Rückführungen aus Bayern Wieder Abschiebungen nach Russland
Nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine hatte Deutschland Rückführungen nach Russland ausgesetzt. Jetzt hat das erste Bundesland wieder abgeschoben.
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 galten Abschiebungen in die Russische Föderation zunächst als ausgeschlossen. "Derzeit ist schon aus rein praktischen Gründen eine Abschiebung nach Russland nicht möglich", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums noch vor wenigen Monaten. Es gibt weiterhin keine direkten Flugverbindungen zwischen Russland und der Europäischen Union. Auch die Kontakte der Sicherheitsbehörden sind auf ein Minimum begrenzt worden.
Erste Abschiebungen aus Bayern
Und dennoch: Vor Kurzem wurden erstmals wieder russische Staatsbürger aus Deutschland in ihre Heimat abgeschoben. Das bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen bestätigte eine entsprechende Recherche von WDR und NDR.
Der Freistaat hat demnach als erstes deutsches Bundesland wieder Rückführungen nach Russland durchgeführt. Zwei russische Staatsangehörige, unter ihnen laut Landesamt ein verurteilter Straftäter, wurden nach Informationen von WDR und NDR im März zunächst per Linienflug nach Serbien gebracht. Von dort ging es mit einem weiteren Flug nach Russland.
Bedingungen müssen erfüllt sein
Es handelte sich bei der Rückführung um eine sogenannte unbegleitete Abschiebung - die beiden Männer wurden demnach also nicht von Bundespolizisten begleitet. Laut Landesamt sei eine "Sicherheitsbegleitung" nicht notwendig gewesen, da "nicht mit Widerstand gegen die Rückführungen gerechnet werden musste".
Die Sprecherin erklärte weiter: "Für eine erfolgreiche Rückführung nach Russland müssen momentan eine Vielzahl von verschiedenen Voraussetzungen vorliegen. Diese waren bei beiden Personen gegeben."
Abschiebungen waren angekündigt
Überraschend sind die ersten Abschiebungen nicht: WDR und NDR hatten bereits im Februar berichtet, dass einige Bundesländer wieder Abschiebungen nach Russland prüften, darunter Bayern, Sachsen-Anhalt und Hessen. Es hieß, es handele sich vor allem um Einzelfälle, darunter in erster Linie Kriminelle sowie terroristische Gefährder, also um Personen, denen die deutschen Behörden jederzeit Anschläge zutrauten.
Die Bundesregierung steht aktuell unter Druck: Angesichts der zunehmenden irregulären Migration in die Bundesrepublik nehmen die Rufe nach einer konsequenteren Rückführungspraxis zu. Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP eine "Rückführungsoffensive" angekündigt - insbesondere von Straftätern und Gefährdern.
Umsetzung oft nicht möglich
Die Umsetzung dieses Versprechens gestaltet sich jedoch als schwierig. Mehr als die Hälfte der zuletzt ausreisepflichtigen Gefährder oder relevanten Personen, etwa Unterstützer oder Helfer von Terrorgruppen, sind Syrer, Afghanen oder russische Staatsangehörige. In diese drei Länder aber sind aktuell Abschiebungen aus unterschiedlichen Gründen kaum möglich.
Mögliche Rekrutierrung durch Russland
Ein Aspekt, der deutsche Behörden bislang wohl bei der Wiederaufnahme der Rückführungen nach Russland zögern ließ: In Russland werden schon seit dem vergangenen Jahr verstärkt Straftäter aus dem Gefängnis heraus für den Krieg gegen die Ukraine rekrutiert - und zwar offenbar sowohl von der Söldnertruppe Wagner, als auch vom russischen Militär.
Laut einer BBC-Recherche sollen in 25 Regionen Russlands in Gefängnis solche Anwerbungen stattgefunden haben Verurteilten Kriminellen soll neben dem Kriegssold wohl auch Straffreiheit nach einem Kampfeinsatz in der Ukraine versprochen worden sein.
Die Vereinten Nationen verurteilten Anfang Mai die massive Rekrutierung von russischen Strafgefangenen und die anschließenden Menschenrechtsverletzungen. Vielfach sei es etwa zu Bedrohungen und Misshandlungen von Rekruten aus Gefängnissen gekommen - Personen wiederum, die fliehen wollten, seien offenbar exekutiert worden.
Abgeschobene Straftäter an der Front?
Auch bei deutschen Behörden besteht die Sorge, dass abgeschobene Straftäter nach der Rückkehr in Russland für den Kriegsdienst eingezogen und an die Front geschickt werden könnten. Dazu erklärte das bayerische Landesamt auf Nachfrage: "Die Frage einer eventuellen Heranziehung zum Militärdienst stellt einen zielstaatsbezogenen Umstand dar, der letztlich durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu bewerten wäre."
Kürzlich berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Bezug auf Zahlen des BAMF, dass hierzulande bislang nur wenige russische Kriegsdienstverweigerer Asyl erhalten haben. Von Februar 2022 bis April dieses Jahres hätten demnach 2485 männliche russische Staatsangehörige im wehrfähigen Alter von 18 bis 45 Jahren einen Antrag auf Asyl in Deutschland gestellt.
In mehr als 800 Fällen sei über die Anträge bereits entschieden worden, nur in 55 Fällen sei Asyl erteilt, in 88 Fällen sei dies abgelehnt worden. In den verbleibenden 671 Fällen sei es zu einer "formellen Verfahrenserledigung" gekommen. So bezeichne das Ministerium etwa die "Rücknahme des Asylantrags" oder "Entscheidungen im Dublin-Verfahren", wonach zum Beispiel andere EU-Länder als Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sind.