Flughafenbetreiber Fraport hält an Russland-Geschäft fest
Der Flughafenbetreiber Fraport will seine Beteiligung am Flughafen in St. Petersburg zwar ruhen lassen, aber nicht aufgeben. Dort starten und landen auch russische Regierungsmaschinen.
Nicht erst seit die Bilder der Gräueltaten im ukrainischen Butscha die Welt erschüttern, ziehen sich Hunderte Großkonzerne aus Russland zurück, schreiben milliardenschwere Investitionen ab und holen ihre Mitarbeiter aus dem Land. Doch Fraport, der größte deutsche Flughafenkonzern, der mehrheitlich dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt gehört, hält bislang an seinem Russland-Investment fest.
Der Konzern ist zu einem Viertel an der Betreibergesellschaft des Flughafens Pulkovo in St. Petersburg beteiligt, dem zweitgrössten Flughafen Russlands. Die Beteiligung sei jetzt faktisch eingefroren und man habe mit dem Betrieb des Flughafens nichts zu tun, betonte Fraport-Chef Stefan Schulte noch Anfang der Woche. Und: Man dürfe den Anteil am russischen Flughafen bis 2025 gar nicht abgeben, das sei vertraglich verboten. Ansonsten gibt sich der Konzern unwissend: Es sei Fraport nicht bekannt, was auf dem Flughafen vor sich gehe, man sei außen vor, aber alle Sanktionen würden geprüft.
Regierungsmaschinen auf dem Flughafen
Der Flughafen in St. Petersburg spielt schon immer eine besondere Rolle. Die Stadt ist Wladimir Putins Heimat. Auch nach Russlands Angriff auf die Ukraine flogen nach Recherchen von WDR und "Süddeutscher Zeitung" von dort mehrere Maschinen vom Typ Iljuschin IL-96-300 PU ab, so am 4. und am 24. März. Dieser Flugzeugtyp wird unter anderem von Putin genutzt.
Zwei Iljuschin-Maschinen, die seit Kriegsbeginn in Pulkovo abhoben und landeten, können anhand ihrer Kennungen und öffentlich zugänglicher Bilder und Videos der Regierungsflotte zugeordnet werden. Eine davon, das Flugzeug mit der Kennung RA-96019, hatte in der Vergangenheit auch Außenminister Sergej Lawrow genutzt. 2017 reiste er darin beispielsweise zur Münchner Sicherheitskonferenz. Für Fraport ist das heikel: Putin, Lawrow und andere Regierungsmitglieder sind von der EU inzwischen unter Sanktionen gestellt worden.
Abwicklung militärischer Flüge
Außerdem zeigen die Pandora Papers, ein Datenleak das unter anderem von WDR, NDR und SZ ausgewertet wurde, dass durchaus vorgesehen ist, dass auch Militärmaschinen Pulkovo anfliegen können. In internen Unterlagen heißt es: "Pulkovo bietet die volle Bandbreite an Leistungen, eingeschlossen Geschäftsflüge, Regierungsflüge, Cargo, Militär und Sanitätsflüge." Schon vor mehr als zehn Jahren verzeichnete der Flughafen in St. Petersburg in internen Unterlagen immer wieder auch die Abwicklung militärischer Flüge.
Obwohl Fraport-Vertreter all diese Unterlagen erhalten und unterzeichnet haben, erklärt der Konzern auf Anfrage, militärische Flüge seien ihm nicht bekannt. Außerdem habe Fraport keinen Zugang zu Informationen, die als Staatsgeheimnis klassifiziert seien, wie etwa Flüge von Regierungsmitgliedern. Lediglich dass es eine "Kommandantur" auf dem Flughafen Pulkovo gebe, räumte Fraport-Chef Stefan Schulte ein: Doch das hieße nicht, dass dort Militärflüge organisiert würden, das sei eher "eine Art Reisestelle für Militärs oder für politische Nutzung", so der Fraport-Chef.
Dass der russische Präsident den Flughafen nutzen könnte, dürfte kaum überraschen. Das belegen auch Unterlagen aus den Pandora Papers. Daraus geht hervor, dass in Pulkovo sogar ein sogenannter "Präsidentenservice" angeboten wird. Davon sei Fraport nichts bekannt, teilte der Konzern wiederum mit.
Fraport nominierte leitende Mitarbeiter
Fraports St.Petersburger Engagement führte auch schon zu hitzigen Diskussionen im Haushaltsausschuss des Hessischen Landtages und setzte Finanzminister Michael Boddenberg unter Druck. Schließlich wurden der Betriebs- und der Finanzchef von Pulkovo laut der Unterlagen einst von Fraport nominiert.
Beide sind offenbar noch in St. Petersburg bei der Betreibergesellschaft von Pulkovo angestellt und stehen auch noch in Kontakt mit Fraport, wie der Konzern einräumte. Doch diesen direkten Draht für Fragen nach möglichen Militärflügen zu nutzen, lehnt Boddenberg ab. "Eine Kommunikation mit dem Betriebs- und Finanzchef zu dieser Frage könnte von russischer Seite als Vertragsverstoß dieser Mitarbeiter gewertet werden und für diese nicht kalkulierbare negative Konsequenzen haben", erklärt das Finanzministerium.
Beteiligung hat nur noch geringen Wert
Die Beteiligung einfach abzuschreiben und sich zurückzuziehen, kommt für die Hessen offenbar nicht in Frage: "Für mich ist es absolut irre, dass man diesem Verbrecher am Ende auch noch Vermögenswerte überlässt", sagte Hessens Finanzminister Boddenberg, der auch Aufsichtsratschef von Fraport ist, laut Protokoll Ende März im Haushaltsausschuss des Landtages. Dem Aggressor würde sonst nur ein niedriger dreistelliger Milllionenwert zugeführt, legte Fraport-Chef Schulte später gegenüber Journalisten nach.
Die Bilanz von Fraport zeigt jedoch ein anderes Bild: Die Beteiligung wird darin schon nur noch mit geringem Wert geführt. Die Anteile, die Fraport hält, sind außerdem verpfändet - ausgerechnet an die schwer mit Sanktionen belegte russische Smtaatsbank VTB, die das amerikanische Verteidigungsministerium als "Arterie" des russischen Wirtschaftssystems bezeichnete, die man durchtrennen müsse. Die Anteile dienen als Pfand für einen Kredit, den der Flughafen Pulkovo bekommen hatte - und dieses Geld hätte man in Hessen gern wieder zurück.
Ausstiegsklausel vorhanden
"Die Landesregierung muss in dieser Situation dringend eine Exit-Strategie vorlegen für die Russland-Beteiligungen. Es ist höchste Zeit, dass das rechtlich Mögliche und moralisch Angezeigte angegangen wird", fordert die hessische FDP-Haushaltsexpertin Marion Schardt-Sauer.
Die Verträge zu Pulkovo, die in den Pandora Papers enthalten sind, haben eine Ausstiegsklausel: Sollte es einen Wettbewerber von Fraport geben, der die technischen Voraussetzungen erfüllt, so könne dieser Wettbewerber die Fraport-Anteile übernehmen, heißt es darin. Allerdings bräuchte Fraport dafür die Zustimmung ausgerechnet der russischen Staatsbank VTB und der Stadt St. Petersburg, wie Konzern und Land bestätigten. Auf die Frage, warum der Konzern diese Ausstiegsklausel nicht ziehe, erklärte Fraport, man habe alles beantwortet, was man beantworten könne.