Pilotprojekte an der Küste Wo noch Platz am Strand ist
Per App einen Platz am Strand buchen? Dieser Plan wurde an den norddeutschen Küsten verworfen. Aber es starten Pilotprojekte, wie Touristen sich einen Überblick verschaffen können über die Lage am Wunschurlaubsort.
An Pfingsten kam der Corona-Schock an der Küste: Das schöne Wetter lockte die Massen an die Strände in Norddeutschland. Doch zu viele Menschen am Strand sind wegen der Infektionsgefahr gefährlich.
Die Idee, dass Touristen sich mit einer Strand-App in Schleswig-Holstein einen Platz an einem bestimmten Abschnitt buchen, stieß auf massive Kritik: Nicht alle Gäste haben ein Smartphone, so ein Argument, zudem seien einige Strände so weiträumig, dass leicht Abstand gehalten werden könne. Das Ticket-Prinzip wurde verworfen.
"Mit Abstand genießen" - in St. Peter-Ording erinnern Plakate und Wegmarken an die Abstandsregeln.
Digitale Pilotprojekte in Schleswig-Holstein
Gesucht wird nach Lösungen, die den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten angepasst werden können. "Es gibt ganz unterschiedliche neuralgische Punkte", sagt Sankt Peter-Ordings Tourismus-Direktorin Constanze Höfinghoff im Gespräch mit tagesschau.de. "Wir haben hier einen zwölf Kilometer langen und zwei Kilometer breiten Strand", erklärt sie. An der Ostseeküste seien die Strände schmaler. Dagegen sei es in Sankt Peter-Ording wichtig, an den Strandzugängen und den beliebten Plätzen im Ort für Entzerrung zu sorgen.
Neben Plakaten, Markierungen und anderen Hinweisen setzte Sankt Peter-Ording deshalb zu Pfingsten und Himmelfahrt auf eine Sperrung des gesamten Ortes für Tagestouristen. Jetzt strebt der Kurort an der Westküste gemeinsam mit Scharbeutz an der Ostseeküste digitale Lösungen an. In beiden Orten starte ab August ein Pilotprojekt, das aber mit unterschiedlichen technischen Methoden vorgehe, erklärt Paul Stellmacher, Leiter des Online-Marketings der Tourismus-Agentur Lübecker Bucht im Gespräch mit tagesschau.de.
Strandkörbe in gebührendem Abstand auf der Insel Fehmarn.
Sensoren an der Ostküste
Die Idee sei, die Situation vor Ort abzubilden, damit schon vor dem Ausflug Alternativen aufgezeigt werden können. Bewegungssensoren, auch Lasersensoren genannt, sollen - zunächst nur an den Zugängen zu den Scharbeutzer Stränden - ab August messen, wie viele Menschen an den Strand gehen. Festgestellt werden könne damit auch, ob die Menschen nach rechts oder links gehen, ob sie einen Rucksack auf dem Rücken oder ein Kind auf der Schulter tragen, so Projektleiter Stellmacher. Das System funktioniere im Prinzip wie eine Lichtschranke. Es gebe keine Gesichtserkennung oder Registrierung anderer Merkmale, betont er.
In 20 kleinen Kästen werden an den Strandzugängen die Sensoren installiert. Schon jetzt werden in der Lübecker Bucht die Besucherdaten erhoben - allerdings manuell beziehungsweise per Sichtung: Vier Mal am Tag melden die Strandkorbvermieter der Tourismuszentrale Zahlen, die dann über das Internetportal www.strandticker.de abgerufen werden können, so Sprecherin der Lübecker-Bucht-Agentur, Doris Wilmer-Huperz gegenüber tagesschau.de. Das soll in Zukunft über die Sensoren per Datenleitung geschehen.
Andere Methode an der Westküste
Die technische Basis sei für das zeitgleich startende Pilotprekt in Sankt Peter-Ording vergleichbar, erklärt Projektleiter Stellmacher, der auch diesen Praxistest begeleitet. Hier sollen anonymisiertes WLAN-Tracking eingesetzt werden sowie Kameras zum Einsatz kommen, die aus der Höhe - montiert an Masten - Flächen fotografieren, ohne Personen abzubilden. "Es werden nur Punkte abgebildet", sagt Stellmacher. Mittels Ampelsystem werden die Ergebnisse dargestellt - abrufbar zum Beispiel via Smartphones oder auch über Rot-Grün-Ampeln vor Ort.
Die Pilotprojekte sollen zeigen, ob die Sensor-Methode in ganz Schleswig-Holstein angewandt werden kann - also eine "Lösung für das gesamte Bundesland" sein könne, sagt Tourismusdirektorin Höfinghoff. Die Methoden sollen möglichst auch für andere Ausflugsziele als Badestrände genutzt werden, zum Beispiel Museen, Nationalparks oder Thermen.
Niedersachsen fördert "Besucherlenkung"
An der Idee der "Besucherlenkung" werde schon lange gefeilt, sagt Marc Klinke, Marketing-Koordinator für den Tourismus auf den ostfriesischen Inseln, gegenüber tagesschau.de. Das Land Niedersachsen habe jetzt einen Förderantrag genehmigt, um ein entsprechendes webbasiertes Angebot für die Region zu entwickeln.
Die Entwicklung werde voraussichtlich ab Herbst nutzbar sein. Ziel ist auch hier, die Auslastung von touristischen Attraktionen zu erfassen und abrufbar zu machen. Nicht nur in Pandemie-Zeiten sei das sinnvoll, so Klinke.
Mecklenburg-Vorpommern: "Strände nicht überfüllt"
Mecklenburg-Vorpommern plant hingegen keine Maßnahmen zur Beobachtung und Lenkung der Besucher an der Küste und anderswo im Land. Der Grund: "Unsere Strände sind nicht überfüllt", sagt Kathrin Hackbarth, Pressesprecherin des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Da per Corona-Verordnung des Landes Tagesgäste noch nicht anreisen dürfen - mindestens eine Übernachtung muss gebucht werde - könne von einem Gästeansturm nicht die Rede sein.
Die Buchungslage sei zwar laut einer aktuellen Blitzumfrage unter rund 500 touristischen Unternehmen sehr gut, aber auch während der laufenden Sommerferien seien Buchungen noch möglich. So ähnlich beschreibt es Klinke für die ostfriesischen Inseln. Wilmer-Huperz sagt für die Lübecker: "Es ist ein Sommer wie immer." Allerdings sei der Beratungsbedarf höher: "Es ist ja gut, wenn sich die Leute informieren."
Auch im "Urlaubsmodus" Rücksicht nehmen
"Von der Fahrt ins Blaue raten wir ab", sagt Manuela Schütze von der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein. Urlauberinnen und Urlauber sollten sich auf jeden Fall vorab über die Gegebenheiten an ihrem Wunschurlaubsort im Internet oder telefonisch informieren, empfehlen die nordischen Tourismus-Experten und -Expertinnen unisono. Eine Website, auf der Reiselustige die Informationen zentral für ein gesamtes Bundesland abrufen können, gibt es allerdings nicht.
Sankt Peter-Ording hat für die Gäste Broschüren erstellt, die vorab oder vor Ort erhältlich sind. Tourismus-Direktorin Höfinghoff appelliert, sich auch in den Ferien an die Vorsichtsmaßnahmen zu halten und nicht im "Urlaubsmodus" die Rücksichtnahme zu vergessen: Abstand halten, Maske tragen, Hygieneregeln. "Denn die Infektionszahlen sind so gering, weil wir uns an die Regeln halten."