Bundesadler und Schriftzug am Gebäude des Bundesnachrichtendienstes.
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Streit über Ausrichtung Machtkampf unter BND-Kontrolleuren

Stand: 19.03.2024 13:35 Uhr

Überwachungsmaßnahmen im Ausland muss sich der BND von einem Kontrollrat genehmigen lassen. Aber ist er streng genug? Innerhalb des Gremiums war das umstritten. Nun verlassen offenbar der Vize-Chef und ein weiteres Mitglied den Rat.

Von Manuel Bewarder, WDR/NDR und Florian Flade, WDR

Wenn der Bundesnachrichtendienst (BND) das Telefon eines russischen Generals abhören will, oder sich in den Computer eines nordkoreanischen Waffenhändlers hacken möchte, dann darf der Dienst das seit einiger Zeit nicht mehr einfach so machen. Der BND muss sich für solche Überwachungsmaßnahmen zuvor eine Genehmigung dafür einholen. Und zwar vom Unabhängigen Kontrollrat (UKRat).

Diese Behörde gibt es seit Januar 2022. Das Gremium, bestehend aus Richterinnen und Richtern, kontrolliert seitdem die technische Aufklärung des BND, also das Abhören von Telefonen, das heimliche Mitlesen von E-Mails oder auch Hacking von Computern. Sie prüfen vorab, ob alle rechtlichen Voraussetzungen für solche Überwachungsmaßnahmen erfüllt sind - oder eben nicht.

Personelle Konsequenzen

Seit einiger Zeit ist es kein Geheimnis mehr, dass die Stimmung in der neuen Kontrollbehörde ziemlich schlecht sein soll. Es herrschen offenbar unterschiedliche Vorstellungen davon, wie streng und wie transparent der UKRat die BND-Spionage kontrollieren soll. Nun gibt es wohl erste personelle Konsequenzen.

Nach Informationen von WDR und NDR will Vizepräsident Till Oliver Rothfuß das Gremium schon in den kommenden Wochen verlassen. Der Jurist soll danach darum gebeten haben, in seine vorherige Verwendung als Richter am Bundesverwaltungsgericht zurückkehren zu können. Dem Vernehmen nach möchte offenbar neben dem Vize noch ein weiteres Mitglied, die Richterin Elisabeth Steiner, den Rat zeitnah verlassen. Über die Nachfolge soll ebenfalls zeitnah entschieden werden. Für das gerichtsähnliche Kontrollorgan mit seinen sechs Richterposten bedeutet das bereits zwei Jahre nach der Gründung einen erheblichen Umbruch.

Die Personen, die jetzt offenbar gehen, wollten sich auf Anfrage nicht äußern. Auch die Kontrollbehörde gab sich schmallippig. "Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich mich zu laufenden Personalangelegenheiten grundsätzlich nicht äußern kann", sagte eine Sprecherin der Kontrollbehörde auf Anfrage.

Streit über Transparenz

Der interne Streit über den Kurs der Einrichtung, über den im Januar auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet hat, eskaliert damit: Rothfuß soll unter anderem dafür eingetreten sein, die Kontrollaktivitäten des UKRats dem Parlamentarischen Kontrollgremium und der Bundesregierung umfassender darzulegen. Der Vorsitzende Josef Hoch hingegen soll auf die Unabhängigkeit des Gremiums pochen und fürchtet offenbar durch einen solchen Einblick in den Maschinenraum einen Rechtfertigungsdruck.  

Als ein Knackpunkt in der Diskussion gilt zudem die Frage, ob der UKRat den Auslandsnachrichtendienst streng genug kontrolliert. Informationen darüber sind geheim. Doch im vergangenen Jahr recherchierten WDR und NDR Details zum ersten Tätigkeitsbericht, den die Behörde erstellt hatte: Aus dem rund 60-seitigen Dokument geht hervor, dass der Rat praktisch jede vom BND beantragte Überwachungsmaßnahme erlaubt hatte.

Insgesamt 121 Überwachungsmaßnahmen waren bis dahin vom UKRat geprüft worden. Nur ein einziges Mal hatten die Richter die Daumen gesenkt. Dabei soll es um eine Firma in Deutschland mit Kontakten nach Russland gegangen sein, deren elektronische Kommunikation vom BND überwacht worden sein soll. Das allerdings sei nicht vom BND-Gesetz gedeckt gewesen. 

Debatten und Unmut

Die Frage, ob die Kontrolleure angesichts dieser Quote auch ordentlich kontrollieren, wird seither nicht nur hinter verschlossenen Türen diskutiert: Auch in der Bundesregierung und im Parlament wurden Stimmen lauter, die vom UKRat zum Beispiel mehr schriftliche und mündliche Berichte forderten. Oder auch sogenannte Sondervoten, in denen Geheimrichter intern deutlich machen können, wenn sie bei einem Kontrollvorgang anderer Meinung als die Mehrheit sind. Auch die Frage, ob einzelnen Ratsmitglieder für bestimmte Themen und Fachbereiche zuständig sein sollen, soll in der Vergangenheit immer wieder für Debatten und Unmut in der Behörde gesorgt haben.

Dass es Diskussionen über den Kurs des Gremiums gibt, kommt nicht unerwartet: Der Kontrollrat ist ein neu geschaffenes Instrument im Bereich der Nachrichtendienstkontrolle und hat erhebliche Macht. Er war im Zuge von Gesetzesänderungen und Urteilen in Zusammenhang mit den Enthüllungen zu ausufernden Ausspähaktionen des US-Geheimdienstes National NSA und des BND eingerichtet worden. Damit soll die strategische Fernmeldeaufklärung, die Überwachung von weltweitem Datenverkehr, genauer kontrolliert werden.

"Gerichtsähnliche Verhandlungen"

Kontrollratspräsident Hoch bezog im Ringen um die Ausrichtung des Gremiums offenbar oftmals eine andere inhaltliche Position als sein Vize. Hoch soll intern vielmehr auf die Unabhängigkeit des Gremiums gepocht und die Gefahr gesehen haben, Entscheidungen zu treffen, die in der Politik Gefallen finden, zum Beispiel beim für den BND zuständigen Kanzleramt. Sondervoten seien zudem schon jetzt möglich.

In einem Interview mit der Neuen Juristischen Wochenzeitschrift verteidigte Hoch vor ein einigen Wochen auch die niedrige Ablehnungsrate von Überwachungsaktionen: Zahlen über die "Vorabkontrolle" sagten nicht viel über den Einfluss der Kontrollbehörde aus, so Hoch. 

"Schon deren bloße Existenz führt innerhalb des BND zur Konzentration, Dokumentation, Präzision und Beschränkung", erklärte der Präsident. Aufgrund der "gerichtsähnlichen Verhandlungen" würden Anträge manchmal "ganz oder teilweise zurückgenommen". Im "Großen und Ganzen", so Hoch, seien die Vorschriften gelungen. Das sah offensichtlich nicht jeder so.

Innerhalb der Bundesregierung gibt es indes Planungen für ein eigenes Gesetz für den Unabhängigen Kontrollrat, dessen gesetzlicher Auftrag bisher noch im BND-Gesetz verankert ist. Im August vergangenen Jahres wurde ein erster Entwurf eines UKRat-Gesetzes vorgelegt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. März 2024 um 17:31 Uhr.