Tod in Spanien Verdächtiger nach Mord an V-Mann gefasst
Im Sommer 2022 ist in Spanien ein V-Mann der Frankfurter Polizei ermordet worden. Nun wurde in der Türkei nach Recherchen von WDR und NDR ein Tatverdächtiger festgenommen.
Für die spanische Polizei war es zunächst kein außergewöhnlicher Fall: ein brutaler Mord im Drogenmilieu, wie es ihn tatsächlich an der Costa del Sol häufiger gibt. Im Juni 2022 wurde in einer Ferienanlage in Marbella im Süden Spaniens eine Leiche entdeckt: Ein Mann, an einen Stuhl gefesselt, um den Kopf eine Plastikfolie gewickelt. Er war mit mehreren Schüssen getötet worden.
Bei dem Toten handelt sich um Aleksandar K., einen 34 Jahre alten Serben, der zuletzt im hessischen Offenbach gelebt hatte - und zum Zeitpunkt seiner Ermordung als V-Mann für die Frankfurter Kriminalpolizei tätig war, wie WDR und NDR im vergangenen Jahr recherchiert hatten.
K. hatte jahrelang Informationen aus dem Drogenmilieu an die deutschen Ermittler geliefert: über Schmugglernetzwerke, die Cannabis und Kokain aus Spanien nach Deutschland gebracht haben sollen. Während er für die deutsche Polizei spitzelte, soll K. selbst im großen Stile Drogentransporte organisiert haben.
Genaue Umstände ungeklärt
Der Polizei-Informant soll vor seinem Tod gefoltert worden sein. Offenbar wurde er ermordet, weil seine Spitzeltätigkeit aufgeflogen war. Die genauen Umstände der Ermordung sind allerdings bis heute nicht geklärt. Die Tatverdächtigen jedenfalls, die aus Deutschland stammen, konnten ins Ausland fliehen. Die spanischen Ermittler aber konnten unter anderem durch Aufnahmen von Überwachungskameras und Fingerabdrücken schnell ihre Identitäten feststellen und sie zur internationalen Fahndung ausschreiben.
Nach Informationen von WDR und NDR wurde nun einer der Tatverdächtigen in der Türkei festgenommen. Es handelt sich um Tolga S., der Mitglied eines deutschen Ablegers der Hells Angels sein soll. Aleksandar K. soll Tolga S. Geld geschuldet haben, mutmaßlich aus Drogengeschäften.
Tolga S. soll zunächst aufgrund eines anderen Delikts von der türkischen Polizei festgehalten worden sein, bei einer Überprüfung stellte sich dann heraus, dass der Mann mit einem internationalen Haftbefehl von der spanischen Justiz gesucht wird.
Mutmaßliche Mittäter auf der Flucht
Ein Sprecher der spanischen Gerichtsbehörden bestätigte auf Anfrage eine Festnahme in dem Fall. Aus Kreisen der spanischen Policía Nacional erfuhren NDR und WDR, dass Tolga S. am 08. April aus der Türkei nach Málaga überstellt wurde. Tolga S. droht nun in Spanien eine Anklage wegen des Mordes an Aleksandar K. Die mutmaßlichen Mittäter sind weiterhin auf der Flucht.
In Deutschland hatte zunächst die Staatsanwaltschaft Hanau in dem Fall ermittelt. Inzwischen aber wurde das Verfahren eingestellt, wie ein Sprecher der Behörde mitteilte, "da alle in Bundesrepublik Deutschland möglichen Ermittlungen erfolgt sind und daher keine weiteren Ermittlungsansätze vorliegen". Die bisherigen Erkenntnisse zum Mordfall seien auf dem Wege der Rechtshilfe an die spanischen Behörden übermittelt worden.
Der Fall des toten V-Mannes beschäftigt indes auch schon jetzt Gerichte in Hessen, denn die Informationen, die Aleksandar K. den Frankfurter Ermittlern geliefert hatte, sollen in gleich mehrere Verfahren gegen Drogennetzwerke eingeflossen sein. Unter anderem in Gießen laufen derzeit Prozesse gegen mehrere Personen, denen gewerbsmäßiger Handel mit Rauschgift vorgeworfen wird. Sie waren teilweise frühere Geschäftspartner von K. Es gibt Hinweise, wonach die Frankfurter Polizei Ermittlungen gegen den V-Mann ausgebremst haben könnte, vermutlich um ihre Quelle zu schützen.
Strengere Regeln für V-Personen geplant
Die Bundesregierung möchte den Einsatz von V-Personen durch die Polizei gesetzlich strenger regeln. Ein entsprechender Gesetzesentwurf, der federführend durch das FDP-geführte Bundesjustizministerium erarbeitet wurde, liegt mittlerweile vor. Der Vorschlag, etwa den Einsatz von V-Leuten zeitlich zu begrenzen, vorab durch eine richterliche Kontrolle zu genehmigen und die Aussagen der Informanten umfangreich zu protokollieren, stößt dabei auch auf Kritik.
Insbesondere Polizeigewerkschaften äußerten in den vergangenen Monaten die Sorge, dass durch ein solches Gesetz ein Einsatz der menschlichen Quellen nahezu unmöglich werde, da sich unter diesen Bedingungen kaum noch Personen anwerben lassen würden und sogar eine Enttarnung der V-Leute drohe. Angeworbene und bezahlte Informanten gelten als wichtiges Ermittlungswerkzeug, insbesondere im Bereich der Organisierten Kriminalität und beim Staatsschutz.
Verabschiedung ungewiss
Befürworter einer gesetzlichen Regelung führen hingegen an, dass die Anwerbung, das Führen und Abschalten von Quellen durch die Polizei bislang gesetzlich nicht einheitlich geregelt ist. Wie ein solcher Einsatz abläuft, das beruht im Wesentlichen auf den Dienstvorschriften der Polizeibehörden der Länder und des Bundes - im Gegensatz zu den Quellen des Verfassungsschutzes etwa, deren Einsatz ist durch das Gesetz klar geregelt.
Der aktuelle Gesetzesentwurf, der Mitte März im Kabinett der Ampel-Koalition beschlossen wurde, soll nun Ende April dem Bundesrat zur Beratung vorgelegt werden, bevor er in den Bundestag geht. Niedersachsen hat bereits einen Antrag auf vollständige Ablehnung des Gesetzes gestellt.