
Solidaritätszuschlag Welche Rolle spielt der Soli für die Staatsfinanzen?
Der Solidaritätszuschlag sollte die Lasten der deutschen Wiedervereinigung finanzieren. Aber kostet die Einheit heute wirklich noch Geld? Und wer muss den Soli überhaupt zahlen? Ein Überblick.
Was ist der Solidaritätszuschlag?
Der Soli wird bei einkommensstarken Gruppen als Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer sowie Kapitalerträge erhoben und beträgt 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer.
Nachdem es 1991/1992 zunächst einen zeitlich befristeten Vorläufer gegeben hatte, wurde der Zuschlag 1995 vor dem Hintergrund des zusätzlichen Finanzbedarfs der Wiedervereinigung unbefristet eingeführt. Das Geld ist aber - wie alle Steuereinnahmen - nicht zweckgebunden und fließt in den Bundeshaushalt ein.
Ist die Begründung noch haltbar?
Das Bundesverfassungsgericht hat gerade entschieden, dass die mit der Finanzierung der Wiedervereinigung begründete Abgabe noch verfassungsgemäß ist.
Die geschäftsführende Bundesregierung verweist auf einen weiteren zusätzlichen Finanzbedarf infolge der Wiedervereinigung und auf ein entsprechendes Gutachten aus dem Jahr 2020: Die Wiedervereinigung verursache weiterhin Kosten - zum Beispiel bei der Rentenversicherung und am Arbeitsmarkt. Außerdem sei eine soziale Staffelung bei der Besteuerung ausdrücklich erlaubt, heißt es im Finanzministerium.
Auch der Bundesfinanzhof hatte den Solidaritätszuschlag für zulässig erklärt. Dagegen hatten FDP-Abgeordnete - unter ihnen der ehemalige Fraktionsvorsitzende Christian Dürr - in Karlsruhe geklagt. Sie hatten argumentiert, dass der Solidarpakt zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in den alten und neuen Bundesländern 2019 auslief. Danach habe es keine Rechtfertigung für die Ergänzungsabgabe gegeben.
Im Interview mit tagesschau24 sagte der Präsident des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung, Reint E. Gropp: "Der Grund für den Soli ist aus ökonomischer Sicht entfallen." Ausgaben des Bundes, die direkt auf Folgen der Wiedervereinigung zurückzuführen seien, gebe es nicht mehr. Gropp war vom Bundesverfassungsgericht in einer Anhörung als Sachverständiger geladen worden.
Reint Gropp, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, ordnet den Bedarf des Solis ein
Wer muss den Soli noch zahlen?
Bis Ende 2020 mussten fast alle Bürgerinnen, Bürger und Betriebe in Ost und West den Solidaritätszuschlag zahlen. Unter dem damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wurde der Großteil der Steuerzahler aus der Zahlpflicht entlassen: Seit 2021 zahlen ihn nur noch Besserverdienende, Unternehmen und Kapitalanleger.
Für 90 Prozent der Steuerpflichtigen wurde er im Rahmen des "Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995" abgeschafft, für weitere 6,5 Prozent zumindest zum Teil. Dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge zahlten zuletzt noch rund sechs Millionen Menschen und 600.000 Kapitalgesellschaften die Abgabe.
In diesem Jahr müssen laut Finanzministerium diejenigen Soli zahlen, die mindestens 19.950 Euro Steuern auf ihr Einkommen ableisten. Teilweise fällig wird die Abgabe damit für alle Ledigen mit einem zu versteuernden Einkommen ab etwa 73.500 Euro. Der volle Soli ist ab einem zu versteuernden Einkommen von rund 114.300 Euro zu zahlen. Für Verheiratete oder Steuerpflichtige mit Kindern liegen die Grenzen höher.
Welche Bedeutung hat der Soli für den Bundeshaushalt?
Für dieses Jahr sind im bisherigen Haushaltsentwurf Soli-Einnahmen von 12,75 Milliarden Euro fest verplant - das sind gemessen am Regierungsentwurf 2025 rund 2,6 Prozent des Gesamthaushaltes. Dies entspricht einem Betrag, den Ministerien wie das Bundesinnenministerium (13,75 Milliarden Euro) oder das Familienministerium (14,44 Milliarden Euro) als Gesamtjahresetat in vergleichbarer Höhe zur Verfügung haben.
Volkswirt Gropp bezeichnet den Soli als "eine Art Sonderabgabe für Besserverdienende". Der Staat brauche derzeit jeden Euro für Investitionen in die Infrastruktur in Ost und West, so Gropp bei tagesschau24 - und könne sich sehr schwer leisten, den Soli abzuschaffen: "Es wäre wahrscheinlich schlauer gewesen, den Soli in die Einkommenssteuer zu integrieren."
Innerhalb der ab 2021 regierenden Koalition aus SPD, Grünen und FDP war bereits über den kompletten Soli-Abbau diskutiert worden. Der damalige Finanzminister Christian Lindner hatte die Streichung des Solidaritätszuschlags vor einem Jahr öffentlich gefordert - SPD und Grüne wandten sich dagegen.
Was sagten andere Gerichte dazu?
Es ist nicht das erste Mal, dass ein hohes deutsches Gericht über den Soli entschied. Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hatte 2023 eine Klage gegen den Zuschlag abgelehnt und ihn für verfassungskonform erklärt.
Die Kläger - ein Ehepaar aus Aschaffenburg - hatten zusammen mit dem Bund der Steuerzahler eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gefordert. Laut BFH-Urteil legte der Bund aber schlüssig dar, dass die Wiedervereinigung weiter erhöhten Finanzbedarf verursache, auch wenn die Solidarpakte zur Finanzierung der Einheitslasten ausgelaufen seien.