Grenzschutz in Saudi-Arabien Von Deutschland ausgebildet?
Saudi-arabische Grenzschützer sollen systematisch Flüchtlinge an der Grenze zum Jemen erschossen haben. Monitor-Recherchen zufolge spielt Deutschland eine deutlich größere Rolle bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten, als es die Bundesregierung zugeben will.
Für die Bundesregierung ist Saudi-Arabien ein wichtiger Partner: Der Staat ist einer der größten Erdölexporteure weltweit, als Lieferant für Wasserstoff soll der Golfstaat künftig auch bei der Umsetzung der deutschen Energiewende helfen. Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock reisten ins Land, um die Wirtschaftsbeziehungen zu intensivieren.
Erst im Juli weichte die Bundesregierung die Beschränkungen für den Rüstungsexport in das Königreich weiter auf - trotz immer neuer Vorwürfe wegen der dortigen Menschenrechtslage.
Systematische Erschießungen durch saudische Grenzschützer?
Die Organisation Human Rights Watch warf vergangene Woche dem saudi-arabischen Grenzschutz vor, Flüchtlinge an der saudisch-jemenitischen Grenze gezielt zu erschießen. "Die Morde sind weit verbreitet und systematisch. Saudi-Arabien wusste oder hätte wissen müssen, dass sie auf äthiopische Migranten und Asylsuchende abzielten", sagt Nadia Harmann von Human Rights Watch dem ARD-Magazin Monitor.
Saudi-Arabien weist alle Vorwürfe zurück: Die Behauptungen seien unbegründet und beruhten auf unzuverlässigen Quellen. Monitor sprach mit einem Augenzeugen, der ebenfalls von einem saudischen Erschießungskommando berichtet: Eine saudische Grenzpatrouille habe auf ihn und die etwa 40 anderen Menschen, die mit ihm unterwegs waren, ununterbrochen geschossen, sagt Mustafa Soufian: "Ich habe mein Bein verloren. Die meisten der anderen haben ihr Leben verloren." Es sei unerträglich gewesen, wie um ihn herum Menschen getötet worden seien. Inzwischen lebt er schwer verletzt wieder in seinem Heimatland Äthiopien.
Ausbildungsmission der Bundespolizei
Die Bundesregierung teilte nach den Berichten mit, man habe eine schnelle und transparente Aufklärung der Vorwürfe gefordert. Brisant ist aber vor allem die Frage: Welche Rolle spielen die Bundesregierung und die deutsche Bundespolizei im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Gräueltaten saudischer Grenzschützer?
2008 bekam der europäische Rüstungskonzern EADS (heute Airbus) den Zuschlag, die Grenze Saudi-Arabiens mit hochspezialisierter Überwachungstechnologie - auch aus Deutschland - auszurüsten. Das ARD-Magazin Fakt deckte 2011 auf, dass deutsche Bundespolizisten im Rahmen des EADS-Geschäfts in Saudi-Arabien eingesetzt wurden, um saudische Grenzschützer auszubilden. Auch das Training an der Waffe war demnach Teil der Trainings. Die Ausbildungsmission wurde nach dem Mord am regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi zwischenzeitlich zwar unterbrochen, inzwischen aber wieder aufgenommen.
Auf Nachfrage über die Aufgaben und den Inhalt der heutigen Trainingsmission sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums vergangene Woche in der Bundespressekonferenz: "Trainingsmaßnahmen speziell für den saudi-arabischen Grenzschutz finden nicht statt, und es haben zu keinem Zeitpunkt Ausbildung oder Trainings der Bundespolizei für den saudi-arabischen Grenzschutz im Grenzgebiet zwischen Saudi-Arabien und Jemen stattgefunden." Zudem hebt die Bundesregierung immer wieder hervor, wie wichtig ihr die Vermittlung von Menschenrechten in ihrem Ausbildungsprogramm sei.
Trainings richteten sich "ausnahmslos an saudische Grenzbeamte"
Monitor -Recherchen zeigen nun, dass die Aussagen der Bundesregierung irreführend und in Teilen offenbar auch falsch sind. Bundespolizisten, die für Schulungen in Saudi-Arabien im Einsatz waren oder sind, sagten Monitor in vertraulichen Gesprächen, ihre Trainings richteten sich "ausnahmslos an saudische Grenzbeamte".
Teilnehmer seien durchweg "Offiziere des Grenzschutzes". Die Trainingsinhalte seien unter anderem auch "abgestimmt auf die Grenzanlagen" und "an die EADS-Technologie". An den Trainings würden auch Grenzschützer teilnehmen, die an der saudisch-jemenitischen Grenze im Einsatz sind.
Kritiker fordern Ende der Ausbildungsmission
Kritiker fordern angesichts der Monitor-Recherchen erneut ein Ende der Ausbildungsmission der Bundespolizei in Saudi-Arabien. Jan van Aken, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Linken und Referent für internationale Konflikte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung sagt: "Wer in Deutschland entscheidet, in Saudi-Arabien Grenzsoldaten auszubilden, der macht sich mitschuldig an allen Verbrechen, die von diesen Grenzsoldaten begangen werden."
Die Strategie der Bundesregierung sei offensichtlich gescheitert, sagt auch Max Mutschler vom Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC): "Wir machen Belieferung, wir machen Ausbildung und dabei wollen wir auch Menschenrechte vermitteln. Wenn das überhaupt ernst gemeint war, ist das kolossal gescheitert."
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