BKA-Statistik Straftaten gegen Frauen nehmen in allen Bereichen zu
Erstmals hat das Bundeskriminalamt ein Lagebild spezifisch für Straftaten gegen Frauen erstellt. Egal ob Sexualdelikte, Gewalt oder Hass im Netz: Die Statistik verzeichnet in allen Bereichen einen Anstieg weiblicher Opfer.
Die Straftaten gegen Frauen haben im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Das zeigt das Bundeslagebild, das vom Bundeskriminalamt (BKA) erstmals spezifisch für die Taten erstellt wurde, "die überwiegend zum Nachteil von Frauen begangen werden oder in ihrer Ausprägung primär Frauen betreffen".
"In jeder Fallgruppe ist im Vergleich zum Vorjahr die Anzahl der weiblichen Opfer gestiegen", heißt es in der Statistik. In fast allen betrachteten Bereichen sind auch in den vergangenen fünf Jahren mehr Fälle erfasst worden.
Mit Bundeslagebildern fasst das BKA regelmäßig Straftaten zu bestimmen Deliktbereichen wie beispielsweise Cybercrime oder Organisierter Kriminalität zusammen. In ihrem neuen Lagebild zu Gewalt gegen Frauen richtet das BKA den Blick auf Sexualstraftaten, häusliche Gewalt, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, digitale Gewalt und Femizide. Auch Fälle von politisch motivierter Kriminalität mit frauenfeindlichen Vorurteilen wurden berücksichtigt.
Hasskriminalität gegen Frauen steigt stark an
Besonders stark gestiegen ist 2023 demnach die politisch motivierte Hasskriminalität gegen Frauen: 56,3 Prozent mehr Straftaten als im Vorjahr registrierte das BKA, insgesamt waren es 322. 29 Fälle davon waren Gewaltdelikte, meistens Körperverletzungen. Eine Erklärung liegt laut BKA "in einer Ideologie der Ablehnung von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Geschlechter".
Mehr als 52.000 Frauen und Mädchen wurden dem BKA zufolge 2023 in Deutschland Opfer von Sexualstraftaten wie Vergewaltigung - ein Anstieg von 6,2 Prozent zum Vorjahr. Besonders Mädchen und junge Frauen seien betroffen, heißt es. Auch im Bereich häusliche Gewalt zieht die Statistik eine traurige Bilanz: Es gab gut 180.000 weibliche Betroffene, also 6,2 Prozent mehr als im Jahr 2022.
25 Prozent mehr digitale Gewalt gegen Frauen
Noch deutlicher war der Anstieg bei digitaler Gewalt: Das Lagebild spricht von 25 Prozent mehr weiblichen Opfern, fast 17.200 Betroffene wurden festgestellt. Die überwiegende Mehrzahl der Straftaten in diesem Bereich sind Nötigungen, Bedrohungen und Stalking. Bei minderjährigen Opfern geht es bei digitaler Gewalt mehrheitlich um Missbrauchsstraftaten. BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer nannte den digitalen Raum "Treiber" von Hass und Gewalt gegen Frauen.
360 Frauen bei Femizid getötet
Im Jahr 2023 wurden 360 Frauen in Deutschland getötet - weil sie Frauen waren. Diese sogenannten Femizide stiegen um einen Prozent, in 578 Fällen kam es demnach zu einer versuchten Tötung. "Der Anteil weiblicher Opfer von Tötungsdelikten innerhalb von Partnerschaften liegt bei über 80 Prozent", heißt es in der Statistik. Hier gebe es "Aufklärungs-, Abgrenzungs- und Forschungsbedarf", appelliert das BKA. Im öffentlichen Diskurs sei vielen nicht klar, welche Taten sich hinter dem Begriff Femizid verbergen.
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" bietet gewaltbetroffenen Frauen, Personen aus deren sozialem Umfeld und Fachkräften unter der Nummer 116 016 rund um die Uhr kostenlose, barrierefreie und anonyme Beratung in 19 Sprachen an.
591 Frauen wurden im vergangenen Jahr Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung - ein Plus von 11,5 Prozent. Im Fünf-Jahres-Vergleich blieb lediglich diese Fallgruppe bei den Opferzahlen auf gleichem Niveau. Sie ist laut BKA allerdings auch stark abhängig "von der Kontrollintensität der Polizei."
Eine Gesamtzahl aller weiblichen Opfer kann das BKA in ihrem Lagebild nicht angeben - denn viele Taten sind mehreren Fallgruppen zuzuordnen. Eines hätten jedoch alle Bereiche gemeinsam: Der Anteil der Taten mit weiblichen Opfern im Zusammenhang mit Tatverdächtigen aus früheren oder aktuellen Partnerschaften ist hoch. Und auch die Dunkelziffern dürften laut BKA generell hoch sein.
Faeser plant Gewaltschutzgesetz
Innenministerin Nancy Faeser plant indes ein Gewaltschutzgesetz, das verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Gewalttäter und Fußfesseln für die Durchsetzung von Kontaktverboten vorsehen sollte. Für beides warb Faeser erneut. "Fast jeden Tag wird in Deutschland eine Frau oder ein Mädchen getötet." Die Situation sei "unerträglich". Ob es dafür in den nächsten Monaten noch konkrete Regelungen gibt, ist aber offen.