Zukunftszentrum "Deutsche Einheit" "Mehr gebraucht denn je"
In Frankfurt (Oder) ist die Enttäuschung groß, Sachsen-Anhalt freut sich: Das millionenschwere Zukunftszentrum "Deutsche Einheit" soll nach Empfehlung einer Jury in Halle gebaut werden.
In Halle war die Freude groß: Das geplante "Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation" soll in der Stadt an der Saale angesiedelt werden. Der amtierende SPD-Bürgermeister, Egbert Geier, kündigte an, das Zentrum solle ein "lebendiger Ort in einer Stadt im Herzen Deutschlands und Europas" werden. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung werde es "mehr gebraucht denn je". Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte, Halle sei der ideale Ort für das Zentrum. Das wissenschaftliche und kulturelle Umfeld der Stadt genüge "höchsten Ansprüchen".
Am Dienstagabend hatte sich eine von der Bundesregierung eingesetzte Jury nach stundenlangen Beratungen auf die Großstadt in Sachsen-Anhalt geeinigt hatte. Die Jury-Vorsitzende und SPD-Bundestagsabgeordnete Katrin Budde teilte die Empfehlung mit, die das Bundeskabinett nun noch bestätigen muss. Die Entscheidung gilt aber als Formsache, eine Pressekonferenz ist für Mittwoch bereits angesetzt. Halle hatte sich gegen Konkurrenz aus Eisenach, Jena, Leipzig und Frankfurt (Oder) durchgesetzt.
200 Millionen Euro für Neubau geplant
Das Zukunftszentrum soll ein gesellschaftlicher Anlaufpunkt für Gesamtdeutschland und Europa werden. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), nennt es eines "der wichtigsten Projekte für die Festigung der Deutschen Einheit und des Zusammenhalts in Europa in den kommenden Jahren". Für den Neubau nach einem Architekturwettbewerb stehen rund 200 Millionen Euro zur Verfügung. Jährlich will der Bund weitere 40 Millionen für den Betrieb geben. Letzterer soll 2028 beginnen.
Halle hatte sich in seiner Bewerbung als Wissenschafts- und Kulturstadt präsentiert. Neben einer guten ICE- und Autobahn-Anbindung sowie dem Flughafen Leipzig-Halle kann man zudem ein größeres Baugrundstück in unmittelbarer Innenstadtnähe bieten. Die Heimatstadt des ehemaligen deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher war zudem ein Zentrum der DDR-Bürgerrechtsbewegung.
Enttäuschung in Frankfurt
Der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), der Linke René Wilke, sprach am Dienstagabend von einer "unverdienten Niederlage". Wilke gratulierte Halle dennoch zur Wahl und sah die Frankfurter Stadtgesellschaft durch die Bewerbung gestärkt. Dem Vernehmen nach fiel die Entscheidung am Ende zwischen Halle und Frankfurt. Die Stadt an der Oder galt lange als Favorit für den Zuschlag, vor allem wegen ihrer Nähe zu Polen und der frühen Unterstützung durch das Land Brandenburg sowie von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.
Gegen Frankfurt sprach am Ende wohl auch die nicht-zentrale Lage. Die "Zeit" berichtete im Vorfeld zudem über Bedenken, das künftige Personal des Zentrums dürfte vor allem aus dem nahen Berlin einpendeln.
Bewerber auch aus Sachsen und Thüringen
Auch in Leipzig sah man sich als Stadt der Friedlichen Revolution von 1989 prädestiniert für die Wahl. Eine Außenstelle, die in der Mitbewerberstadt Plauen entstehen sollte, war im Wettbewerb allerdings nicht vorgesehen. In der boomenden Metropole wäre die Wirkung des Zentrums auf die Stadt möglicherweise geringer als anderswo, hieß es vor der Jury-Sitzung.
Eisenach bewarb sich mit dem Gelände des ehemals volkseigenen Automobilwerks, wo bis 1991 die DDR-Autos der Marke "Wartburg" produziert wurden. Was seitdem passiert ist, verkaufte die Stadt als Transformationserfahrung. Anders als Jena, das als Universitätsstadt für sich warb, hatte Eisenach aber nicht die Unterstützung der Thüringer Landesregierung hinter sich.
Thüringens Ministerpräsident, der Linke Bodo Ramelow, zeigte sich enttäuscht, dass Jena und Eisenach das Nachsehen hatten. Mit der Entscheidung für Halle werde aber "die Metropolregion Halle-Jena-Leipzig weiter gestärkt", so Ramelow gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Ähnlich äußerte sich die Leipziger Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta von den Grünen.