Russische Einflussoperation Geldübergabe an Bystron im Auto?
Die Hinweise verdichten sich, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Bystron im Rahmen einer russischen Einflussoperation Geld erhalten hat. Der tschechische Geheimdienst soll Abgeordneten in Prag erstmals Belege vorgelegt haben.
Der tschechische Inlandsnachrichtendienst BIS hat am vergangenen Donnerstag Abgeordneten in Prag insgesamt vier Audioaufnahmen vorgespielt, die den Verdacht der Bezahlung europäischer Politiker durch ein Kreml-nahes Netzwerk erhärten. Die tschechischen Abgeordneten gehören dem für Geheimdienste zuständigen parlamentarischen Kontrollgremium an.
Auf zwei der Audioaufnahmen soll auch der deutsche Bundestagsabgeordnete Petr Bystron (AfD) zu hören sein. Dies ergeben gemeinsame Recherchen der tschechischen Tageszeitung "Deník N", des ARD-Politikmagazins Kontraste und der Wochenzeitung "Die Zeit".
Aufgezeichnet wurde demnach auch ein Gespräch Bystrons mit dem Moskau-treuen, ukrainischen Geschäftsmann Artem Martschewskyj. Es soll in Prag stattgefunden haben. Der BIS hatte offenbar Martschewskyjs Auto verwanzt und wurde so Zeuge des Treffens der beiden, bei dem es zu einer Geldübergabe von 20.000 Euro an Bystron gekommen sein soll. So schlussfolgern es zumindest der BIS und auch mehrere Abgeordnete, die die Aufnahme gehört haben.
"Bystron raschelt auf der Aufnahme mit Geld und zählt es", sagt ein tschechischer Abgeordneter, der die Aufnahme kennt. Auch weitere Quellen bestätigen dies. Die neuen Indizien belasten Bystron, der die Vorwürfe jedoch abstreitet.
Bystron und Martschewskyj sollen in dem Gespräch auch darüber diskutieren, wie künftig Mitarbeiter von neu gewählten Abgeordneten im Europäischen Parlament finanziert werden könnten. Unklar ist bislang, ob die Aufnahme aus dem Jahr 2023 oder aus diesem Jahr stammt.
Über die Existenz einer Bystron belastenden Tonaufnahme hatten Anfang April zunächst "Deník N" und "Der Spiegel" berichtet, zwischenzeitlich wurden aber auch Zweifel laut, dass es überhaupt Aufnahmen gebe.
Tschechen übermittelten Erkenntnisse an den Verfassungsschutz
Nach Erkenntnissen von Kontraste, "Die Zeit" und "Deník N" übermittelte der tschechische Inlandsdienst eine Analyse und Transkripte der Aufnahmen an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Auf Anfrage wollte sich dieser aus grundsätzlichen Erwägungen nicht dazu äußern. "Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend ist oder nicht", so der Verfassungsschutz.
Die Enthüllungen stehen in Zusammenhang mit dem Vorgehen der tschechischen Behörden gegen die Internetseite "Voice of Europe" (VoE). Das in Prag ansässige Unternehmen soll nicht nur Propaganda im Sinne des Kreml verbreitet haben. Dem VoE-Netzwerk sei es auch darum gegangen, russlandfreundlichen Kandidaten ins Europa-Parlament zu verhelfen, sowie Personen aus dem Netzwerk als Mitarbeiter künftiger Abgeordneter zu installieren, warnten Tschechiens Premier Petr Fiala und sein belgischer Amtskollege Alexander De Croo in einem Brief an EU-Institutionen.
Artem Martschewskyj soll faktisch die Geschäfte von "Voice of Europe" geführt haben. Als Finanzier und Drahtzieher im Hintergrund gilt den Behörden jedoch der kremltreue Oligarch Wiktor Medwedtschuk, ein enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Regierung in Prag hat "Voice of Europe" sowie Martschewskyj und Medwedtschuk mittlerweile auf die nationale Sanktionsliste gesetzt.
Nach Erkenntnissen von Kontraste, der "Zeit" und "Denik N" liegen dem tschechischen Nachrichtendienst auch Aufnahmen aus den Büros von "Voice of Europe" vor. Auf zweien davon soll dokumentiert sein, wie Martschewskyj mit einem Mitarbeiter größere Summen Bargeld aufteilt. Es bleibt den Quellen zufolge in der Aufnahme aber offen, für wen konkret das Geld bestimmt ist.
Bystron bestreitet Vorwürfe
Bystron, der für die Europawahl im Juni auf Platz zwei der AfD-Liste kandidiert, hatte in einer schriftlichen Stellungnahme Anfang April gegenüber dem AfD-Bundesvorstand die Vorwürfe bestritten: "Zu keinem Zeitpunkt habe ich von einem Mitarbeiter von VoE (oder irgendeinem Russen) Geldzahlungen oder Kryptowährungen bekommen." Später schloss er generell Zahlungen aus dem Umfeld von "Voice of Europe" aus.
Auf erneute Nachfragen von "Zeit" und Kontraste zu den mutmaßlichen Details der Tonaufnahme stritt Bystron am Telefon erneut eine Geldübergabe ab. Schriftliche Nachfragen ließ er unbeantwortet, stattdessen forderte Bystron per E-Mail, informiert zu werden, "wer konkret (…) diese angeblichen Mitschnitte gehört haben will". Es habe bereits genug Berichterstattung über ihn gegeben, die auf falschen Behauptungen beruhe.
Enge Kontakte zu VoE-Finanzier
"Voice of Europe" hatte mehrfach Interviews mit Bystron veröffentlicht, ebenso mit seinem Parteikollegen Maximilian Krah, dem Spitzenkandidaten der AfD bei der Europawahl. Darin bedienten sie russlandfreundliche Narrative und wandten sich etwa gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Krah und Bystron sind seit Längerem mit dem mutmaßlichen "Voice of Europe"-Finanzier Medwedtschuk bekannt.
Beide Politiker statteten Medwedtschuk 2021 gemeinsam einen "Solidaritätsbesuch" in Kiew ab, wo dieser damals wegen des Vorwurfs des Hochverrats unter Hausarrest stand. Im September 2022 kam Medwedtschuk als Teil eines Gefangenenaustauschs zwischen Moskau und Kiew frei und wurde nach Russland überstellt. Wladimir Putin ist Pate von Medwedtschuks Tochter.
Vorwürfe auch gegen Krah
Krah sagte nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen "Voice of Europe", er habe dem Portal zwei Interviews gegeben, eines davon in Prag. "Geld habe ich dafür selbstverständlich keines bekommen, weder für mich noch die Partei."
Erst am Dienstag waren weitere Vorwürfe gegen Krah bekannt geworden, die auf Zahlungen aus einem russlandfreundlichen Netzwerk hindeuten. Wie der "Spiegel" und das ZDF-Magazin "Frontal" berichteten, war Krah im Dezember 2023 bei der Einreise in die USA eine Stunde lang verhört worden. Grund war eine ältere Chat-Nachricht des von den USA sanktionierten pro-russischen Politikers Oleg Woloschyn, der ebenfalls als enger Vertrauter Medwedtschuks gilt. Darin versicherte er Krah, das Problem mit den "Kompensationen" für die "technischen Ausgaben" sei gelöst. Von Mai an "wird es so sein, wie es vor Februar war".
Den Verdacht, verdeckt von Woloschyn bezahlt worden zu sein, wies Krah zurück: "Ich habe zu keinem Zeitpunkt auch nur einen Cent von Herrn Woloschyn an Geld angenommen, auch keine Reisespesen oder sonstige vorverauslagte Kosten", sagte Krah im Interview mit "Frontal".