Debatte über Fleischbetriebe Wie funktionieren Werkverträge?
Die Arbeitsbedingungen in Fleischbetrieben sind schon länger in der Kritik - vor allem wegen der Werkverträge. tagesschau.de erklärt, wie genau dieses Modell funktioniert und was daran so problematisch ist.
Was sind Werkverträge?
Werkverträge werden generell zwischen einem Auftraggeber (Unternehmen oder Privatpersonen) und einem Werkvertragsnehmer geschlossen. Letztere können Privatpersonen sein, zum Beispiel Solo-Selbstständige oder auch Betriebe mit Beschäftigten. Es gibt sie bereits seit dem Jahr 1900. In den 1970er und -80er Jahren sind sie unter dem Begriff "Outsourcing" in den Fokus gerückt, heißt es in einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Entscheidend ist dabei, dass ein Vertrag über eine konkrete, zu erbringende Arbeitsleistung geschlossen wird. Der Werkvertragsnehmer muss diese dann selbstständig organisiert und eigenveratwortlich durchführen. Das kann die Herstellung einer Sache oder auch eine Dienstleistung sein.
Eine besondere Form von Werkverträgen sind solche, bei denen die erbrachte Leistung auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers stattfindet, sogenannte On-Site-Werkverträge. Um die geht es bei den Fleischbetrieben.
Wo ist das Problem?
Sinnvoll können Werkverträge beispielsweise sein, wenn ein Unternehmen seine IT von einem anderen Unternehmen bereitstellen und warten lässt. Dann ist der Werkvertragsnehmer komplett dafür verantwortlich, dass die IT funktioniert, der Werkvertragsgeber muss sich damit überhaupt nicht mehr auseinandersetzen.
"Problematisch ist ein Werkvertrag dann, wenn die Mitarbeiter vollständig in die laufende Produktion eines Betriebs eingebunden sind", sagt Johannes Jakob vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) im Gespräch mit tagesschau.de. "Dann können Mitarbeiter des Werkvertragsnehmers gar nicht eigenständig entscheiden und selbst verantwortlich handeln, wie es für einen Werkvertrag gefordert ist."
Wenn beispielsweise ein Autobauer sich die Reifen von einem Fremdunternehmen nicht nur anliefern lässt, sondern auch montieren, kann das dazu führen, dass in der Produktionshalle Arbeiter nebeneinanderstehen, die mitunter die gleiche oder ganz ähnliche Arbeit machen, aber zu schlechteren Bedingungen. Weil das Fremdunternehmen beispielsweise keinen Tarifvertrag und keinen Betriebsrat hat und deswegen schlechter zahlt und die Arbeitnehmer länger arbeiten lässt.
Ist das nicht das gleiche wie bei der Leiharbeit?
Während bei Werkvertrag sozusagen ein Ergebnis eingekauft wird, werden bei der Leiharbeit Arbeitnehmer entliehen, die ihre Arbeitsleistung zur Verfügung stellen. Der Auftraggeber ist ihnen gegenüber weisungsbefugt, sie arbeiten quasi wie ein eigener Arbeitnehmer und haften beispielsweise auch nicht für Mängel.
Beim Werkvertrag hingegen sollte es eigentlich getrennte Arbeitsabläufe geben, der Werkvertragsnehmer haftet für Mängel und die Arbeitsleistung als Ganzes wird vergütet. Bei der Leiharbeit wird die Arbeitsleistung nach Zeit abgerechnet.
Was ist die Besonderheit in der Fleischindustrie?
In großen Teilen der Fleischindustrie ist laut DGB fast die gesamte Produktion über Werkverträge an sogenannte Subunternehmen ausgegliedert. Eine Firma übernimmt beispielsweise das Schlachten, eine andere das Zerlegen. "Dadurch können sich die Schlachthöfe vollkommen ihrer Verantwortung für die Arbeitsbedingungen entziehen", sagt Jakob. Selbst wenn die Subunternehmen formal einen Mindestlohn vereinbart haben, sei schwer zu kontrollieren, ob die Arbeitnehmer den auch bekämen oder nicht doch viel mehr dafür arbeiten müssten. Gleiches gelte für Gesundheitsschutz und Arbeitsschutz. Weil die Subunternehmen ihre eigenen Regeln machen.
Zudem, so Jakob, würden von den Subunternehmen hauptsächlich Arbeitnehmer aus Osteuropa angeheuert, die oft weder die deutsche Sprache beherrschten noch über ihre Rechte Bescheid wüssten. "So ist der Ausbeutung Tür und Tor geöffnet", sagt er.
Was muss sich ändern?
Nach Einschätzung des DGB sind diese Werkverträge wie in der Fleischindustrie auch heute schon nicht rechtens, weil das Werkunternehmen nicht eigenständig handeln kann, sondern vollständig in eine fremdbestimmte Produktion eingebunden ist. Allerdings ist die ist die Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Leiharbeit im Detail sehr kompliziert, es gibt rechtliche Grauzonen. "Deshalb braucht es hier eine Klarstellung durch den Gesetzgeber", sagt Jakob.
Der DGB fordert darüber hinaus, dass bei missbräuchlichem Werkvertrag, ein reguläres Beschäftigungsverhältnis entstehen muss. Das hätte zur Folge, dass rückwirkend Löhne und Sozialabgaben gezahlt werden müssten. Auch sollten Subunternehmerketten begrenzt werden, so dass die Arbeit nicht beliebig an weitere Subunternehmen ausgelagert werden kann.
Die Corona-Fälle in Schlachtbetrieben setzte die Bundesregierung unter Handlungsdruck. Das Kabinett beschloss Eckpunkte für Neuregelungen, um problematische Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen zu unterbinden. Kern ist ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen zum 1. Januar 2021 - also dass die komplette Ausführung von Arbeiten bei Subunternehmern eingekauft wird.
Wie verbreitet sind Werkverträge?
Werkverträge sind weit verbreitet. Fast 90 Prozent aller deutschen Unternehmen lagern mindestens einen Kernprozess mittels Werkvertrag aus, heißt es in einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
Es gibt sie in allen Wirtschaftsbereichen: im Verarbeitenden Gewerbe, im Dienstleistungssektor und in der Öffentlichen Verwaltung. Die Leistungen umfassen Reinigung, Grünanlagenpflege, Kantinenbetrieb, Lager, Transport, Instandhaltungen, Erstellung von Studien und vieles mehr.
Laut IAB-Studie aus dem Jahr 2016 liegen die höchsten Anteile von Beschäftigen im Rahmen von On-Site-Werkverträgen im Bereich Ernährung/Textil/Bekleidung/Möbel, aber auch im Baugewerbe und im Bereich Information und Kommunikation.