Fairtrade-Rosen, die vom Discounter Aldi vertrieben werden.
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Blumen von Aldi Verstöße gegen Fairtrade-Regeln auf Rosenfarm

Stand: 04.09.2023 17:00 Uhr

Aldi bezieht einen Großteil seiner Rosen in Afrika. NDR-Recherchen zeigen, dass der Discounter auch Rosen von einer Farm in Äthiopien kauft, auf der in der EU nicht zugelassene Pestizide zum Einsatz kommen und Fairtrade-Standards missachtet werden.

Von Susan Penack, NDR

Der Discounter Aldi bietet ganzjährig Rosen an. Ein Großteil wird aus Kenia und Äthiopien importiert - denn obwohl Schnittblumen bei den Deutschen noch immer sehr beliebt sind, gibt es hierzulande immer weniger Produzenten. Die wichtigsten Gründe dafür: das Klima und die Produktionskosten hierzulande.

Laut NDR-Recherche kauft Aldi viele seiner Rosen bei Sher Ethiopia ein. Das Unternehmen mit Stammsitz in den Niederlanden ist der größte Rosenproduzent der Welt. Die Firma beschäftigt rund 12.500 Mitarbeiter allein in Äthiopien. Auf drei Farmen werden dort nach eigenen Angaben jährlich mehr als eine Milliarde Rosen angebaut und in die ganze Welt exportiert.

Dabei kommen auch Chemikalien zum Einsatz, um den Ertrag zu verbessern. Das Problem: Pestizide, die in der Europäischen Union inzwischen nicht mehr zugelassen sind, können in Afrika weiterhin eingesetzt werden.

Verbotene Pestizide gefunden

Der NDR hat Rosen von Sher Ethiopia bei Aldi Nord gekauft und im Labor untersuchen lassen. Dabei wurden 14 Pestizide nachgewiesen. Vier davon sind in der EU nicht mehr zugelassen. Für den Toxikologen Edmund Maser von der Universität Kiel ist das Ergebnis "einfach ein Skandal." Dass Substanzen, die in der EU nicht mehr zugelassen seien, in Afrika angewendet würden und dann über den Import wieder in europäische Länder zurückgelangten, sei "ein No Go."

Maser sieht zwar für die Endkunden in Deutschland keine direkte Gefahr beim Kontakt mit den Rosen, aber für die Menschen vor Ort sei das Ergebnis bedenklich. Die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Rosenproduktion seien so schädlichen Substanzen ausgesetzt. "Sie könnten dementsprechend natürlich dann auch gesundheitliche Schäden davontragen", so Maser. Die Mittel seien außerdem umweltschädlich.

"Sie sprühen einfach über uns hinweg"

Wie nun Arbeiterinnen einer Farm von Sher Ethiopia bei einem geheimen Treffen südlich der äthiopischen Hauptstatdt Addis Abeba dem NDR berichten, würden die Pestizide versprüht, während sie in den Gewächshäusern ohne Schutzkleidung arbeiten würden.

"Sie machen das, während wir ihre Rosen ernten und sagen uns nicht rechtzeitig Bescheid. Wenn wir im Weg stehen, dann sprühen sie es einfach über uns hinweg", erklärt eine Farmarbeiterin, die unerkannt bleiben möchte. Diese Vorwürfe lassen sich schwer prüfen, doch Aldi nehme die Hinweise ernst und wolle bei Bedarf Konsequenzen ziehen. Das Vorgehen würde zudem auch gegen die Fairtrade-Regeln verstoßen. Sher Ethiopia lehnt die Vorwürfe ab und teilt dem NDR mit, dass man sich an alle Vorgaben halten würde. 

Arbeiterinnen beklagen ungerechtes Fairtrade-System

Sher Ethiopia ist weltweit der größte Produzent von Fairtrade-Rosen. Doch davon profitieren nicht alle. Neben verbindlichen Gehaltsstrukturen sind für Fairtrade-Produkte auch Prämiensysteme in den jeweiligen Ländern vorgesehen. Zum Beispiel für Bildung. "Wir sehen keine Vorteile. Was wir sehen, ist nur die harte Arbeit", berichtet eine Farmarbeiterin.

"Ich habe viele Arbeiter kennengelernt, die acht oder neun Jahre für Sher gearbeitet haben, und keine Chance hatten, ihre Kinder auf die Schule zu schicken", sagt eine andere. Wer den Nachwuchs fördern dürfe, sei intern abgesprochen und hängt den Eindrücken der Arbeiterinnen zufolge von Status und Stellung ab. Sher Ethiopia widerspricht dem und schreibt, die Auswahl der Schüler erfolge unabhängig. 

Auch Fairtrade ging den Beschuldigungen nach, kontaktierte die betroffenen Blumenfarmen, die Importeure, Aldi, Fairtrade Africa und die unabhängige Fairtrade-Zertifizierungsstelle FloCERT dazu. Dabei sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass es unwahrscheinlich sei, dass unter den 7000 Schulkindern viele Managerkinder seien. 

Claudia Brück ist eine von drei Geschäftsführerinnen bei Fairtrade Deutschland e.V.. Sie weiß, dass ihre Organisation nicht jeden erreichen könne. "Das heißt, es müssen Prioritäten gesetzt werden." Wenn die Arbeiterinnen das Gefühl hätten, dass es nicht nach fairen Bedingungen zugehen würde, "haben Sie die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Fernsehen am 04. September 2023 um 20:15 Uhr in der Sendung "Die Recherche: Inside Aldi".