US-Wahlkampf 2016 Welche Rolle spielte Assange?
Wenn US-Ermittler Mueller vor dem Kongress aussagt, dürfte es auch um WikiLeaks-Chef Assange gehen. Seine Rolle bei der Kampagne gegen Hillary Clinton wirft zahlreiche Fragen auf.
Für das Team von US-Sonderermittler Robert Mueller waren Julian Assange und WikiLeaks von großem Interesse. Fünf Seiten seines Berichts sind den Verbindungen zwischen zwei vom russischen Militärgeheimdienst betriebenen fiktiven Online-Personen und Assange bzw. WikiLeaks gewidmet. Weitere neun Seiten drehen sich um Kontakte zu Trumps Wahlkampfteam.
Assange sah Clinton als Gegnerin
Über seine Abneigung gegen die Demokratin Hillary Clinton sprach Assange öffentlich. In seinen Augen verkörpert sie eine imperialistische, kriegslüsterne US-Außenpolitik. Sie sei gefährlicher als Trump, sagte er in einem Interview mit dem britischen Sender ITV im Juni 2016. Er glaubte zudem, dass Clinton ihre Macht als US-Präsidentin gegen ihn einsetzen würde.
Die US-Präsidentschaftskandidatin Clinton war persönliches Hassobjekt Assanges.
Während ihrer Zeit als Außenministerin hatte WikiLeaks unter anderem Lageberichte von US-Diplomaten veröffentlicht. Clinton forderte damals "aggressive" Schritte gegen die Verantwortlichen.
Assange teile die Welt in Menschen, die für und die gegen ihn seien, so ein WikiLeaks-Mitarbeiter im Interview mit der "New York Times". Die USA und Clinton hätten ihm Ärger bereitet, Russland hingegen nicht.
Schon früh Verbindungen zu russischen Institutionen
So hatte er trotz seines Kampfes für Transparenz und gegen staatliche Überwachung offensichtlich keine Berührungsängste mit der russischen Führung. Als WikiLeaks nach 2010 der Zugang zu Spendengeldern stärker erschwert wurde, erhielt Assange beim staatlich finanzierten Sender "Russia Today" eine TV-Show. 2013 empfahl Assange dem Whistleblower Edward Snowden bei seiner Ausreise aus Hongkong über Moskau zu fliegen, wo dieser dann blieb.
Viele der von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente schadeten den USA, Deutschland oder der NATO und kamen Russland wiederum zupass. Besonders bei russischen Investigativjournalisten wie Andrej Soldatov sorgte für Ärger, dass sich Assange über Veröffentlichungen zum Vermögen des Putin-Vertrauten Jewgeni Prigoschin in den Panama-Papers beschwerte. Selbst Snowden äußert sich von seinem Exil in Russland aus kritisch über dessen Führung, Assange kaum.
GRU bot WikiLeaks Daten an
Insofern erscheint es denkbar, dass Assange von russischen Geheimdiensten erbeutetes Material gegen Clinton einsetzen würde - was er laut Mueller-Report tat. Die Ermittler legen dar, wie Cyber-Einheiten des russischen Militärgeheimdienstes GRU an Daten gelangten. Demnach drangen sie im März 2016 in die E-Mail-Accounts von Mitarbeitern und freiwilligen Helfern der Clinton-Kampagne ein, darunter John Podesta.
Im April 2016 hackten sie Netzwerke des DCCC - dem Wahlausschuss der Demokraten für das Repräsentantenhaus - und des DNC - dem Führungsgremium der Demokraten. Dabei stahl der GRU Hunderttausende Dokumente.
GRU-Agenten legten die fiktiven Online-Personen DCLeaks und Guccifer 2.0 an, so der Mueller-Report. Als im Juni 2016 der Wahlkampf zwischen Trump und Clinton begann, nahmen DCLeaks und Guccifer 2.0 Kontakt zu Wikileaks' Benutzerkonto bei Twitter auf.
Zahlreiche Besuche - auch aus Russland
In diesem Monat empfing Assange in seinem Exil in der ecuadorianischen Botschaft in London mindestens 75 Mal Besuch, wie aus einem Bericht der spanischen Sicherheitsfirma UC Global hervorgeht, die dem US-Sender CNN vorliegt. Darunter waren demnach russische Bürger, so der Bürochef von RT, Nikolai Bogatschichin. Er habe Assange einen USB-Stick übergeben.
Am 12. Juni 2016 kündigte Assange die Veröffentlichung Clinton betreffender E-Mails an. Zwei Tage später berichteten die Demokraten von einem Einbruch auf Servern und einem vermuteten Datenklau. Als Verdächtiger wurde Russland genannt.
Nach Datenübergabe Veröffentlichung zum Parteitag
Am 19. Juni 2016 stellte die ecuadorianische Botschaft Assange technische Ausrüstung und eine bessere Internetverbindung bereit.
Anfang Juli fragte WikiLeaks den Twitter-Account Guccifer 2.0 nach Material über Clinton, der Parteitag der Demokraten stehe bevor. Am 14. Juli schickte Guccifer 2.0 eine Mail mit verschlüsseltem Anhang "Big Archive". Am gleichen Tag besuchten ihn laut Sicherheitsprotokollen die deutschen Hacker und Computerexperten Andy Müller-Maguhn und Bernd Fix, die vor allem als Mitglieder des Chaos Computer Club bekannt waren.
Ein vermummter Bote gibt ein Paket in der Botschaft ab (Quelle: CNN)
Vier Tage später übergab eine maskierte Person einem Botschaftsmitarbeiter ein Päckchen. Am gleichen Tag bestätigte WikiLeaks Guccifer 2.0, "das Archiv im Umfang von etwa einem Gigabyte" erhalten zu haben. Am 22. Juli dann veröffentlichte WikiLeaks fast 20.000 E-Mails und andere Dokumente aus der Parteizentrale der Demokraten. Beim Parteitag kurz darauf musste die Chefin der Demokraten und Clinton-Verbündete, Debbie Wasserman Schultz, zurücktreten.
DCLeaks bot mehr Material an
Bevor WikiLeaks ein weiteres Dokumentenpaket veröffentlichte, bot DCLeaks mehr Material an. Anhand von Metadaten der WikiLeaks-Website gehen Muellers Ermittler davon aus, dass 50.000 E-Mails von Clintons Wahlkampfmanager Podesta am 19. September dort angelegt wurden. Die Ermittler schreiben, dass Dokumente über Mittelsmänner zu WikiLeaks gelangt sein könnten. Als Beispiel wird Müller-Maguhn genannt. Laut Protokoll der Sicherheitsfirma war er am 19. September in der Botschaft.
In einem Interview mit der "Washington Post" bestätigte der Sicherheitsexperte, dass er Assange regelmäßig in der Botschaft traf und ihm einmal einen Speicherstick gab. Das veröffentlichte Material zu Clinton habe er aber weder besessen noch transportiert.
Müller-Maguhn trat 2012 in der RT-Show von Assange auf und wurde danach von RT als Computerexperte interviewt. Er ist weltweit als Sicherheitsberater unterwegs. Der "Washington Post" zufolge nahm er 2016 und 2017 an Sicherheitskonferenzen des russischen Verteidigungsministeriums in Moskau teil.
Podesta-Mails kurz nach Trump-Video veröffentlicht
Die Podesta-E-Mails veröffentlichte WikiLeaks schließlich am 7. Oktober, und zwar kaum eine Stunde nachdem die "Washington Post" ein Video mit sexistischen Äußerungen Trumps herausgegeben hatte.
Das wirft die Frage auf, ob Assange auch mit der Trump-Kampagne in Verbindung stand. Sicher ist Muellers Ermittlern zufolge, dass sich der WikiLeaks-Twitter-Account hin und wieder per Direktnachricht mit dem Twitter-Account von Trumps gleichnamigen Sohn austauschte. So empfahl er Trump Junior die Verwendung eines bestimmten Links beim Verweis auf das von den Demokraten gestohlene Material.
Prominente Kontakte
Darüber hinaus gab es weitere Kontakte. Der Republikaner und Trump-Freund Roger Stone sagte vor dem Kongress, dass er eine Verbindung zu WikiLeaks gehabt habe und nannte einen Radiomoderator, der dies jedoch dementierte. Ausführungen dazu und möglichen weiteren Verbindungen sind im Mueller-Report aber fast durchgängig geschwärzt.
Interessant sind weitere Verbindungen. So teilte WikiLeaks auf Twitter mit, dass das Analyseunternehmen Cambridge Analytica vor der Präsidentschaftswahl im Oktober 2016 einen Kontaktversuch unternommen habe, eine Zusammenarbeit aber abgelehnt worden sei. Der britische Politiker Nigel Farage besuchte Assange am 9. März 2017. Die von ihm befürwortete Leave.EU-Kampagne erhielt Unterstützung von Cambridge Analytica.
Schließlich bekam Assange im August 2017 Besuch vom pro-russischen US-Politiker Dana Rohrabacher, dem er dessen Aussage zufolge sichere Beweise dafür vorlegte, dass das Material der Demokraten nicht aus Russland stammte. Jedoch erhielten Medienberichten zufolge weder Rohrabacher noch Assange Zugang zum Weißen Haus, um diese angeblichen Beweise zu präsentieren.
Der republikanische Abgeordnete Rohrabacher behauptet, dass das Material nicht von Russland geliefert wurde.
Einfluss nicht nachweisbar
Inwieweit die Veröffentlichung des Materials durch WikiLeaks einen Einfluss auf das Wahlergebnis hatte, ist nicht ermittelbar. Sicher ist, dass Trump dank äußerst knapper Siege in den US-Bundesstaaten Pennsylvania, Michigan und Wisconsin durch den Wahlmänner-Ausschuss zum Präsidenten gewählt wurde.
Erkenntlich zeigte sich Trump gegenüber Assange nicht. Außenminister Mike Pompeo nannte WikiLeaks einen "nichtstaatlichen, feindlichen Geheimdienst". Assange droht bei einer Auslieferung in die USA eine lange Haftstrafe.