Debatte über Lieferungen Schwere Waffen für die Ukraine?
Die Rufe nach der Lieferung schwerer Waffen für die Ukraine werden lauter - auch in den Ampel-Parteien. Was bisher geschickt wurde, was jetzt gefordert wird und warum Kanzler Scholz unter Druck gerät - Antworten auf wichtige Fragen.
Welche Waffen wurden bisher geliefert?
Deutschland hat sich kurz nach Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine für Waffenlieferungen entschieden - obwohl nach den Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung Lieferungen in Krisengebiete eigentlich untersagt sind. Genaue Angaben zu den deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine gibt es von offizieller Seite aber nicht. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte immer wieder die strikte Geheimhaltung betont und dabei auf Sicherheitsgründe verwiesen.
Einiges ist aber aus Medienberichten und durch ukrainische Angaben bekannt. So hat Deutschland nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aus ukrainischen Regierungskreisen Luftabwehrraketen vom Typ "Strela" und vom Typ "Stinger" geliefert. Außerdem wurden Panzerfäuste, Maschinengewehre sowie Schutzhelme, kugelsichere Schutzwesten und Nachtsichtgeräte geliefert. Die Lieferung von schweren Waffen wie Panzer, Kampfflugzeugen oder Kriegsschiffen kam bisher aber nicht infrage.
Bekannt ist auch das ungefähre Volumen der Lieferungen. Bis Ende März hat die Bundesregierung nach Angaben des Wirtschaftsministeriums Rüstungslieferungen im Wert von 186 Millionen Euro für die Ukraine genehmigt.
Was fordert die Ukraine?
Seit Wochen betont die Ukraine, wie sehr sie auf Waffenlieferungen angewiesen ist - auch aus Deutschland. In seiner nächtlichen Videoansprache forderte Präsident Wolodymyr Selenskyj zuletzt schwere Waffen für den Kampf um die von russischen Kräften fast eroberte Stadt Mariupol. Er sei zwar sicher, dass die Ukraine irgendwann die Waffen bekommen werde, die sie brauche. "Aber nicht nur Zeit geht verloren, sondern auch das Leben von Ukrainern." Dafür seien diejenigen verantwortlich, die nicht jetzt die Waffen lieferten.
Vehement hatte auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba beim NATO-Treffen vergangene Woche mehr Waffenlieferungen gefordert und erneut die deutsche Bundesregierung kritisiert. Deutschland könne "angesichts seiner Reserven und Kapazitäten" mehr machen. Doch die Verfahren und die Entscheidungsfindung dauerten zu lang. "Während Berlin Zeit hat, hat Kiew keine", warnte Kuleba.
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hatte am Wochenende die sofortige Lieferung von Leopard-Kampfpanzern, Marder-Schützenpanzern, Panzerhaubitzen 2000 und Artillerieortungsgeräten vom Typ Cobra aus den Beständen der Bundeswehr gefordert.
Wie ist die Haltung der Bundesregierung?
Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock ist für die Lieferung schwerer Waffen wie Panzer, Kampfjets, Kriegsschiffe oder Artilleriegeschütze an Kiew. Auch der für den Export zuständige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will schnelle zusätzliche Waffenlieferungen. Der Grünen-Politiker betonte, es gehe darum, der Ukraine in einer "unmittelbaren Gefahrensituation" zu helfen.
Aus Sicht von Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) ist es jedoch mittlerweile kaum möglich, die Ukraine aus Bundeswehr-Beständen mit Waffen und Material zu versorgen, ohne die deutsche Verteidigungsfähigkeit zu gefährden. Und Bundeskanzler Olaf Scholz gibt sich in der Frage weiterhin zurückhaltend. Am Montag sagte der SPD-Politiker, Deutschland habe bereits Waffen geliefert und werde das auch weiter tun. Darüber hinaus werde man sich in der EU weiter absprechen. "Da wird es keine Alleingänge geben." Er strebe ein "sorgfältig abgewogenes Handeln" an.
Warum wird die Bundesregierung kritisiert?
Wegen dieser Haltung gerät Scholz zunehmend unter Druck - auch in den Reihen der Ampel-Parteien. So sprach sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), für eine mögliche Lieferung schwerer Waffen aus. Auch der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, kritisierte die Bundesregierung wegen ausbleibender Lieferung schwerer Waffen.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), befürwortet ebenfalls die Lieferung schwerer Waffen. Sie verweist aber darauf, dass es mit der Lieferung nicht getan sei. Ukrainische Streitkräfte müssten diese Waffen auch bedienen können. Sie schlägt deshalb im Gespräch mit dem "Spiegel" vor, die Ukraine mit russisch-sowjetischen Waffen aus den Beständen osteuropäischer NATO-Mitglieder zu versorgen, mit denen ihre Soldaten vertraut seien.
Auch aus der Opposition kommt Kritik, vor allem an Scholz und Lambrecht. CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte mit Blick auf die Forderung Kiews nach schweren Waffen, die Bundesregierung solle alle Schritte unternehmen, um der Ukraine zu helfen. Die Regierung könne "noch zügiger und schneller agieren". Er habe den Eindruck, dass die Zusagen der Bundesregierung gegenüber der Ukraine noch nicht vollständig umgesetzt seien. Auch dass Scholz, im Gegensatz zu anderen europäischen Regierungschefs, noch nicht nach Kiew gereist ist, wird kritisiert.
Welche Lieferungen stehen nun im Raum?
Das Rüstungsunternehmen Rheinmetall will Leopard-1-Panzer in die Ukraine schicken. Dabei geht es um ältere Modelle, die ausgemustert und schon vor längerer Zeit von der Firma zurückgenommen wurden. Die Panzer sollen überprüft und auf Vordermann gebracht werden. Die Lieferung würde nach den Worten von Manager Papperger in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten über die italienische Rheinmetall-Tochter erfolgen. Ukrainische Soldaten könnten dem Firmenchef zufolge recht schnell geschult werden, damit sie bereit wären für den Einsatz.
Rheinmetall hat auch ausgemusterte Schützenpanzer vom Typ Marder. Das Düsseldorfer Unternehmen hat in Aussicht gestellt, 70 Exemplare davon innerhalb von sechs bis acht Monaten liefern zu können. Die ersten zehn könnten schon binnen fünf Wochen auf den Weg geschickt werden, heißt es von Rheinmetall.
Wer entscheidet über Waffenexporte?
Der Export von Rüstungsgütern muss von der Bundesregierung genehmigt werden. Über Anträge auf Ausfuhren von Kriegswaffen entscheidet in der Regel das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Verteidigung. Für andere Rüstungsgüter ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zuständig.
Bei unterschiedlichen Auffassungen der beteiligten Ressorts oder in besonders bedeutsamen Fällen entscheidet der Bundessicherheitsrat über Ausfuhrgenehmigungen. Der Bundessicherheitsrat ist ein Ausschuss des Bundeskabinetts. Ständige Mitglieder sind neben dem Bundeskanzler und dem Chef des Bundeskanzleramts die Bundesminister und Bundesministerinnen des Äußeren, der Finanzen, des Inneren, der Justiz, der Verteidigung, der für Wirtschaft und Energie sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Sitzungen, die vom Bundeskanzler geleitet werden, sind geheim.