Abschaffung von Werkverträgen Höhere Fleischpreise sind "hohle Drohung"
Künftig sollen Werkverträge und Leiharbeit in Schlachtbetrieben verboten sein. Die Branche kritisiert den Beschluss und warnt vor Preissteigerungen - für Minister Heil eine "hohle Drohung".
Werkverträge und Leiharbeit sind künftig in der Fleischindustrie verboten. Mehrere Hersteller drohen deshalb mit höheren Preisen. Die geäußerten Befürchtungen, dass die Fleischpreise durch die beschlossenen Verbote deutlich steigen könnten, hält Arbeitsminister Hubertus Heil für ein "Ammenmärchen" und eine "hohle Drohung" der Industrie. "Anständige Arbeitsbedingungen an sich verteuern das Fleisch nicht", sagte der Minister. Die "Neue Osnabrücker Zeitung" hatte über eine Stellungnahme der Fleischwirtschaft berichtet, in der von einem Anstieg der Verbraucherpreise beim Fleisch um zehn bis 20 Prozent je Kilo und Produkt die Rede war.
Die Bundesregierung hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet und damit auf die Coronavirus-Ausbrüche in Schlachthöfen sowie die allgemein schlechten Arbeitsbedingungen in der Branche reagiert. Man beende damit "die organisierte Verantwortungslosigkeit", sagte Heil und sprach von einem "wichtigen Tag für den Arbeitsschutz in Deutschland".
Kritik der Fleischbranche
Der Zentralverband der Geflügelwirtschaft (ZDG) hatte den Kabinettbeschluss scharf kritisiert. "Was da beschlossen wurde, darf wirklich nicht wahr sein", sagte ZDG-Präsident Otto Ripke der Zeitung. "Es soll viel mehr verboten werden als nur der Einsatz von Werkverträgen. Die Regierung setzt die Fleischproduktion in Deutschland aufs Spiel."
Insbesondere das Verbot der Leiharbeit stößt auf Unverständnis. "Wir brauchen Leiharbeiter, um die hohe Nachfrage zur Grillsaison abzufedern. Das hat mit Werkvertrag nichts zu tun", sagte Ripke. Er appellierte an den Bundestag, das Gesetz so nicht zu verabschieden und kündigte eine "sorgfältige juristische Prüfung" der Beschlüsse an.
"Absichtserklärung ist vorbei"
Beim Schlachten, Zerlegen und in der Fleischverarbeitung dürfen Großbetriebe ab dem kommenden Jahr nur noch eigene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen. Ausgenommen von dem Verbot sind Unternehmen mit höchstens 49 Beschäftigten. "Die Zeit der Selbstverpflichtung und der Absichtserklärung ist damit in dieser Branche vorbei", sagte Arbeitsminister Heil.
Bislang konnten Schlachtbetriebe per Werkvertrag beschäftigen, wobei eine vorher festgelegte Leistung zu erbringen war und Arbeiterinnen und Arbeiter für Mängel haftbar waren. Bei der Leiharbeit wurde die Arbeitsleistung von einem Arbeitnehmer eingekauft und nach Zeit vergütet.
Mehr Kontrollen, bessere Standards
Beides soll nun untersagt werden. Das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz schreibt zudem eine Kontrollquote vor: Ab 2026 soll pro Jahr mindestens jeder 20. Betrieb besucht werden. Die Arbeitszeit muss künftig zudem elektronisch aufgezeichnet werden, um die Kontrollen zu erleichtern. Der Minister verwies auch auf künftige Mindeststandards für die Unterbringung der Beschäftigten, die branchenübergreifend etwa auch für Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft gelten sollen.
Der Gesetzentwurf des Arbeitsministers betrifft eine 40-Milliarden-Euro-Branche. Die neuen Regeln sollen sicherstellen, dass Schlachthofbetreiber die Verantwortung für Missstände nicht länger auf Subunternehmer abwälzen können, die über Werkverträge Arbeitsleistungen erbringen. "Künftig ist der Schlachthofbetreiber für alle Beschäftigten verantwortlich, die in seinem Kerngeschäft arbeiten", sagte Heil.
FDP fordert Kontrolle statt Gesetz, Grüne wollen mehr
Der FDP geht der Beschluss nicht weit genug. Der Bundestagsabgeordnete Carl-Julius Cronenberg meint: Nötig seien nicht neue Gesetze, sondern strengere Kontrollen. "Bei den Kontrollen fehlt mir die Vernetzung der unterschiedlichen Kontrollbehörden - von der Kommune über das Land bis zum Bund, deswegen fordern wir von der FDP da eine Task-Force." Es könne nicht sein, dass Veterinärämter jeden Tag auf die Hygiene beim Fleisch in den Fabriken achteten, aber beim Arbeitsschutz nur alle paar Jahre kontrolliert werde, sagte der FDP-Politiker dem ARD-Hauptstadtstudio.
Grundsätzliche Zustimmung kommt dagegen von den Grünen. "Es ist sehr wichtig, dass es diesen Gesetzentwurf gibt", sagte Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte der Grünen-Bundestagsfraktion. Auch sie plädiert - wie die FDP - für mehr Kontrollen. Der Beschluss ist für sie ein Anfang. "Das ist jetzt ein erster Schritt, der ist notwendig und gut, jetzt in Zeiten von Corona. Aber wir müssen dann weiter gucken und alle Branchen, wo es diese Probleme gibt, ins Visier nehmen."
Die Grünen-Politikerin fordert mehr Arbeitsschutz auch für Beschäftigte in anderen Branchen sowie Festanstellungen, etwa in der Landwirtschaft. Probleme sieht sie auch in der Logistik- und Baubranche mit ihren langen Subunternehmer-Ketten.
Minister ist zuversichtlich
Nach Corona-Ausbrüchen in mehreren Schlachbetrieben in den vergangenen Wochen hatte Arbeitsminister Heil angekündigt: Er werde aufräumen in der Branche. Es gehe um Verantwortung, sagte er kürzlich im Bundestag. Nach mehreren Anläufen für eine Reform sei er nun entschlossen, das Gesetz unbeschadet durch das parlamentarische Verfahren zu bringen.