttarnung getötet wurde? War er im Auftrag der hessischen Polizei in Spanien? Falls ja, wieso wurde er nicht besser geschützt?"
Auf Anfrage von NDR und WDR wollte sich das hessische Innenministerium zu dem Sachverhalt nicht äußern.