SPD-Parteitag Schulz knöpft sich die Kanzlerin vor
Mit scharfen Attacken auf die Kanzlerin hat SPD-Kanzlerkandidat Schulz seine Partei auf den Wahlkampf eingestimmt. Schulz warf Merkel vor, sich inhaltlichen Debatten zu verweigern. Das komme einem "Anschlag auf die Demokratie" gleich. Der Parteitag billigte das Wahlprogramm einstimmig.
Mit einer umjubelten Rede hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz seine Partei zu einem kämpferischen Wahlkampf aufgerufen. Vor den Delegierten eines Bundesparteitags in Dortmund griff Schulz Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel scharf an und warf ihr vor, sie verweigere sich im Bundestagswahlkampf einer Auseinandersetzung über Inhalte.
Während die SPD Konzepte vorstelle und Stellung beziehe, "wird auf der anderen Seite geschwiegen", sagte Schulz. Denn es gibt ja Angela Merkel - das reicht ja." Das sei ein erfolgreiches Modell 2009 und 2013 gewesen. "Nicht mehr im Jahre 2017!", rief Schulz unter dem Beifall der etwa 6000 Delegierten und Gäste.
Wenn das Parteihauptquartier einer Regierungspartei beschließe, die Debatte um die Zukunft des Landes zu verweigern, nehme sie in Kauf, dass die Menschen nicht zur Wahl gingen. Das komme einem "Anschlag auf die Demokratie" gleich.
Gerechtigkeit im Fokus
Ausführlich ging Schulz auf das Thema Gerechtigkeit ein. Er sehe es als seine Herausforderung, "den Wandel zu gestalten und zugleich für Gerechtigkeit zu sorgen", sagte Schulz weiter. Es sei "die Mission" der SPD, "die Würde des Menschen in Zeiten gewaltiger Umbrüche zu sichern, Fortschritt zu gestalten, aber den Menschen immer in seinen Mittelpunkt zu stellen".
Als Herausforderungen nannte Schulz "die Frage, wie wir aus technologischen und wirtschaftlichen Innovationen sozialen Fortschritt machen", und "wie wir unsere Gesellschaft in einer Zeit rasanter Veränderungen zusammenhalten". Auch gehe es um die Stärkung des demokratischen Europa und "wie wir den Frieden sichern in einer Welt, in der der Frieden bedroht ist".
Bedingungen für Koalitionsvertrag
Beim Thema Familienpolitik versprach Schulz, er werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist. Dieselbe Bedingung stellen Grüne und FDP, die Union lehnt bislang eine Öffnung der Ehe ab.
Massiv ging Schulz die AfD an, die er eine "NDP-light" nannte. Die SPD müsse alle Kräfte mobilisieren und dafür sorgen, dass die AfD nicht dem nächsten Bundestag angehöre.
In der Mitte der Rede legte der Kanzlerkandidat - demonstrativ? - das Sakko ab.
Herzensthema Europa
Im außenpolitischen Teil seiner Rede warf Schulz der Regierung vor, zu Verstößen gegen europäisches Recht und den Geist Europas durch Ungarn und Polen zu schweigen. Unter anhaltendem Beifall kritisierte er die Verhaftung Tausender Oppositioneller und Journalisten in der Türkei als "Skandal". Er rief den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf: "Lassen Sie diese Menschen frei!"
US-Präsident Donald Trump nannte er einen "irrlichternden Präsidenten". Merkels Kritik an Trump bezeichnete er als zu unkonkret. Die Delegierten quittierten Schulz' Rede mit rund neunminütigem Applaus.
Der Alt-Bundeskanzler macht Mut
Vor Schulz hatte Ex-Parteichef und Alt-Bundeskanzler Gerhard Schöder der Partei Mut im Wahlkampf gemacht. Schröder erinnerte an die Aufholjagd der Sozialdemokraten im Wahlkampf 2005, als die SPD die Union fast noch eingeholt hatte. Was damals ging, gehe heute auch, sagte er.
Freudige Begrüßung: Sozialdemokraten Schulz und Schröder
Kurs auf die Bundestagswahl
Nach mehrstündiger Debatte billigten die Delegierten das Wahlprogramm einmütig - es gab keine Gegenstimmen und nur eine Enthaltungen. Vertagt wurde die Entscheidung über die Vermögenssteuer, auf deren Wiedereinführung der linke Parteiflügel drängt, die Schulz aber ablehnt. Hier hatte sich die SPD-Spitze vor dem Parteitag auf einen Prüfauftrag verständigt.
Der SPD-Parteitag ist auch Thema im Bericht aus Berlin, heute um 18:30 Uhr im Ersten sowie in der Sendung Bericht vom Parteitag um 00:00 Uhr.