Abgas-Skandal bei Volkswagen Ermittlungen gegen Ex-Konzernchef Winterkorn
Lange sah es so aus, als ob der zurückgetretene VW-Chef Winterkorn davonkommen würde: Doch nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig im Abgas-Skandal gegen Winterkorn: wegen des Verdachts der Marktmanipulation. Nach dpa-Informationen ebenfalls im Visier der Ermittler: VW-Marken-Chef Diess.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt im Abgas-Skandal wegen des Verdachts der Marktmanipulation gegen den zurückgetretenen VW-Konzernchef Martin Winterkorn. Das teilte die Behörde in Braunschweig mit. Zudem stehe eine weitere Person im Fokus, zu deren Identität die Staatsanwaltschaft aber keine Angaben machte.
Finanzwelt zu spät informiert?
Bei den Ermittlungen gehe es um den Vorwurf, dass Volkswagen die Finanzwelt womöglich zu spät über die Affäre informiert habe. Die entsprechende Ad-hoc-Mitteilung des Konzerns zu der Betrugs-Software in Dieselfahrzeugen und den damit zu erwartenden Folgekosten war am 22. September 2015 veröffentlicht worden. In der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft heißt es dazu: "Es bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass diese Pflicht zu einer Mitteilung über die zu erwartenden erheblichen finanziellen Verluste des Konzerns bereits zu einem früheren Zeitpunkt bestanden haben könnte." Dieser Anfangsverdacht richte sich auch gegen ein weiteres damaliges Vorstandsmitglied, erklärte die Anklagebehörde.
Oft reichen Kleinigkeiten, um Aktienkurse nach oben oder unten zu treiben und dadurch womöglich Milliarden an Wertverlusten auszulösen. Deshalb ist es verboten, gezielt falsche Informationen etwa über Risiken, Gewinn oder Verlust eines Unternehmens zu verbreiten - oder solche Dinge erst mit gezielter Verspätung zu nennen.
Wer bewusst etwas verschweigt, das den Börsen- oder Marktpreis beeinflussen könnte, macht sich ebenfalls strafbar. Geregelt ist das im Wertpapierhandelsgesetz - konkret im Paragrafen 20a, der das Verbot der Marktmanipulation behandelt. Manipulationen, die nachweislich auf den Börsen- oder Marktpreis eingewirkt haben, können mit mehreren Jahren Freiheits- oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Ermittlungen gegen zweiten VW-Manager
Neben Winterkorn steht laut der Nachrichtenagentur dpa auch der aktuelle VW-Markenchef Herbert Diess im Fokus der Ermittler. Das erfuhr die Agentur aus mehreren voneinander unabhängigen Quellen. Das konnte die Staatsanwaltschaft wegen der Persönlichkeitsrechte nicht bestätigen. Ein Sprecher des Unternehmens wollte sich dazu zunächst nicht äußern. Diess lenkt die Pkw-Kernmarke um Golf und Passat seit Juli 2015. Der ehemalige BMW-Vorstand verantwortete als Chef der Kernmarke auch das VW-Geschäft in den USA, wo die Abgas-Affäre ihren Lauf nahm.
Ziehe sagte, er könne noch nicht absehen, wie lange das Ermittlungsverfahren dauere. "Wir müssen die Beteiligten jetzt natürlich anhören und weitere Zeugen vernehmen", sagte er. Die Staatsanwaltschaft betonte: "Ob sich der genannte Anfangsverdacht verdichtet oder entkräften lässt, hängt von dem Ergebnis der erforderlichen weiteren Ermittlungen ab." Es gelte die Unschuldsvermutung.
Will auch VW Winterkorn haftbar machen?
Doch möglicherweise droht Winterkorn noch zusätzlicher Ärger - und zwar von Volkswagen selbst: In der Aufarbeitung der Abgasaffäre hat der VW-Aufsichtsrat laut "Handelsblatt" Verhandlungen mit dem früheren Vorstandschef aufgenommen. Dabei gehe es um die Frage, ob und wieviel Winterkorn vom Schaden durch den Dieselskandal tragen müsse, berichtet das "Handelsblatt" unter Berufung auf Aufsichtsratskreise.
VW dementiert den Zeitungsbericht: Die Aussage, dass "hinter den Kulissen bereits Verhandlungen" liefen, wie viel Geld Winterkorn selbst zahlen müsse, entbehre "jeglicher Grundlage". Doch wenn zutrifft, dass der Ex-Konzernchef frühzeitig über die Manipulation der Abgaswerte informiert war oder hätte informiert sein müssen, trifft ihn ein sogenanntes Organisationsverschulden. Gesetzlich ist demnach festgeschrieben, dass Vorstände bei einem Managerhaftpflichtschaden mindestens das 1,5-fache des fixen Jahresgehalts selbst tragen müssen.
Trotz "Dieselgate" noch 7,3 Millionen Euro
Auf Winterkorn könnten damit Forderungen in Millionenhöhe zukommen. 2014 hatte er noch knapp 15,9 Millionen Euro verdient, 2015 trotz "Dieselgate" immer noch 7,3 Millionen. Als Festgehalt soll er damals 1,4 Millionen Euro bekommen haben. Bislang hat Winterkorn jegliches Fehlverhalten bestritten.
Die Staatsanwaltschaft in Braunschweig ermittelt wegen der Abgasaffäre bereits seit Ende September unter anderem wegen möglichen Betrugs. Sie ermittelt darüber hinaus seit einigen Wochen auch gegen einen nicht näher identifizierten VW-Mitarbeiter wegen des Verdachts, er habe intern die Unterdrückung von wichtigen Beweisen in Auftrag gegeben.