Seenotrettung Kein "Taxi"-Dienst nach Europa
Die Seenotrettung wird Thema für den deutschen EU-Vorsitz sein. Innenminister Seehofer sagte, es dürfe keinen "Taxi"-Dienst nach Europa geben. Durch Sicherheitsverordnungen sollen Rettungsschiffe ausgebremst werden.
Hilfsorganisationen, die Menschen etwa im Mittelmeer vor dem Ertrinken retten, sind sauer auf die Bundesregierung. Der Grund: Für ihre Boote gibt es seit Anfang März neue, kostspielige Anforderungen. Die "19. Schiffssicherheitsanpassungsverordnung" von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ist für Hilfsorganisationen "reine Schikane".
Teure Umbauten und eine Art Führerschein
Axel Steier von "Mission Lifeline" muss die Vorschriften nun umsetzen. Ganz konkret: Werften und Ingenieurbüros kontaktieren, Umbauten vornehmen lassen, diverse Bescheinigungen einholen. Kosten: geschätzt 100.000 Euro.
Zwar kann Steier bislang auf sehr erfahrene Kapitäne zurückgreifen, erzählt er. Jetzt plötzlich sollen aber nur noch die Schiffsführer zugelassen werden, die eine Art Führerschein für große Berufsschiffe haben. "Dafür ist ein Studium nötig", erklärt Steier. Innerhalb von ein paar Monaten umschulen, ginge nicht.
Welche Regeln müssen die Sea-Watch und andere Rettungsschiffe und -organisationen einhalten?
Angemessene Sicherheitsstandards
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, konfrontierte das Verkehrsministerium mit dem Vorwurf, die Bundesregierung wolle die Seenotrettung von Geflüchteten behindern.
Die Antwort des parlamentarischen Staatssekretärs aus dem Verkehrsministerium, Enak Ferlemann, Mitte Juni: Es gehe um eine "Klarstellung der Rechtslage". Die Verordnung habe das Ziel, "dass Schiffe, die zur Seenotrettung eingesetzt werden, einen adäquaten Sicherheitsabstand aufweisen und nicht wie bisher ohne Erfüllung eines solchen Sicherheitsstandards hierzu eingesetzt werden." Dabei habe es noch nie einen Unfall gegeben, so die Hilfsorganisationen.
Die Rolle Seehofers
Dann die Innenausschusssitzung vergangene Woche. Dabei soll Horst Seehofer gesagt haben, er selbst habe den Verkehrsminister gebeten, in der Angelegenheit tätig zu werden. Sein Ansinnen: Schiffe unter deutscher Flagge, die nur für 17 Personen zugelassen seien, dürften nicht solange vorsätzlich vor der libyschen Küste verweilen, bis 150 Personen aufgenommen seien, sagte Seehofer nach Angaben von Linkspartei und Grünen in der Innenausschuss-Sitzung.
Laut Filiz Polat von den Grünen sagte Seehofer sinngemäß: Es dürfe keinen "Taxi"-Dienst geben.
Seerecht heißt, Menschen vor dem Ertrinken zu retten
Steier von "Mission Lifeline" macht das wütend. Er verweist auf das internationale Seerecht. Es sei die Pflicht aller, die auf See unterwegs seien, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Private Seenotretter übernähmen damit die Aufgabe von staatlichen Behörden.
Auch Rettungsorganisationen, wie etwa SOS Méditerranée, werfen nicht nur Deutschland, sondern der gesamten Europäischen Union vor: Die EU käme seit 2017 ihrer Verantwortung nicht mehr nach, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Stattdessen lagere sie diese Verantwortung an die libysche Küstenwache aus, die sie mit 90 Millionen Euro finanziere.
Müssten die Flüchtlinge zurück nach Libyen, dann drohen ihnen dort Menschenrechtsverletzungen, heißt es mahnend von Linken und von Seenotrettern.
Zurück "in die Hölle nach Libyen"
Doch das verstößt gegen europäisches Recht. Vereinfacht ausgedrückt: Flüchtlinge dürfen nicht in ein Land wie Libyen zurückgebracht werden, da dort Menschenrechtsverletzungen drohen.
Dass zu dieser Situation nun die verschärfte Schifffahrtssicherheitsanpassungsverordnung dazu kommt, ärgert Jelpke. Der Bundesregierung komme es gerade nicht auf die Sicherheit von Menschen an. "Sie will verhindern, dass Geflüchtete aus Seenot gerettet und nach Europa in Sicherheit gebracht werden. Jedenfalls ist das die offensichtliche Folge, wenn die privaten Seenotrettungsschiffe so strenge Auflagen bekommen, dass sie faktisch nicht mehr auslaufen und keine Menschen vor dem Ertrinken retten können. Die EU setzt darauf, dass Gerettete von der sogenannten libyschen Küstenwache wieder zurück in die Hölle nach Libyen verbracht werden. Das ist eine unmoralische und menschenrechtswidrige Politik."