SPD-Debakel bei der Europawahl Offene Genossen-Kritik an Scholz
Ob im Bundestag oder in den Landesverbänden: Nach der SPD-Pleite bei der Europawahl wird die Kritik aus der Partei am Kanzler immer offener. Nicht nur die ostdeutschen Verbände machen sich vor den Wahlen im Herbst Sorgen.
Nach dem Debakel bei der Europawahl wird die Kritik aus der SPD an Bundeskanzler Olaf Scholz immer lauter. Die Bundestagsfraktion wünscht sich laut ihrem Vorsitzenden Rolf Mützenich eine stärkere Wahrnehmung sozialdemokratischer Interessen durch Scholz.
Bild: Ansichten über Olaf Scholz
Bild: Ansichten der SPD-Wählenden über Olaf Scholz
Der Rheinischen Post sagte er, bei einer Fraktionssitzung am Dienstag hätten alle fast 40 Wortmeldungen gezeigt, dass die Abgeordneten die Arbeit des Kanzlers zwar schätzen und ihn inhaltlich unterstützten. Sie hätten aber auch ihre Sorgen angesichts des Ansehens der Ampelkoalition verdeutlicht. Wunsch sei es gewesen, "dass der Kanzler sichtbarer werden muss mit seinen Überzeugungen, auch in der Regierung", sagte Mützenich weiter.
"Der Bundeskanzler wird in Zukunft die Chance ergreifen, deutlicher seine Haltung innerhalb der Koalition als sozialdemokratischer Regierungschef zu erläutern", betonte der Fraktionsvorsitzende weiter. Gegen Ende der Wahlperiode sei es Zeit, Erfolge und Vorhaben stärker herauszustellen. Mützenich sicherte dem Kanzler seine persönliche Unterstützung zu: "Das gilt, solange es mir qua Amt möglich ist und nicht gegen meine Überzeugungen verstößt."
Bild: Ergebnisse von Union und SPD
So schlecht abgeschnitten wie noch nie
Bei der Europawahl hatte die SPD nur 13,9 Prozent der Stimmen erhalten - das bislang schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl. Nach Informationen der Bild-Zeitung trifft sich das SPD-Präsidium am Sonntag zu einer Sondersitzung. Auch Scholz sei dabei.
Der Spiegel berichtet über weitere Details der vertraulichen SPD-Bundestagsfraktionssitzung. Berlins früherer Regierender Bürgermeister Michael Müller kritisierte, dass Scholz am Wahlabend den Wahlausgang gegenüber Journalisten nicht kommentieren wollte: Dieser könne nicht "Nö" antworten, wenn er gefragt werde, ob er sich zum Ergebnis äußern wolle.
Müller, der für Außenpolitik zuständig ist, warf Scholz laut Spiegel widersprüchliche Aussagen am Ende des Wahlkampfs vor: Man könne keinen Friedenswahlkampf machen und erlauben, dass die Ukraine mit deutschen Waffen Ziele in Russland angreife.
"Endlich ostdeutsche Themen in den Vordergrund"
Unmut gibt es auch in Thüringen und Sachsen, wo im Herbst gewählt wird. Thüringens SPD-Landeschef Georg Maier, der auch Landesinnenminister ist, forderte im Spiegel vom Kanzler und von der Parteiführung, auf die Nöte der Ostdeutschen einzugehen: "Warum stellen wir, verdammt noch mal, nicht endlich ostdeutsche Themen in den Mittelpunkt?", sagte er dem Magazin. Scholz müsse jetzt auf die Ostdeutschen zugehen.
Auch Sachsens SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping kritisierte im Spiegel, Scholz habe bislang in dem Bundesland zwei Wahlkampftermine zugesagt: "Ich würde mir wünschen, dass er noch öfter kommt."
Bild: Zufrieden mit der politischen Arbeit
"Profil nicht immer klar"
Auch aus der NRW-SPD kommt Kritik: Landeschefin Sarah Philipp warf der Parteiführung einen unklaren Kurs vor: "Gerade bei den wahlentscheidenden Themen der Asyl- und Migrationspolitik sowie der inneren Sicherheit war das Profil der SPD in den letzten Jahren nicht immer klar." Parteiinterne Konflikte bei diesen Punkten dürften nicht länger gescheut werden, sagte sie dem Spiegel weiter. "Von Olaf Scholz erwarte ich die versprochene Führung und eine intensivere, bessere Kommunikation", sagte auch Sören Link, SPD-Oberbürgermeister von Duisburg, dem Spiegel.
Auch Kühnert offenbar in der Kritik
Laut einem Bericht der Bild-Zeitung gab es bei der Fraktionssitzung am Dienstag auch Kritik an SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Dabei sei es vor allem um seine Leitung der Europawahl-Kampagne gegangen.
Die Zeitung berichtet weiter, Kühnert äußere sich immer kritischer zur Zukunft der Ampelkoalition. Das Image sei desaströs, das Bündnis schade dem SPD-Ansehen. Laut Bild-Zeitung zeigte er sich auch pessimistisch, dass SPD, Grüne und FDP sich beim Haushaltsstreit einigen werden. Anders als Scholz selbst habe er nicht ausgeschlossen, dass der Kanzler deswegen im Bundestag die Vertrauensfrage stellen werde.