Wahlrechtsreform Union einigt sich auf den letzten Metern
In letzter Minute hat die Union ihrem Fraktionschef Brinkhaus bei der Wahlrechtsreform ein Mandat erteilt. Dieser verwirft seine Idee, Wahlkreise zu reduzieren und Mandate zu kappen. Stattdessen soll es die große Reform geben.
Am Morgen war er noch angezählt. Der Unionsfraktionschef, von den eigenen Leuten öffentlich an den Pranger gestellt. 36 Abgeordnete hatten Ralph Brinkhaus einen "bösen" Brief geschrieben. Sein Vorschlag zur Wahlrechtsreform abgeschmettert, das Urteil vernichtend. Das sei die "schlechteste aller denkbaren Varianten", "eine Katastrophe", "eine Pervertierung des Wahlrechts". Kurzum - eine Schwächung der Demokratie. "Und dafür sollten wir als Unionsfraktion nicht auch noch den Finger heben", heißt es in dem Schreiben.
Am Abend hat die Fraktion dann doch den Finger gehoben und Brinkhaus ein Verhandlungsmandat erteilt, für ein Kompromissmodell mit der SPD. Brinkhaus verzichtet auf seinen Vorschlag, Wahlkreise zu reduzieren und Mandate zu kappen. Stattdessen soll es jetzt eine große Reform geben, die Wahlkreise von 299 auf 280 reduziert werden, plus sieben Überhangmandate, die nicht ausgeglichen werden. Und das Ganze, wenn möglich, schon jetzt und nicht erst 2025.
Die Fraktion folgt, weil sie muss
Dafür hatte Brinkhaus auch in der Fraktion geworben. Sein eigener Vorschlag nur der Türöffner, um die leidige Debatte endlich zu beenden und die CSU aus der Reserve zu locken? Drei Stunden lang haben sie darüber diskutiert, mehr als 50 Redner, statt Schelte plötzlich Lob für den Fraktionschef. Er habe Mut bewiesen, das Thema voranzutreiben. Taktik aufgegangen?
Zumindest folgt ihm die Unionsfraktion, wohl auch, weil sie müssen. Das Thema ist politisch aufgeladen. Bei CDU und CSU haben sie erkannt, dass das im Wahljahr mit ihnen nach Hause gehen könnte. Einige Abgeordnete warnen vor einer Spaltung des Landes, gerade in der Corona-Krise hätten viele Menschen Existenzsorgen. Ein Signal sei wichtig. Wenn man nichts mache, werde man große Probleme bekommen. Es geht um die Akzeptanz beim Wähler. In zweierlei Hinsicht. Die Erststimme ist ein hohes Gut. Der Wähler will sehen, dass sein direkt gewählter Abgeordneter auch im Parlament vertreten ist. Aber, ein riesiges Parlament will auch niemand haben. Noch mehr Abgeordnete, noch mehr Personal, noch teurer?
Opposition: Einigung kommt zu spät
Der CSU-Landesgruppenchef, Alexander Dobrindt, merkt das auch in der Sitzung an, wie Teilnehmer berichten. "Es geht um mehr als die nächste Wahl. Der Umgang mit unserem Wahlrecht hat große Auswirkungen auf das Empfinden unserer Bürger." Dem wollen sie jetzt nachkommen. Eine späte Einigung, zu spät, sagt die Opposition. Man könne ein Jahr vor der Bundestagswahl kaum noch etwas ernsthaft ändern.
Auch der Koalitionspartner, die SPD, hat Zweifel daran. Dennoch haben die Sozialdemokraten jetzt wohl oder übel den "Schwarzen Peter". Jetzt drückt die Union auf die Tube. Noch diese Woche will man verhandeln, am liebsten gleich. Denn, wenn die Große Koalition sich nicht einigt, schlägt die Stunde der Opposition. Die will am Freitag ihren eigenen Vorschlag durchs Parlament bringen, eine sehr viel deutlichere Reduzierung der Wahlkreise, statt 19 sogar 49 weniger. Dazwischen liegen Welten. Die Große Koalition braucht zwar die Zustimmung der Opposition nicht, zum guten Ton gehört es bei einer Wahlrechtsänderung aber schon.