Personalie von der Leyen Entrüstung über Nominierung
Die Reaktionen in der Opposition auf die Personalie von der Leyen sind deutlich: Unverhohlen kritisieren sie die Nominierung als EU-Kommissionspräsidentin. Auch in der SPD herrscht Ablehnung.
Eigentlich ist es eher ungewöhnlich, dass sich der Bundespräsident zu aktuellen politischen Fragen äußert - zudem bei einer Pressekonferenz mit seinem irischen Amtskollegen. Doch Frank-Walter Steinmeier war es offensichtlich ein Anliegen, sich zur Personalie Ursula von der Leyen zu Wort zu melden.
Seine Antwort auf die Frage einer Journalistin zum Postenpoker der Staats- und Regierungschefs im europäischen Rat dauerte am Ende fast fünf Minuten. Erst machte er deutlich, dass es auch ihm nicht gefällt, dass der Rat keinen der Europawahl-Spitzenkandidaten für den Chefposten der EU-Kommission nominiert hat. "Die Erwartung von Menschen ist natürlich, dass Personalentscheidungen die Ergebnisse von Wahlen reflektieren", sagte er.
Allerdings erklärt der Bundespräsident daraufhin, dass er es nicht für sinnvoll hält, nun die Personalie von der Leyen weiter zur Diskussion zu stellen. "Was wir uns jedenfalls nicht leisten können, ist, dass wir jetzt in einen sehr langen, unübersehbaren interinstitutionellen Konflikt zwischen Europäischem Rat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament hineinkommen", warnt Steinmeier, "der uns dann wieder über Wochen und Monate lähmt." Es klingt, als wolle er damit auch ein Signal in Richtung SPD senden, in Richtung der Partei, für die er schon einmal Kanzlerkandidat war.
Gabriel: Grund, die Regierung zu verlassen
Viele Genossen sind sauer über das Vorgehen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie äußern ihren Unmut auch öffentlich. Am lautesten ist schon am Morgen der ehemalige SPD-Parteichef Sigmar Gabriel: "Wenn Merkel von der Leyen ohne Kabinettsbeschluss benennt, ist das ein klarer Verstoß gegen die Regeln der Bundesregierung - und ein Grund, die Regierung zu verlassen", zitiert ihn "Spiegel Online". Der Vorwurf: Die Kanzlerin hätte die deutsche Kandidatin von der Leyen nur dann ins Rennen schicken dürfen, wenn der Koalitionspartner zustimmt. Doch die SPD hält die Absage ans Spitzenkandidaten-Prinzip nach wie vor für falsch.
So musste sich Merkel in der Abstimmung im Europäischen Rat enthalten, um keinen Koalitionsstreit hervorzurufen. Im Koalitionsvertrag sei es genau so vereinbart, wenn Union und SPD sich in einer Frage uneins sind, sagt die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer im Interview für die tagesschau. Einen "beispiellosen Akt der politischen Trickserei" (Gabriel) sieht sie nicht. Merkel habe sich an Absprachen gehalten, kein Grund, die GroKo platzen zu lassen. Aber auch Dreyer macht noch einmal deutlich: "Es geht nicht um Frau von der Leyen, sondern es geht um die Frage, dass eben kein Spitzenkandidat nominiert worden ist. Und das wäre das Prinzip, das uns wichtig ist."
Scharfe Reaktionen
Tatsächlich wird es dem Wähler nur schwer zu erklären sein, wie erst ein großer Spitzenkandidaten-Wahlkampf zur Europawahl aufgezogen wird und sich am Ende doch hinter verschlossenen Türen ein ganz neuer Name durchsetzt.
Die Opposition schlägt genau in diese Kerbe: "Wir sind enttäuscht darüber, dass sich der Rat nicht auf eine Kandidatin hat einigen können, die sich schon vorher dafür auch beworben hat. Das ist wirklich schade", so Franziska Brantner, die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, gegenüber der tagesschau.
Beatrix von Storch von der AfD formuliert es noch schärfer: "Das Modell Spitzenkandidat ist ad absurdum geführt. Man hat versucht, Demokratie zu spielen und ist wieder gescheitert."
Deutlich enttäuscht darüber, wie zwischen den EU-Regierungschefs verhandelt worden ist, zeigt sich auch CSU-Chef Markus Söder. Natürlich hätte er seinen Parteikollegen Manfred Weber gerne als Kommissionschef in Brüssel gesehen - einen der ursprünglichen Spitzenkandidaten. Das Verhalten der Sozialdemokraten kann er aber trotzdem überhaupt nicht nachvollziehen. "Dass die SPD dafür sorgt, dass Deutschland als einziges Land im Rat nicht für Deutschland sein kann, ist ein einzigartiger Fall in der Geschichte der Bundesrepublik und eine echte Belastung für diese Koalition", sagt er. Am Ende sei die Nominierung von von der Leyen ein schlechtes Zeichen an die Wähler, immerhin da ist er sich mit der SPD einig.
Abstimmung im EU-Parlament in zwei Wochen
In der CDU suchen sie derweil schon nach geeigneten Nachfolgern für den Posten des Bundesverteidigungsministers - keine ganz einfache Aufgabe. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat schon abgelehnt. Berateraffäre oder Gorch Fock - auch sie wird wissen, welche großen Probleme die Bundeswehr umtreibt.
So sind in Berlin die CDU-Verteidigungsexperten Johann Wadephul und Henning Otte für die Nachfolge von der Leyens im Gespräch, auch Ex-CDU-Generalsekretär und Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber könnte Chancen haben. Und sogar Gesundheitsminister Jens Spahn scheint nicht abgeneigt, das Ressort zu wechseln.
Das wiederum könnte größere Kabinettsumbildungen nach sich ziehen. Allerdings sind es noch zwei Wochen, bis das Europäische Parlament darüber entscheidet, ob von der Leyen ihren neuen Job antreten darf. Da der Ausgang dieser Abstimmung derzeit nicht festzustehen scheint, gibt es auch keinen Grund, voreilig einen neuen Minister zu benennen.