Drittstaatenlösung mit Ruanda oder Ghana Kritik an Spahns Vorstoß zu Abschiebungen
Man solle irregulär in die EU Eingereiste etwa nach Ghana oder Ruanda abschieben, fordert Unionsvize Spahn - und stößt damit auf Kritik. Ein "Bärendienst" und "geradezu kindlich naiv" sei der Vorstoß, so der Migrationsbeauftragte Stamp.
Mit seinen jüngsten Äußerungen zu Abschiebungen hat Unionsfraktionsvize Jens Spahn für Kritik gesorgt. "Damit hat Herr Spahn der Debatte einen Bärendienst erwiesen", sagte der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp, der "Bild"-Zeitung. Spahn hatte am Wochenende in einem Interview gefordert, alle irregulär in die Europäische Union gelangenden Geflüchteten nach Ghana, Ruanda oder in osteuropäische Nicht-EU-Länder zu schicken.
"Die Idee sicherer Drittstaaten ist nicht neu und auch im Koalitionsvertrag der Ampel angelegt", sagte Stamp. Sie lasse sich aber nicht so einfach umsetzen, wie Spahn "geradezu kindlich naiv" annehme. Diplomatische Bemühungen auf europäischer Ebene würden "von vornherein kaputt gemacht, wenn öffentlich über potenzielle Länder spekuliert wird", mahnte der FDP-Politiker. Die Migrationskrise lasse sich nur "durch kontinuierliche und harte Arbeit auf allen Ebenen bewältigen", nicht aber "durch schnelle Schlagzeilen".
Spahn hatte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zu seinem Vorstoß gesagt: "Wenn wir das vier, sechs, acht Wochen lang konsequent durchziehen, dann werden die Zahlen dramatisch zurückgehen". In der Genfer Flüchtlingskonvention stehe nicht, dass Schutz vor Kriegsverfolgung in der EU gewährt werden müsse.
Baerbock: "Doch etwas verwundert"
Auch Außenministerin Annalena Baerbock erteilte Forderungen nach einer Auslagerung von Asylverfahren aus Europa eine Absage. Sie sei "doch etwas verwundert", dass "insbesondere von konservativen Politikern" die Forderung nach einer Übernahme des Ruanda-Modells in der Asylpolitik nach britischem Vorbild erhoben werde, sagte sie bei einem Treffen mit ihrem Kollegen Vincent Biruta in der ruandischen Hauptstadt Kigali.
Eine Vereinbarung zwischen Großbritannien und Ruanda sieht vor, dass irregulär eingereiste Ankömmlinge künftig ohne Prüfung ihres Asylantrags aus Großbritannien in das afrikanische Land geschickt werden. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Davon erhofft sich die britische Regierung eine abschreckende Wirkung auf Migranten.
Verhandlungen auf EU-Ebene
Die CDU stelle "theoretische Diskussionen in den Raum", anstatt auf EU-Ebene dafür zu sorgen, dass die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems endlich umgesetzt werden könne, kritisierte Baerbock. Das zeige, dass man "in der Realität und Praxis offensichtlich nicht zu Lösungen beitragen will".
Man brauche dringend die Zustimmung auch des Europäischen Parlaments für die EU-Asylreform, so die Grünenpolitikerin. Bekanntermaßen sei die konservative Fraktion dort die stärkste Kraft. Es sei wichtig, die Reform zum Jahreswechsel erfolgreich "auf die Schiene" zu bringen. "Es wäre aus meiner Sicht auch im Sinne der deutschen Migrationsdebatte, auch zur Entlastung der Kommunen, wenn die Konservativen endlich ihre volle Kraft auch dafür bereitstellen, im Europäischen Parlament, aber auch in der deutschen Diskussion."
Ruanda verteidigt Abkommen mit London
Der ruandische Außenminister Biruta verteidigte die umstrittene Zusammenarbeit seines Landes mit London zur Aufnahme von Migranten, die irregulär nach Großbritannien eingereist sind. Ruanda arbeite mit Großbritannien und "gerne auch mit anderen Partnern" zusammen, um eine Lösung für das globale Migrationsproblem zu finden.
Es fänden "schreckliche Verbrechen auf dem Rücken der Menschen" statt, sagte er laut offizieller Übersetzung. Die Kritik an der Kooperation sei unfair. So würden Mechanismen geschaffen, die helfen sollten, Asylbewerber in die Gesellschaft zu integrieren. Die Migrationspartnerschaft umfasse auch eine Partnerschaft zur Wirtschaftsentwicklung. "Das ist auch eine große Chance für diese Menschen, ein besseres Leben in unserem Land aufzubauen."
Die Verhandlungen auf EU-Ebene zu einer Reform des gemeinsamen Asylsystems gehen derzeit in Brüssel in eine weitere, möglicherweise entscheidende Runde. Mit der geplanten Asylreform soll unter anderem die irreguläre Migration begrenzt werden.