Online-Enzyklopädie Wikipedia geht aus Protest offline
Das deutschsprachige Wikipedia ist heute abgeschaltet - für den ganzen Tag. Der Schritt ist ein Zeichen des Protestes gegen die EU-Urheberrechtsreform und geplante Upload-Filter.
Keinen einzigen deutschen Wikipedia-Artikel können Internetnutzer heute auf der Wikipedia-Homepage lesen. Für die Komplett-Blockade haben sich die ehrenamtlichen Wikipedia-Autoren entschieden - aus Protest gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform.
"Unsere Ablehnung kommt daher, dass uns klar ist, was es bedeutet, wenn sämtliche Äußerungen im Netz, die irgendetwas mit fremden Inhalten tun, erstmal durch Filter laufen und ihre Rechtmäßigkeit belegen müssen, bevor sie erscheinen können", sagt John Weitzmann von Wikimedia-Deutschland. Im Zentrum der Kritik stehen sogenannte Upload-Filter. Das sind Computerprogramme, die vorher prüfen, ob ein Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material hochlädt.
Upload-Filter schüren Befürchtungen
Wikipedia fürchtet, dass sich die geplante EU-Reform des Urheberrechts nur mit Filtern umsetzen lässt. Die seien aber fehleranfällig. "Es würde immer wieder zu 'Overblocking' kommen. Dass Dinge, die eigentlich zulässig gepostet und geteilt werden dürfen, dann auf einmal nicht erscheinen", warnt Weitzmann.
Der Protest gegen Upload-Filter läuft auf Hochtouren. Millionen Unterschriften wurden gesammelt. Tausende Menschen gehen auf die Straßen. Dass der Widerstand in Deutschland besonders groß ist, liegt nach Einschätzung des Internet-Experten Sascha Lobo an der gut organisierten Netzgemeinde. Dazu zählt Lobo auch die YouTube Stars mit ihren Millionen Fans. "Die YouTube-Größen sind manchmal verstörend unpolitisch", sagt Lobo. "Wenn es dann aber wirklich um Dinge geht, die sie betreffen, werden sie auf einmal relativ schnell laut."
Große Koalition in der Kritik
Zum Unmut trägt bei, dass die Bundesregierung keine gute Figur macht. Im Koalitionsvertrag lehnte sie die Upload-Filter klar ab. Der EU-Reform stimmte sie am Ende aber zu. Seitdem verbreitet sich in den sozialen Medien der Hashtag #NiemehrCDU. Auch die SPD wird kritisiert, weil eine SPD-Ministerin die Regierung in Brüssel vertreten hat.
"Justizministerin Katarina Barley meinte vor der letzten Trilog-Verhandlung, dass sie Filter nicht möchte. In den Verhandlungen hat sie dafür gestimmt. Wie glaubwürdig sind diese Sozialdemokraten noch?", fragt die AfD-Digitalpolitikerin Joana Cotar. Auch Linke, Grüne und FDP sind gegen Upload-Filter.
SPD lehnt jüngsten CDU-Vorstoß ab
Vor einigen Tagen zauberten CDU und CSU einen Lösungsvorschlag aus dem Hut. Deutschland solle bei der nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie Upload-Filter verhindern. Durch eine Regel, bei der Plattformen wie YouTube pauschal Lizenzgebühren an Urheber zahlen sollen.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak trieb diese Idee voran. "Wir wollen natürlich Urheberrechte schützen und am Ende aber jetzt auch die Rechte von Nutzern in der digitalen Welt stärken", sagt er.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak verärgert mit dem Unionsvorschlag die SPD.
Upload-Filter ja, aber nicht in Deutschland? Carsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, lehnt das ab. "Ich finde es dreist von der CDU zu sagen 'wir werden es in Deutschland nicht einführen', wenn ihre Abgeordneten im Europäischen Parlament dafür stimmen. Das macht keinen Sinn", sagt Schneider. Die SPD-Spitze will sich für eine europaweite statt nationale Regelung einsetzen, die Upload-Filter verhindert. Bei einem Parteikonvent an diesem Samstag wollen die Sozialdemokraten einen Beschluss dazu fassen. Das würde Änderungen in letzter Minute bedeuten. Die Wikipedia-Autoren und viele andere Netzaktivisten hoffen darauf.
Hinweis der Redaktion: Über die App sind die Wikipedia-Inhalte abrufbar.