Ostbeauftragter Wanderwitz "CDU ist als Ganzes eine Werteunion"
Der neue Ostbeauftragte Wanderwitz fordert, dass sich die Mitglieder der Werteunion stärker in die eigentliche Parteiarbeit der CDU einbringen. Im tagesschau24-Interview plädiert er zudem für eine Expertenregierung in Thüringen.
tagesschau24: Herr Wanderwitz, warum brauchen wir 30 Jahre nach der Wende überhaupt noch einen Ostbeauftragten?
Marco Wanderwitz: Weil es immer noch viele politische Aufgabenstellungen gibt, die ihre Spezifika in den neuen Bundesländern haben und teilweise aus Zeiten der ehemaligen DDR herrühren. Es gibt aber auch neue Herausforderungen wie etwa den Strukturwandel. Und ich glaube, es ist gut, wenn es weiterhin einen Brücken-Verstärker zwischen den alten und den neuen Bundesländern gibt.
tagesschau24: Sind die Mentalitätsunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen noch zu groß?
Wanderwitz: Es gibt sie zumindest noch. Das hat auch damit zu tun, dass wir immer noch nicht so selbstverständlich miteinander im Gespräch sind, wie ich mir das wünschen würde. In den jüngeren Generationen ist das weniger ausgeprägt. Es gibt noch gut zu diskutieren - und zu tun.
tagesschau24: Wenn Sie an die vergangene Woche in Thüringen denken, werden Sie sich in ihrer Rolle als Ostbeauftragter stärker bei den ostdeutschen CDU-Landesverbänden einmischen?
Wanderwitz: Das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder ist kein parteipolitisches, sondern ein Regierungsamt. Insofern bin ich zu einer gewissen Neutralität verpflichtet. Ich bin aber auch Mitglied des Bundesvorstands meiner Partei. Und da habe ich natürlich ein Interesse, mit den Landesverbänden in den neuen Bundesländern auch das Gespräch zu halten und zu suchen.
tagesschau24: Wie kann die CDU im Osten von der AfD wieder Stimmen zurückgewinnen? Muss sie sich Ihrer Meinung nach stärker Richtung rechts öffnen?
Wanderwitz: Ich glaube, wir sind gut beraten, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse nach links wie rechts einzuhalten. Wir sind gut beraten, uns mit beiden Beinen in der demokratischen Mitte des Parteienspektrums aufzustellen, klar abzugrenzen und klar zu sagen, wie das in Sachsen beispielsweise Ministerpräsident Michael Kretschmer gemacht hat: Mit uns wird es keine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit der AfD geben.
tagesschau24: In der CDU gibt es ja auch Forderungen nach einer stärkeren Abgrenzung zur Werteunion. Teilen Sie die?
Wanderwitz: Ich persönlich bin beispielsweise bei mir zuhause im Kreisverband Zwickau mit unserem örtlichen Werteunions-Vorsitzenden und seinen Mitstreitern gut im Gespräch. Wir sind nicht immer einer Meinung. Aber wir sind einer Meinung, dass wir gemeinsam Mitglieder der Christlich Demokratischen Union sind, dass wir die Werte dieser Partei teilen und auch eine klare Abgrenzung am rechten Rand haben. Insofern hoffe ich, dass wir zu genau dieser Zusammenarbeit innerhalb von CDU-Mitgliedern wieder ein Stück weit mehr auch in ganz Deutschland finden können.
tagesschau24: Halten Sie überhaupt eine Werteunion innerhalb der Union für nötig?
Wanderwitz: Ich halte es da mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans, dass die CDU ja als Ganzes eine Werteunion ist - nämlich eine Partei, die auf Grundwerten basiert, die wir alle Mitglieder teilen. Ich bin nicht der Meinung, dass es weiterer Spezifizierung, neuer Vereinigung oder dergleichen zu den bereits bestehenden braucht. Insofern wäre es aus meiner Sicht schön, wenn die Mitglieder der Werteunion sich noch stärker in die eigentliche Parteiarbeit einbringen würden und weniger in ihrem neuen gefundenen Gremium die Arbeit suchen.
tagesschau24: Halten Sie das No-Go, das die Linkspartei betrifft, überhaupt noch für zeitgemäß?
Wanderwitz: Absolut. Und zwar aus zwei Gründen. Zum einen ist es so, dass nach wie vor die Linkspartei trotz diverser Namenswechsel die direkte Nachfolgeorganisation der SED ist und auch in nicht kleinen Teilen noch aus denselben Leuten besteht. Und eben nicht nur aus "einfachen Mitgliedern", sondern auch aus Funktionären, die in der DDR, einer Diktatur, staatstragend waren und sich teilweise persönlich schuldig gemacht haben, die bei der Stasi beispielsweise gespitzelt und Menschen geschadet haben.
Ich habe bei mir zuhause in meinem Wahlkreis ein berüchtigtes Zuchthaus, in dem politisch Andersdenkende eingeknechtet wurden. Das alles ist immer noch in der Linkspartei enthalten. Und zum anderen gibt es auch ganz aktuelle politische Forderungen der Partei, die an den Rand unseres Verfassungsbogens gehen und von denen wir uns klar abgrenzen müssen.
tagesschau24: Aber Linke ist nicht überall gleich Linke. Gerade Bodo Ramelow in Thüringen gilt als recht gemäßigt. Macht das für Sie keinen Unterschied?
Wanderwitz: Sicherlich ist Bodo Ramelow, der ja gelernter Sozialdemokrat ist, kein typischer Linksausleger innerhalb der Linken und hat auch keine persönliche DDR-Biografie. Aber es geht ja nicht darum, den König von Thüringen zu küren, sondern es geht darum, den Ministerpräsidenten - ein hohes Staatsamt - zu wählen. Und da ist eine Trennung der Person Bodo Ramelow von beispielsweise seiner Landtagsfraktion und der ihn tragenden Linkspartei nicht so einfach möglich.
tagesschau24: Wie kann dann eine Lösung für Thüringen aussehen?
Wanderwitz: Die Lösung hat unter anderem Ministerpräsident Michael Kretschmer ins Spiel gebracht. Das Verlassen der eingetretenen Wege ist vielleicht keine schlechte Lösung. Man findet überparteiliche Experten, die so eine Regierung tragen können. Wie lange das dann trägt, wird sich zeigen. Besser wäre natürlich, wenn Wahlergebnisse zustande kämen, in denen andere Konstellationen möglich sind.
tagesschau24: Wie soll die CDU künftig Mehrheiten finden oder auch regieren? Bleibt dann nur die Opposition?
Wanderwitz: Es geht natürlich darum, mit unserer Programmatik und den personellen Angeboten Mehrheiten zu finden. In Sachsen ist uns das recht gut gelungen. Da haben wir zwar im Verhältnis zur letzten Landtagswahl Prozente verloren, aber 50.000 Wählerstimmen gewonnen. Michael Kretschmer war der Wunschkandidat der allermeisten Sächsinnen und Sachsen. Und deswegen konnten wir eine Regierung gemeinsam mit SPD und Grünen bilden, die sich viel vorgenommen hat. Wenn es anders ausgeht wie beispielsweise jetzt in Thüringen, muss man auch klar anerkennen, dass das jedenfalls kein Regierungsauftrag für die CDU dort ist.
Das Interview führte Kirsten Gerhard. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert und gekürzt. Die vollständige Fassung finden Sie als Video auf dieser Seite.