Tief "Emmelinde" Verletzte nach schwerem Unwetter
Mit Wucht ist das Sturmtief "Emmelinde" über Deutschland gezogen. Besonders in Nordrhein-Westfalen sind die Schäden groß, hier gab es mutmaßlich Tornados. Am Samstag soll sich die Lage laut DWD erst einmal beruhigen.
Mit Blitz, Donner und heftigem Regen sind von Westen her die für weite Teile Deutschlands erwarteten Unwetter aufgezogen. Die durch Tief "Emmelinde" bedingten Gewitter trafen zuerst Nordrhein-Westfalen.
In Paderborn seien 30 bis 40 Menschen verletzt worden, "davon zehn schwer", sagte ein Sprecher der Kreispolizei. Demnach zog "eine Windhose quer durch die Stadt" und verursachte millionenschwere Schäden. Die Polizei sprach von einer "Schneise der Verwüstung". In einem Gewerbegebiet seien Dächer von Hallen gerissen worden. Bleche, Dämmung und andere Materialien seien kilometerweit geflogen.
Im gesamten Kreisgebiet kam es den Angaben zufolge zu schweren Schäden, unzählige Dächer wurden abgedeckt, zahlreiche Bäume entwurzelt. Der öffentliche Nahverkehr inklusive der Bahn war schwer beeinträchtigt. Die Polizei forderte die Menschen auf, möglichst zu Hause zu bleiben.
Schwere Schäden auch in Lippstadt
Auch durch Lippstadt zog mutmaßlich ein Tornado. Es habe schwere Schäden im gesamten Stadtgebiet gegeben, sagte ein Feuerwehrsprecher. Zahlreiche Dächer seien abgedeckt worden und Bäume auf Autos gestürzt. Verletzte oder gar Tote wurden aus Lippstadt zunächst nicht gemeldet.
Im Lippstädter Freizeitbad Cabrioli wurden zeitweise etwa 120 Badegäste eingeschlossen, weil umgestürzte Bäume den Eingang blockierten. Später seien die Eingeschlossenen befreit worden, berichtete die Feuerwehr. Im Ortsteil Hellinghausen sei durch den Sturm die Spitze einer Kirche heruntergestürzt. Etwa 200 bis 300 Kräfte der Feuerwehr seien im Einsatz.
Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums sagte, neben Paderborn und Lippstadt seien keine weiteren Orte bekannt, die es ähnlich hart getroffen habe.
"Bleiben Sie bitte zu Hause"
NRW-Innenminister Herbert Reul rief die Bevölkerung zu besonderer Vorsicht auf: "Bleiben Sie bitte zu Hause. Vermeiden Sie Aufenthalte im Freien", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Schon vor Beginn der Unwetter wurden in Nordrhein-Westfalen Veranstaltungen vorsichtshalber abgesagt.
Im Regierungsbezirk Köln endete der Schulunterricht nach Angaben der Bezirksregierung um 11.30 Uhr, damit die Schülerinnen und Schüler sicher nach Hause kommen konnten. Angesichts der Wetterprognosen aktivierte das Landesamt für Natur und Umwelt in NRW den Hochwasserinformationsdienst: Die Niederschläge könnten sich auf die Abflüsse in den Gewässern im Land auswirken. Eine konkrete Vorhersage sei noch nicht möglich. In von Starkregen betroffenen Gebieten könne es zu örtlichen Überflutungen kommen.
Verletzte in Bayern, ein Toter in Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz starb ein Mann in einem unter Wasser stehenden Keller. Der 38-Jährige habe beim Betreten des Kellers einen Stromschlag erlitten, sei dadurch zu Fall gekommen und vermutlich mit dem Kopf aufgeschlagen, teilte die Polizei mit. Die Reanimation des Mannes sei erfolglos geblieben, er starb noch vor Ort, hieß es weiter. Die genauen Abläufe seien Gegenstand der kriminalpolizeilichen Ermittlungen.
Beim Einsturz einer Holzhütte in Mittelfranken wurden 14 Menschen verletzt. Eine Frau sei mit schwersten Verletzungen in eine Klinik geflogen worden, sagte eine Polizeisprecherin. Das Unglück ereignete sich in Spalt (Landkreis Roth) nahe dem Großen Brombachsee. Der Polizeisprecherin zufolge hatten angesichts des in Bayern aufziehenden Unwetters mehrere Urlauber in der rund 85 Quadratmeter großen Hütte Schutz gesucht. Aus ungeklärter Ursache sei diese dann zur Seite gekippt und zusammengefallen.
DWD weitet Warnungen aus
Bereits am frühen Nachmittag hatte der Deutsche Wetterdienst (DWD) für NRW eine erste amtliche Unwetterwarnung wegen schwerer Gewitter herausgegeben. Die Meteorologen weiteten die Warnung später auf Teile von Rheinland-Pfalz, Thüringen, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Baden-Württemberg aus.
Nach Angaben des DWD kann es lokal in diesen Regionen heftigen Starkregen um 40 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit, großen Hagel bis fünf Zentimeter und schwere Sturmböen bis Orkanböen mit Geschwindigkeiten zwischen 100 und 130 Kilometern pro Stunde geben. Bäume könnten entwurzelt werden, Dachziegel herabstürzen, Keller und Straßen mit Wasser volllaufen, warnte der DWD. Auch Schäden durch Hagel- oder Blitzschlag an Gebäuden, Autos und in der Landwirtschaft seien möglich.
Lage könnte sich am Samstag beruhigen
Für den Abend und die Nacht wurden auch in Süddeutschland Gewitter erwartet. "Die Unwettergefahr ist hier allerdings meist nur noch lokal und geht im Laufe der Nacht zurück", sagte DWD-Meteorologe Sebastian Altnau. Am Samstag beruhigt Hoch "Zeus" das Wetter. "Am Montag kündigt sich dann mit einem neuerlichen Tief von Südwesten her die nächste Gewitterlage an", blickte Altnau voraus. Diese Gewitter treffen dann wahrscheinlich eher die Südhälfte Deutschlands.
Insbesondere Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen müssen sich in den kommenden beiden Tagen auf heftige Gewitter einstellen. Am heftigsten wird es nach Angaben des DWD im Norden Sachsen-Anhalts in der Altmark. Es müsse mit überschwemmten Straßen, überfluteten Kellern, herabfallenden Ästen und sprunghaft ansteigenden Bächen gerechnet werden.
In Rheinland-Pfalz blieben alle Schulen in Trägerschaft des Kreises Ahrweiler geschlossen. Die Bevölkerung solle die weiteren Wettervorhersagen im Radio, TV und Internet sowie über die Warn-Apps Katwarn und Nina mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen.
Deutsche Bahn: "Tickets flexibel nutzen"
Infolge der schweren Unwetter in NRW müssen sich Reisende auf Einschränkungen im Fernverkehr der Deutschen Bahn einstellen. Nach Angaben des Konzerns werden etwa auf der Strecke Köln - Wuppertal - Dortmund/Hamm die ICE- und IC-Züge zwischen Köln und Dortmund über Düsseldorf umgeleitet.
"Die Halte Solingen, Wuppertal und Hagen entfallen", hieß es. Empfohlen wird der Umstieg auf Regionalzüge. Fahrgäste, die ihre für Freitag geplante Reise verschieben wollten, könnten ihre gebuchten Fernverkehrstickets bis einschließlich sieben Tage nach Störungsende flexibel nutzen. Sitzplatzreservierungen könnten kostenfrei umgetauscht werden, hieß es auf der Website der Bahn.