Nach Festnahme wegen Spionageverdachts "Bedrohung hat andere Dimension erhalten"
Nach der Festnahme eines mutmaßlichen Russland-Spions haben Politiker verschiedener Parteien zu mehr Wachsamkeit im Bereich der Spionageabwehr aufgerufen. Innenministerin Faeser betonte die verschärfte Sicherheitslage in Deutschland.
Mehrere Politiker haben nach der Festnahme eines Mitarbeiters des Bundeswehr-Beschaffungsamtes wegen Verdachts auf Spionage für Russland schärfere Sicherheitsvorkehrungen gefordert. Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Sicherheitsarchitektur müsse grundlegend neu aufgestellt werden. "Den Herausforderungen auch des hybriden Kriegs, den Russland und andere Staaten auch gegen Deutschland führen, müssen wir mit Entschlossenheit begegnen."
Mehr Vernetzung der Sicherheitsbehörden
Otte, der auch Vizevorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag ist, forderte eine engere Vernetzung der Aufklärungsbehörden. Es müsse eine Abkehr vom "Siloformat" der Zuständigkeiten geben hin zu einem "vernetzten Miteinander zum Schutz Deutschlands". Eine Anpassung von Struktur, Zuständigkeiten und Befugnissen müsse sich an den realen Gefahren orientieren.
Da innere und äußere Sicherheit nicht mehr trennbar sind, müssen auch Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst verfassungskonform kooperieren dürfen.
Auch von Notz für bessere Spionageabwehr
Ähnlich wie Otte äußerte sich der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz. Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" sagte der Grünen-Politiker, Deutschland brauche noch mehr Aufmerksamkeit im Bereich der Spionageabwehr und der "illegitimen Einflussnahme von autokratischen Ländern". Der Fall zeige einmal mehr, "wie sehr Deutschland im Fokus ausländischer Nachrichtendienste" stehe.
Hahn fordert schnelle Aufklärung
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), forderte die Bundesregierung dazu auf, den Umfang der mutmaßlichen Spionage beim Beschaffungsamt der Bundeswehr rasch aufzuklären. "Die Bundesregierung ist nun gefordert, schnell das Ausmaß aufzuklären und zu informieren", sagte Hahn den Zeitungen der Funke Mediengruppe . Der aktuelle Fall zeige auf, "dass auch wir bedroht sind und aufmerksam sein müssen".
Zugleich lobte Hahn die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden. "Unsere Dienste scheinen gute Arbeit zu leisten, das ist gut und zeigt, dass wir nicht schutzlos sind", sagte der CSU-Politiker. Derartige Vorfälle könnten leider nie gänzlich ausgeschlossen werden.
Faeser lobt Arbeit der Sicherheitsbehörden
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser lobte in einer ersten Reaktion auf die Festnahme in Koblenz die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden. Auch dieser Fall zeige, "dass unsere Sicherheitsbehörden russische Spionage in Deutschland im Blick haben und konsequente Maßnahmen dagegen treffen", sagte die SPD-Politikerin.
Unsere Sicherheitsbehörden sind äußerst wachsam.
Zu möglichen Änderungen in der deutschen Sicherheitsstruktur sagte Faeser dagegen nichts. Sie betonte lediglich die durch den Ukraine-Krieg verschärfte Sicherheitslage in Deutschland. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte Faeser: "Die Bedrohung durch Spionage, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe hat eine andere Dimension erhalten." Man habe bereits Kräfte gebündelt und Schutzmaßnahmen hochgefahren, "um uns gegen die aktuellen Bedrohungen zu wappnen".
Buschmann: "Wachsamkeit bleibt Gebot der Stunde"
Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) appellierte, wachsam zu bleiben. Auf der Plattform X, die früher Twitter hieß, schrieb er, das bleibe das Gebot der Stunde.
Zuletzt hatte auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) vor "erheblich verstärkter" russischer Spionage gegen Deutschland gewarnt.
Verdächtiger in Koblenz festgenommen
Ermittler des Bundeskriminalamtes hatten am Mittwoch einen Mitarbeiter der Koblenzer Bundeswehr-Beschaffungsbehörde (BAAINBw) in Koblenz festgenommen. Der Beschuldigte ist Anfang 50 und Offizier im Range eines sogenannten Hauptmanns.
Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, soll sich der Beschuldigte von Mai 2023 an "aus eigenem Antrieb" mehrfach an das russische Generalkonsulat in Bonn und die russische Botschaft in Berlin gewandt und eine Zusammenarbeit angeboten haben. Dabei habe er Informationen aus seiner beruflichen Tätigkeit übermittelt - "zwecks Weiterleitung an einen russischen Nachrichtendienst". Nach dpa-Informationen wurden auch seine Wohnung im Rhein-Hunsrück-Kreis sowie die Nebenwohnung in Koblenz durchsucht.